The Witcher
Nach Ewigkeiten habe ich mir mal wieder den ersten Teil der Serie gegeben. Nachdem ich im Januar endlich den dritten Teil gespielt hatte, habe ich angefangen, die Bücher zu lesen, dann ist mir eingefallen, dass ich die ersten beiden Spiele wieder komplett vergessen habe. Also habe ich mir vorgenommen, die ersten beiden Teile auch nochmal zu spielen, um nochmal ein Gesamtbild zu bekommen. (Enthält Spoiler!)
Was mich sehr positiv überrascht hat, war, dass Einzelschicksale teilweise überraschend tiefgehend unter die Lupe genommen werden. Die Geschichte um den Werwolf und seine Geliebte (auch wenn die Auflösung recht plump ist), das Mysterium des verschollenen Hexers Berengar, der Hintergrund des Rebellen Yaevinn. Es wurde durchaus versucht, einigen Charakteren eine Persönlichkeit zu geben. was für Spiele aus dieser Zeit (zumindest meines Wissens nach) keine Selbstverständlichkeit war. Leider läuft das Spiel genauso über vor sehr schlechten Sprüchen, die zwar ernst wirken sollen, aber aus einem Hill/Spencer-Film stammen könnten (teilweise auch von Geralt), dummen Klischee-Charakteren, und „forcierten“ Charakterentwicklungen.
Klischee-Charaktere sind zum Beispiel gefühlt alle Salamandra-Mitglieder, die sprechen können. Es sind alles Idioten, Feiglinge, Sprücheklopfer…die Wegwerfware der Bösewichte. Auf Dauer ist es einfach anstrengend, vorallem, weil sie nie eine Bedrohung sind. Egal, wie viele auf einmal angreifen, nach fünf Sekunden liegen sie am Boden. Das ist schon ein wenig lächerlich. Genauso, wie die unwahrscheinlichsten Fluchten der beiden Bösewichte „Der Professer“ und Azar Jahved. Immer finden sie in der letzten Sekunde einen Weg aus der Situation hinaus, immer schaffen sie es, den Hexer noch kurz abzulenken, um doch noch weg zu kommen. Warum Geralt, der absolut keine Skrupel hat, seine Gegner aus dem Weg zu räumen, immer wieder auf ihre Tricks hereinfällt, ist ein Rätsel.
Trotzdem macht das Spiel auch viele Sachen richtig. Den üblichen „Fetch-Quests“ hat man zumindest den Anschein von Sinn gegeben, indem man hier und da einen Hintergrund gegeben hat (ein Wirt, der Fleisch/Eier eines gefährlichen Tieres haben möchte, weil es besonders schmackhaft sein soll, ein Totengräber, der Hundetalg für seine Särge will). Es verbindet die typische Arbeit eines Hexers mit einem klassischen Rollenspielprinzip, von daher finde ich das eigentlich sehr gut gelöst.
Leider sind sehr viele Storyelemente extrem holprig. Extrem viele Informationen werden wie selbstverständlich in Gesprächen genannt, die Einträge im Tagebuch lassen diese klaren Verhältnisse überhaupt nicht vermuten. Geralt, trotz seines Gedächtnisverlusts, scheint innerhalb weniger Wochen mehr Wissen über die Welt anzusammeln, als 99% der Charaktere (auch gebildete) über ihr gesamtes Leben angesammelt haben. Er sollte sich konstant unsicher sein, den Konflikt der Eichhörnchen mit den Menschen überhaupt nicht umfassend einschätzen können, einfach, weil ihm jegliche Erfahrung abhanden gekommen ist, trotzdem zwingt einen das Spiel, Entscheidungen zu treffen, deren Tragweite unvorhersehbar sind. Diese Entscheidungen werden von Geralt in einer Wortgewandtheit verteidigt, die weit über das Hinausgehen, was man von einer Person mit Gedächtnisverlust erwarten kann.
