Jeder ist irgendwann irgendwo dem Phänomen begegnet: Stimmungsmache. Ich versuche mich an einem “How to”-Guide:
0. Standpunkt anbringen
Erst einmal muss ich eine These vertreten. Es kommt es nicht darauf an, ob mein Standpunkt richtig oder falsch ist. Vor allem kommt es nicht auf Wahrheit an. In erster Linie geht es darum Wahrheit zu simulieren. Scheinargumente, selektive Quellenangaben und ein raffinierter Rede- bzw. Schreibstil können aus gewalltem Batzen Unsinn eine ansehnliche Grundlage formen.
1. Penetranz
Der wichtigste Punkt. Denn es ist notwendig, eigene Standpunkte oder “Fakten” bei jeder Gelegenheit immer wieder zu wiederholen. Menschen sind eher gewillt etwas zu glauben, allein dadurch, dass sie es öfter hören oder lesen. Selbst eine erst abgeneigte Person kann zumindest zum Zweifel gedrängt werden. Und sogar diejenigen, die nicht meine Punkte anerkennen, treibe ich somit zumindest zur Weißglut.
2. Ignorieren von Gegenargumenten
Es ist nicht nur wichtig, Gegenargumente nicht zu akzeptieren. Viel wichtiger ist es, gar nicht darauf zu reagieren. Denn wenn ich auf ein Gegenargument eingehe halte ich eine Diskussion aufrecht und dritte Personen haben Gelegenheit andere Sichtweisen zu erkennen und beschwichtigt zu werden. Als Stimmungsmacher möchte ich aber keine Aufklärung - ich will nur meinen Standpunkt streuen. Eine Diskussion ist nur dann sinnvoll, wenn sie sich im Kreis dreht und die Leute aufheizt.
3. Förderung Gleichgesinnter
Sobald mein Standpunkt sich streut und sich arme Irre finden, die auf meine getarnte Polemik reinfallen, fängt die Sache an sich zu verselbstständigen. Sie wiederholen meine Aussagen und verteilen meine “Quellen” und “Fakten”. Kreative Teilnehmer erweitern sogar meine Punkte und fantasieren neue Elemente hinzu. Plumpere Gefolgsmänner schlagen verbal in alle Richtungen und beleidigen meine Gegner. All diese Leute gilt es zu fördern. Mit Lobpreisung und Unterstützung.
4. Das “Wir”-Gefühl
Nachdem eine ansehnliche Meute sich hinter meinem Rücken platziert hat, geht es darum die etablierte Meinung zu attackieren. Es ist wichtig zu suggerieren, dass mein Standpunkt der einzig vernünftige ist und die Gemeinschaft hinter mir steht. Dazu braucht es nicht wirklich den Großteil einer Gruppe, sondern nur einen besonders lauten Teil davon. Das Wort “wir” ist dabei wichtig: “Wir sind dagegen”. Das strahlt Größe und Einheit aus. Aus deinem Standpunkt wird eine ganze Bewegung.
5. Denunzierung der "Etablierten"
Ein großes Problem steht mir als Stimmungsmacher gegenüber: die “Etablierten”. Eine Gruppe von Menschen, die im Normalfall mir in Kompetenz und Autorität überlegen sind, und leider ganz oben im Chefsessel sitzen.
Mein Ziel hier ist es, das Kompetenzgefälle umzudrehen. Sich selber dabei als kompetenter darzustellen ist eine Möglichkeit, aber sie ist schwer auszuführen, da eventuell Fachfragen auf mich zukommen, die ich nicht beantworten kann. Effektiver ist es, die “Etablierten” als unfähig darzustellen. Das bedeutet in erster Linie eines: Auf Fehlersuche gehen. Irgendwo hat jeder irgendwann mal etwas gesagt, was nicht absolut korrekt war. Diese Aussagen meiner Gegner muss ich finden. Wenn tatsächlich nichts zu finden ist, reicht, je nach Intellekt meiner Gefolgschaft, auch einfach eine lose Behauptung als Anschuldigung.
In jedem Fall muss ich es groß Ausschlachten und überzogene emotionale Reaktionen hervorrufen, wie zum Beispiel: “Sie haben uns bewusst belogen”, “Sie können nicht mal einfachste Dinge” oder “Was hat so jemand da zu suchen?”.
6. Chaos
Nun, wo ich die Welt in Brand gesteckt und zumindest zwei sich bekriegende Parteien positioniert habe, muss ich entscheiden, was ich aus dem Chaos ziehe. Entweder ich versuche mich selbst an die Spitze zu setzen oder ich schaue einfach zu wie es brennt.