Blade Runner 2049:
So beginnt es also. Die heiligen Klassiker werden jetzt also auch angefangen, zu “Extended Universe”-Franchisen ausgeschlachtet zu werden. Denn das ist es, was dieser Film ist: Der Anfang einer Reihe Sequels in dem Universum, da gibt es für mich keine Frage.
Und das wäre schön und gut, wenn man Deckard einfach aus dem Spiel gelassen hätte! Aber nein, logisch, Deckard muss vorkommen, woher sollte man sonst wissen, dass es ein “Blade Runner” Film ist, oder? Ist ja nicht so, dass “Blade Runner” viel mehr eine Atmosphäre ist, eine Traum-Artige Stimmung, in einer Stadt… nein, der gleiche Charakter MUSS zurück kommen!
Deswegen war ich schon im Bezug auf den ersten Trailer skeptisch. Deckards Geschichte ist fertig. Die wurde erzählt, abgeschlossen, das wars! Die Story des ersten “Blade Runners” war wunderbar in seiner Einfachheit. Es ging nicht um etwas episches, etwas grosses. Deckard war kein Charakter in einem riesigen Konflikt. Er war eine Art Kopfgeld-Jäger, und im Verlauf des Filmes macht ER eine Wandlung durch. Nicht die Gesellschaft, nicht die Welt… er, als Charakter.
Aber nein, schon der erste Trailer zeigt Deckard, und redet von einem Krieg und einer Revolte die Anfängt und meine Güte, alles ist episch, denn die ganze Gesellschaft wird vermutlich dadurch verändert…!
Ich hasse, hasse, hasse Retcons! Ich hasse es, wenn ein Sequel rauskommt, welches Elemente des ersten Filmes aufnehmen, welche ganz klar nie Teil einer grösseren Story waren, und sie dann plötzlich in einen grösseren, “dramatischeren” Plot einschleusen wollen. Und dass dieser Film das mit einem Film wie “Blade Runner” macht hinterlässt bei mir einen ganz, ganz bitteren Nachgeschmack.
Und doppelt ärgerlich ist es, dass Deckard eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre! Man hätte die genau gleiche Story erzählen können, OHNE Deckard reinzubringen, und einfach seine Rolle einem neuen Charakter geben können, und schon wäre dieses doofe Retconing nicht mehr vorhanden.
Aber nein, es muss Deckard sein, damit die Zuschauer welche den ersten “Blade Runner” gesehen haben sagen können: “Ooooohhhhhhh!!! Ich kenne diesen Charakter! Ich weiss wovon die reden!”
Fanservice ist die Hölle und hat schon so viele gute Filme und/oder Games untergraben.
Und wenn jetzt jemand sagen will, dass ich übertreibe:
Vielleicht! Das Problem hier ist, dass ich den Film ansonsten vermutlich recht gemocht hätte! Der Film ist voller wirklich guter Momente und Szenen! Er ist zum Teil richtig kreativ und es gelingt ihm auch in vielen Momenten den Stil des Originales zu kopieren, ohne wie eine billige Kopie zu wirken. Denis Villeneuve macht eine hervorragende Arbeit, und nach “Arrival” und jetzt diesem Film muss ich sagen, dass er Typ einfach ein hervorragender Regisseur ist! Die Schwächen des Filmes liegen nämlich praktisch alle am Skript, und nicht an der Regie.
Die Umsetzung des Filmes ist einfach spektakulär, und in dem Bereich gibt es nichts auszusetzen!
Aber da ist halt eben noch das Skript.
Und das ist leider wirklich voller Probleme. So viele Dinge sind so vorhersehbar und generisch, was in einen Film wie “Blade Runner” einfach nicht reinpasst!
Und andere Dinge sind völlig unsinnig oder unnötig. Jared Leto gibt eine “Jocker”-Teil-2 Performance. Völlig übertrieben, kein bisschen subtil, zu viele Szenen um ihn als eine “Cameo” zu bezeichnen, und zu wenige um wirklich eine Rolle zu spielen.
Und auch hier ist es wieder schade, denn das Dehbuch hat eine ganze Menge wirklich guter Ideen! Es ist weiss Gott nicht alles schlecht daran, aber halt dann doch nicht gut genug um sich mit dem ersten Film messen zu können.
Und ja, ich messe ihm am ersten Film. Ich hätte es nicht gemacht, wenn der Film nicht permanent den ersten Film mit reingezogen hätte, aber da er dies nunmal gemacht hat ist es nur fair, dass man ihn mit dem Original vergleicht.
Die erste Hälfte des Filmes ist wirklich gut. Da weiss man noch nicht genau wohin er sich entwickeln wird, das Pacing ist langsam, der Film hat nicht zu viele Klischees oder zu vorhersehbare Elemente. Es ist erst die zweite Hälfte, wo meine Geduld zum Teil recht auf die Probe gestellt wurde.
Der Film ist hervorragend beim Publikum angekommen. Und ich verstehe wieso. Wer den ersten Film entweder nur einmal gesehen hat, keine anderen Bindungen dazu hat, oder wem Retcons egal sind (oder wer sie sogar mag, weil man eben das Gefühl bekommt damit zu einer “IN”-Gruppe zu gehören), dem werden die meisten meiner Kritikpunkte hier zu recht egal sein. Denn dann erhält man einen ordentlichen (wenn auch etwas vorhersehbaren) Plot mit einer wirklich grandiosen Audio-Visuellen Umsetzung und einiger wirklich guter Schauspielerischer Leistungen. Wer aber wie ich praktisch allergisch auf offensichtlichen Fanservice oder Retcons ist, der wird wohl ähnlich wie ich seine Mühe mit diesem Film haben und wohl auch zum Teil etwas frustriert sein. Denn ich will diesen Film mögen! Ich will in dieses Audiovisuelle Meisterwerk eintauchen können, aber das Skript erlaubt es mir schlicht und ergreifend nicht.
Fazit: Toller Umsetzung! Schauspieler und technische Aspekte sind praktisch fehlerlos. Aber der offensichtliche Franchise- und Fanservice-Haken, sowie offensichtliche Schwächen im Skript säuern das ganze Erlebniss für mich doch recht.