Was mich dann wiederum sehr überrascht hat, war, wie unterschiedlich ich Entscheidungen getroffen habe. Dadurch, dass ich die Bücher gelesen habe, habe ich plötzlich eine ganz andere Einstellung zu den Charakteren, und wähle Optionen, die ich früher überhaupt nicht interessant fand. Zum Beispiel: Ich persönlich finde den Charakter Shani viel interessanter als den Charakter Triss Merrigold. Shani ist eine Person, die tatsächlich versucht, Menschen zu helfen, die ihr hart erarbeitetes Wissen ohne Bedenken zum Wohle aller einsetzt, egal, was deren politischen oder sozialen Stellungen sind, eine Person, die versucht, die Welt objektiv besser zu machen. Triss hingegen wirkt wie eine Person, die ihr Wissen ausschließlich dafür nutzt, um ihre eigenen Interessen voran zu bringen, die die Welt auf eine Weise beeinflussen möchte, die ihr gefällt. Dementsprechend habe ich mich früher an einer bestimmten Stelle immer für Shani entschieden. Jetzt habe ich aber das Hintergrundwissen, dass das Kind, um das sich gekümmert werden muss, unbedingt Kontrolle über die Magie erlernen muss, die in ihm steckt, damit es ein halbwegs normales Leben führen kann. Also habe ich das Kind Triss anvertraut, obwohl das Spiel daraus anscheinend interpretiert hat, dass ich Triss auch als romantischen Partner für Geralt sehe…was einfach keinen Sinn ergibt. Nur weil ich ein Kind, welches ich zufällig getroffen habe, einer Lehrerin anvertraue, heißt das nicht, dass ich in dieser Lehrerin einen Seelenverwandten sehe. Vielmehr ist das Kind mit einer Lehrerin besser aufgehoben, als mit einer Notfallärztin, die gefühlt jeden Tag zwölf Stunden arbeitet. Aber diesen Gedankengang konnte wohl keiner im Spiel teilen.
Dass versucht wird, eine Beziehung zwischen Alvin, dem Kind, und Geralt aufzubauen, habe ich auch nicht verstanden. Alvin war für mich ein weiteres Waisenkind (auch, wenn er offensichtlich magische Fähigkeiten besaß), wie es sie in der trostlosen Welt des Hexers so viele geben muss, nicht mehr und nicht weniger. Plötzlich wurde darüber gesprochen, wie wichtig Alwin dem Hexer ist, obwohl das Kind in dem Sinne überhaupt keinen Charakter hat („Ich will einen Hund!“, „Ich will Süßigkeiten essen!“). Im vierten Kapitel, in dem man von Alvin vollkommen grund- und kommentarlos in gefährlichen Gebieten verfolgt wird, war er einfach nur nervig. Nicht, dass ich herzlos wirken will: einem Waisenkind, mit dem man relativ regelmäßig Kontakt hatte, sollte man Zuneigung schenken, aber das Ausmaß der Beziehung, so, wie sie von den Charakteren erwartet wird, ergibt sich mir einfach nicht.
Am Ende der Story soll anscheinend suggeriert werden, dass der Hauptbösewicht in Wirklichkeit Alvin war, der am Ende des vierten Kapitels „durch Raum und Zeit“ katapultiert wurde. Er benutzt Antworten, die man dem Kind gegeben hat, um seine wahnsinnigen Pläne zu rechtfertigen. Für mich wirkt dieser Teil, wie so viele Entwicklungen der Gespräche und der Geschichte im Ganzen, einfach nicht ordentlich durchdacht. Es sollte wohl ein großer „Twist“ á la M Night Shyamalan werden, fühlt sich aber für mich komplett unlogisch, unnötig und erzwungen an.
Wo wir bei unlogisch sind: Das Spiel kann gar nicht für Leute gemacht worden sein, die die Bücher gelesen haben. Das wirkt erstmal seltsam, denn die Anspielungen auf die Bücher sind zahlreich, Charaktere aus den Büchern werden wiederholt eingeflochten…mein Problem ist, dass die Art und Weise, wie sich Charaktere wie Rittersporn, Zoltan oder Triss verhalten einfach unerklärlich ist, wenn man die Bücher gelesen hat. Ich weiß nicht, ob die Macher des Spiels Yennefer und Ciri einfach nicht mochten, dass diese aber von keinem einzigen Charakter des Spiels namentlich erwähnt werden, obwohl diese beiden Charaktere in den Büchern (speziell Ciri) einen nahezu ebenbürtigen Wert wie Geralt haben, ist schier unbegreiflich. (Ich weiß nicht, wie die Bücher zu Ende gehen, vielleicht gehen die Charaktere auch davon aus, dass Ciri und Yennerfer tot sind, aber sie komplett zu verschweigen ist einfach nur seltsam. Bei einem gemeinsamen Trinkabend der drei Männer wird so getan, als hätte es Yennefer nie gegeben, dass Geralt sich in Bezug auf seine Beziehung eigentlich nur überlegen muss, was er in dem Moment will. Für mich war dieser Punkt nicht nachvollziehbar.)
