Ich wusste, dass das vorgebracht wird, wollte aber mal ohne Disclaimer eine Debatte eröffnen. Nun denn: Hier geht es in keinster Weise darum, dass ich will, dass jeder meine meine Meinung vertritt oder ich irgendeinen Anspruch hätte, meine Meinung sei die einzig richtige und wahre.
Es geht um das undifferenzierte. „Das gefällt mir nicht, also 1 Stern“. Wenn jemand - um bei dem Beispiel zubleiben - "Manchester by the Sea " 2 oder 3 Sterne gibt, sagt er hätte keinen Zugang gefunden, ihm ist es zu langsam, er mag die Schauspieler, den Regisseur, Drehbuchautor nicht etc… kein Problem.
Der Film ist aber objektiv kein 1 Sterne-Film. 1 Stern bedeutet Schrott. Ob man einen Film am Ende mag ist natürlich subjektiv, aber dass es objektive Qualitäten gibt, kann man auch nicht leugnen.
Ich gebe mal ein Beispiel, wie ich einen Film bewerte, den ich nicht leiden kann: „Baby Driver“ mag ich überhaupt nicht. Ich habe zu keinem Charakter Zugang gefunden, außer zu Lilly James. Den Hauptcharakter fand ich langweilig und farblos. „One last Job“-Geschichten sind altbekannt und mittlerweile einfach nur noch generisch. Der Plot passt auf einen Glückskeks. Der Film verlässt sich zu sehr auf seinen Style, die Coolness wirkt bemüht. Trotzdem würde ich dem Film niemals einen Stern geben. Auf Letterbox hat er bei mir zwar harsche, aber meiner Meinung nach faire 2 1/2 Sterne. Ich sehe dann nämlich auch noch den unfassbaren Tonschnitt, die allgemeine Qualität der Kameraarbeit. Die Handschrift von Edgar Wright ist zu erkennen, dessen Filme ich eigentlich sehr mag. Die Bildqualität (color grading) ist hochwertig. Die Effekte sind gut. Die Action ist schön gefilmt. Die Schauspieler machen ihre Sache solide.
Ich mag den Film nicht, aber ich weiß, dass es deshalb kein Trash oder Müll auf der Stufe von „Daniel der Zauberer“ ist.
„Manchester by the Sea“ ist langsam und hat schwere Themen. Subtiles Schauspiel. Das muss man nicht mögen, aber man muss es - das sage ich als Filmfan - anerkennen, dass er einen cineastischen Wert hat.
Klar. Aber auch ein Laie kann erkennen, dass Casey Affleck und Michelle Williams in diesem Film großartige Leistungen vollbringen. Oft eben mit dem, was nicht gesagt wird. Mit Blicken, mit Ausdruck. Das ist höchste Kunst.
Man muss diese Art zu spielen nicht mögen, aber das Handwerk kann man doch anerkennen?
Viele verwechseln auch einfach eine Antipathie mit Leistung. Wenn sie einen Schauspieler nicht mögen, könnte der besser als Pacino oder DeNiro in den besten Zeiten spielen und bei Amazon gäe es dann trotzdem Rezensionen, in denen sie als „schlechter als eine Laiendarstellertruppe in der Hauptschule“ bezeichnet werden.
Und manche Gründe, warum Filme abgewertet werden akzeptiere ich einfach nicht. Beispielsweise, dass ein Film „zu traurig“ ist. Die Leute haben sich nicht informiert über einen Film und haben dann Samstagabends mit Freunden beim Bier gedacht „och ein bisschen Spaß haben mit ein bisschen Kriegsgeballer“ und schauen dann „Der Pianist“ (um mal ein krasses Beispiel zu nehmen). Oder dachten „mother!“ sei ein Horrorfilm.
Und dafür wird dann der Film bestraft?
Ja. So what. Sehe ich auch so. Ich wüsste nicht, dass ich dem irgendwo widerspreche. Klar kommt das etwas snobbig rüber und aus dem Elfenbeinturm gesprochen, aber ich will eigentlich nur eine faire Behandlung von Filmen.
Ich würde auch nicht in Schubladen denken. Ich gucke mir genauso gerne verkopftes „Artsy&Farrtsy“ an wie „Under the Skin“, „A Ghost Story“ oder eben „mother!“ wie ein „American Pie“ wo jemand in eine Kühlbox scheißt, um einen Streich zu spielen. Kommt halt auf meine Stimmung an.