Last Guardian
Kaum zu glauben, dass es mich nach all dem Warten nicht enttäuscht, sondern wirklich gefesselt und am Ende auch etwas zu Tränen gerührt hat.
Ich war so darauf eingestellt, dass einer der beiden, sei es der Junge oder Trico, am Ende sterben wird, dass ich unendlich froh war, dass es tatsächlich nicht so gekommen ist.
Anfangs hatte ich etwas Angst, dass es wird wie ICO, was ich ganz gut fand, aber mich hat es nicht so begeistert wie andere. Und der Ansatz und der Stil gehen schon in diese Richtung, aber Last Guardian ist ein sehr anderes, sehr gutes Abenteuer.
Fast schon ungewöhnlich für Team ICO zB, dass ein Erzähler überhaupt immer wieder mal 1-2 Sätze sagt, bislang wenige Worte überhaupt in ihren Spielen gefallen sind. Wirkte aber sehr homogen und hat mir sehr gefallen. Auch eine gute Idee, Hinweise für den Spieler einzustreuen und so habe sogar ich mal verstanden, worum es so ungefähr geht, womit ich mich sonst sehr schwer tue bei Spielen, die von sich aus nur das nötigste preisgeben und interpretiert/verstanden werden wollen.
Wie bei ICO setzt man auf das Prinzip zweier Partner, die sich gegenseitig unterstützen und weitet es diesmal gehörig aus. Fast der ganze Körper von Trico eignet sich zum Klettern und eignet sich so als Hilfe. Auch lassen sich oft nur auf ihm große Schluchten überwinden. Er ist wichtig für zahlreiche Rätsel, die meistens relativ klar sind, aber hier und da auch schon mal etwas Überlegung erfordern. Und bei Kämpfen ist er ebenso unabdingbar, da der Junge alleine sich nicht wirksam verteidigen und vor Gefahren höchstens fliehen kann.
Trico ist das zentrale Element fast aller Mechaniken und wirkt dabei so natürlich, als würde man gerade versuchen einen Hund zu erziehen. Er hört auf konkrete Befehle, die man ihm geben kann, aber hat auch seinen eigenen Kopf und agiert schon mal selbst oder schaut in die Richtung, in der etwas von Interesse ist. 1-2 mal wollte ich die KI verfluchen, musste aber feststellen, dass ich entweder nicht auf die Lösung gekommen bin oder einfach den falschen Befehl erteilt habe. Letztendlich schafft Team ICO es tatsächlich, Trico so wirken zu lassen, dass er als KI-Partner unglaublich lebendig und eigenständig wirkt, ohne, dass dies zu einer Ausrede verkommt, wenn er mal nicht macht, was er sollte.
Noch viel stärker als in ICO hat es für mich hier funktioniert, eine Abhängigkeit der Figuren aufzubauen und ein Gefühl dafür, dass sich eine Freundschaft entwickelt. Gerade das Ende, als ein paar Dinge erst klar werden, hat mich wahnsinnig mitgerissen, weil ich gemerkt habe, wie sehr ich Trico ins Herz geschlossen habe. Es hat gedauert, aber gewirkt, weil das Spiel ein angenehm ruhiges Tempo wählt und nur gelegentlich damit bricht. Langeweile kam dennoch keine auf, da Ruhe und Minimalismus der Art des Spiels sehr gut stehen, zumal es mich immer wieder, obwohl es meist sicher ist, schon gekickt hat, in großen Höhen auf Trico über Abgründe zu springen.
Meine einzigen wirklichen Kritikpunkte wären die Kamera, die bei manchen automatischen Ausrichtungen etwas garstig agiert, als auch die Steuerung des Jungen. Es gibt keine dynamischen Übergänge beim Laufen, sondern nur zwei Geschwindigkeiten: Schleichen und ‘‘ICH HAB EINE BIENE IN DER HOSE’’. Kann man sich aber daran gewöhnen, zumal er immer wieder abstoppt, wenn man mit Tempo auf Kanten zuläuft, womit man Frust zum Glück eindämmt.
Optisch hätte ich mehr Abstriche erwartet nach all den Jahren in Entwicklung, aber der Stil hat für mich ganz viel rausgeholt, ob hell erleuchtete Grünflächen oder wahnsinnig schicken Gemäuer, die erklommen werden wollen. Die Stimmung passt super, wird nur gelegentlich von Bildratenproblemen gestört, die sich aber nicht merklich auf das Erlebnis auswirken.
Und was mir persönlich sehr gut gefallen hat: Man hat auf jegliche Art von Sammelkram verzichtet. Nichts, aber wirklich gar nichts stört den Spielfluss, weil da noch die 221. Feder oder das 52. Artefakt rumblinkt. Auch auf Markierungen, die das Ziel anzeigen, verzichtet man komplett. Mir hilft so etwas immens, mich in einer Welt zu vertiefen, wenn auf solche Dinge, die immer ein Stück weit ‘‘Es ist nur ein Videospiel’’ ausstrahlen, verzichtet wird. Schade nur, dass die Steuerungshinweise nicht abschaltbar sind und sogar gegen Ende hier und da noch auftauchen, sonst wäre es dahingehend perfekt gewesen.
Was bleibt zu sagen… ich hatte irgendwann einfach nur noch auf ein gutes Spiel gehofft, sollte Last Guardian tatsächlich mal erscheinen, weil so lange Entwicklungszeit eher selten Top-Spiele hervorgebracht hat. Am Ende kann ich aber von einem großartigen Abenteuer sprechen, das mich sehr eingenommen und mir mit Trico einen Begleiter vorgesetzt hat, wie ich ihn noch nicht erlebt habe. Von Animationen bis hin zu seinem generellen Verhalten wirkt er unglaublich natürlich. Seine Beziehung zu dem Jungen entwickelt sich langsam und mit Ruhe und dadurch sehr glaubhaft und spürbar. Es ist, worauf ich sehr stehe: Eine Art spielbares Märchen. Abgerundet von einem tollen Finale.
Das Spiel macht meine Wahl zum Spiel des Jahres 2016 eindeutig nicht leichter.
Ganz einfach kann ich es zusammenfassen mit: Selten hat sich für mich das Warten auf ein Spiel so gelohnt.