Was leider auch nicht besonders gut klappt, ist die Verbindung von Humor und ernster Erzählung. Auch die Bücher haben immer wieder eine gute Prise Humor, im Spiel wirkt es einfach so häufig unglaublich unpassend. Als Beispiel sei Kapitel 4 des Spiels genannt: Ein kleines Dorf bereitet sich auf eine große Hochzeit vor. Ein wohlhabender junger Mann ist mit der jüngeren, hübschen Tochter des Dorfchefs verlobt. Doch die ältere Schwester ist eifersüchtig. Nach einigen Gesprächen wird klar, dass ein weiterer Mann, ein einfacher Dörfler, bis über beide Ohren in die bereits Verlobte verliebt ist. Eines Tages geht die jüngere Schwester spazieren, um Beeren für ihren Verlobten zu sammeln. Es kommt zum Streit zwischen den beiden Schwestern, die ältere tötet die jüngere versehentlich. Der einfache Dörfler sieht die Tat. Außer sich vor Wut tötet er die ältere der Schwestern. Aber noch nicht genug: Die jüngere Schwester erwacht als gefährlicher Geist und begreift nicht, dass sie gestorben ist, die ältere Schwester erwacht in ähnlicher Form, und wird (zumindest scheint es zunächst so), niemals Ruhe finden. Alles in allem müsste das gesammte Dorf in absolute Trauer verfallen, geschockt sein, wahnsinnig werden (immerhin kennt in diesem Dorf jeder jeden), diese Wendung der Ereignisse ist vermutlich die größte Tragödie, die die Leute dort jemals erfahren werden. Den Barden Rittersporn scheint das aber nicht aus der Ruhe zu bringen, macht hier und da ein paar lockere Sprüche, und ist soweit fertig mit dem Thema. An diesen Teil des Spiels konnte ich mich noch erinnern, denn schon damals war ich extrem verstörrt, dass alle, die nicht direkt involviert waren, mit einer absoluten Gleichgültigkeit weiterhin ihrem Tagewerk nachgehen. Dass an dieser Stelle auch noch Witze gemacht wurden, war für mich einfach krank.
Das Kampfsystem ist sehr simpel, das ist aber nicht weiter tragisch. Soweit ich weiß wurde die komplette Engine von anderen Spielen übernommen und angepasst, dafür ist es eigentlich halbwegs erträglich geworden.
Im Großen und Ganzen wurde ich sehr positiv überrascht, das Spiel hat bereits viele gute Ansätze, die meiner Meinung nach im dritten Teil wirklich gut umgesetzt wurden. Ich hatte wenig Langeweile beim Spielen (wenn man das Alter des Spiels bedenkt wirklich keine schlechte Leistung), teilweise hat sich die Suche nach bestimmten Gegnern für bestimmte Aufträge als sehr nervig erwiesen. Ganz besonders negativ muss man leider die Tagesrythmen hervorheben. Das bestimmte Monster nur nachts erscheinen ist vollkommen logisch. Dass man aber teiliweise Quests nur beginnen/abschließen kann, wenn man um 4 Uhr morgens im Spiel an einer bestimmten Stelle sucht ist wirklich einfach lächerlich, speziell, wenn man überhaupt keinen Hinweis darauf erhält. Zum Glück gibt es das Internet, ansonsten wäre ich mir sicher gewesen, dass diese Quest aufgrund eines Bugs unlösbar ist. Dass bestimmte gescriptete Events einen in der Story „weiterpushen“, obwohl man das überhaupt nicht will, ist auch alles andere als „spielerfreundlich“.
Auch, wenn ich jetzt sehr viel über die negativen Aspekte des Spiels geredet habe, möchte ich nochmal sagen, dass ich es durchaus in Ordnung finde. Da Zeit und Budget wahrscheinlich stark begrenzt waren, ist ein erstaunlich gutes Spiel dabei herausgekommen.
So, das war ein Mammut an Text. Gleich fange ich mit dem zweiten Teil an. Ich weiß noch, dass ich damals überhaupt nicht mit dem Kampfsystem zurecht gekommen bin. Mal sehen, ob sich das geändert hat