Das Silmarillion ist ein sehr kompliziertes Thema. Die meisten Texte des Silmarillions wurden tatsächlich von J. R. R. Tolkien selbst geschrieben. Es existieren aber sehr viele Texte in verschiedenen Versionen. Oft hat Tolkien nach vielen Jahren auch seine Meinung und Ideen geändert (z.B. Herkunft der Orks). Einige Bruchstücke sind auch unvollständig und erforderten eine Ergänzung oder kleine Veränderungen. Er (C. Tolkien) hat auch einige Details aus unvollständigen Texten benutzt, die er aber als ganzes nicht nutze, etc.
Der Diskurs und die Kritik am Silmarillion geht daher mehr in die Richtung, warum hat Christopher Tolkien Version A des Textes genommen und nicht Version C? Warum ignoriert er z.B. die Problematik der Herkunft der Orks? Warum fehlt das „Athrabeth Finrod ah Andreth“? Was ist mit der „Round World Version“? etc. Es gibt viele Details in neueren Version von Tolkien, die komplett fehlen (lag auch daran, dass Christopher nicht alle Texte zur Verfügung hatte oder sie ihm noch nicht bekannt waren).
Am Ende hat Christopher Tolkien aus den Texten (an denen Tolkien seit den 1920er gearbeitet hat) ein Buch zusammen gebaut (Kleinigkeiten geändert/editiert), das den „Der Herrn der Ringe“ sehr gut ergänzt. J. R. R. Tolkiens „eigenes Silamrillion“ (hätte er es selbst fertig gestellt), hätte zwar ganz anders ausgesehen, aber (aus meiner Sicht) auch kleine Änderungen und Ergänzungen am Herr der Ringe selbst erfordert, vergleichbar mit den kleinen Änderungen, die Tolkien am Hobbit in der 2. Edition (ca 1951) vornahm, damit es überhaupt in das Universum seines Silmarillions und des Herr der Ringes passt.
Es ist erstaunlich, dass es Christopher Tolkien unter den gegeben Umständen überhaupt gelang ein so komplexes und größtenteils kohärentes Buch (zu Herr der Ringe) aus all diesen Bruchstücken zu bauen.
Auch wenn das Silamrillion oft kritisiert wird (Kanon ist eh ein kompliziertes Thema außerhalb von Herr der Ringe), ist die Nachbesprechung der History of Middle-earth Bücher Band 1-5 und besonders Band 10-12) aber ohne das Silmarillion (das wir jetzt haben) selbst nicht wirklich zu verstehen, da es im Kern ja nicht von Christopher Tolkien frei erfunden wurde, sondern aus den Texten und Ideen von J. R. R. Tolkien selbst besteht.
Aus meiner Sicht werden die meisten Leser erst „Der Hobbit“ und „Der Herr Der Ringe“ lesen (oder umgekehrt) und sich dann richtigerweise evtl. am Silmarillion versuchen, womit es in der Wahrnehmung der Leser auch ein sehr wichtiges Buch ist. Wie lang und breit erklärt, enthält das Simarillion immer noch die Texte und Ideen von J. R. R. Tolkien. Welche Änderungen exakt vorgenommen wurden und welche Ideen ignoriert wurden, ist aber ebenfalls bekannt (wer Interesse hat kann es in den 12 History of Middle-earth Büchern + Unfinished Tales nachlesen). Trotzdem sind diese späteren Ideen (die es nicht ins Silmarillion geschlafft haben) nicht fertig und funktionieren oft nicht so gut mit dem bestehenden Werk und der Chronologie (z.B. müssten Menschen ~3500 Jahre früher erwachen). Christopher Tolkiens Entscheidungen sind daher aus meiner Sicht oft sehr gut nachvollziehbar und er war zusätzlich sehr transparent mit seiner Bearbeitung (er hat sehr viele der Notizen und Texte seines Vaters (die er nutzte) ebenfalls veröffentlicht und auch seine eigenen Änderungen und Fehler kritisch gesehen und diskutiert). Am Ende passt Christopher Tolkiens Silmarillion aber sehr gut zum Herr der Ringe und das ist aus meiner Sicht sehr wichtig.
PS:
Wenn wer sauschwere Fragen braucht, lasst es mich wissen
edit: typos