Allgemeiner Thread zu Diskriminierung (Rassismus, Sexismus etc.)

Also ist es nichts wirklich Neues?
Ist nur, wie ich beschrieben habe, die Tatsache, dass sich die Stimmen hörbarer machen können?

Dann ist „Cancel Culture“ also ein bisschen eine „wie viele Wassertropfen braucht es, das etwas nass ist?“?
Wir reden einfach von einem Strich den man zieht bezüglich: Wenn die Kritik so und so sichtbar ist, und der Druck so und so viel extremer ist, dann ist es „Cancel Culture“, und vorher war es das nicht?
Ist also rein eine Frage der Quantität?

Naja wenn ich mich dran erinnere, wie zum Beispiel der „Hays Code“ für Hollywood zustande kam, würde ich nicht sagen, dass es da heutzutage mehr Druck gibt.

Ja, früher hat man wegen Leserbriefen Person A nicht mehr eingeladen und weil es kein Twitter gab, konnte Person A sich auch schlecht beschweren. Heutzutage bekommt man viel einfacher mit, wer bei Festival X 20 Orte weiter ausgeladen wurde.

Ja natürlich. Weil die Quantität den Druck bestimmt, der auf den Verantwortlichen lastet. Irgendein Blogger oder so regt sich immer über etwas auf. Da können Firmen, Sender etc. drüber stehen. Aber wenn es zu Shitstorms kommt eben nicht mehr.

Ob Du das dann „Cancel Culture“ nennst oder „Zensur“ oder was weiß ich, ist doch vollkommen egal. Das Ergebnis ist, dass etwas aus der Öffentlichkeit getilgt werden soll.

War das nicht eher der Druck der religiösen Elite?

Das hört sich aber dann eigentlich nach etwas Positivem an für mich. Es ist einfacher für jedes Individuum seine Stimme hörbar zu machen und die Firmen, Plattformen oder was auch immer haben besser Möglichkeiten, sich auf das Feedback einzlassen, wenn diese das dann wollen.

Also, „Zensur“ ist es auf jeden Fall schonmal nicht.
Es wird keiner Person gesagt, dass sie ihre Meinung oder ihr Programm oder so nicht haben und/oder sagen darf… es wird nur gesagt: „Wir stellen dir DIESE Plattform nicht dafür zur Verfügung“.

Also, im WEITESTEN Sinne kann man das schon „Zensur“ nennen… aber das verbilligt dann doch sehr diesen Begriff, denn meistens redet man von Zensur, wenn es tatsächlich ein VERBOT gegen etwas gibt.

Ich glaube, die Leute die heute schnell „Zensur“ schreien sollten vielleicht mal in ein Land gehen, wo es tatsächliche Zensur gibt… dann merkt man vielleicht etwas, dass es da noch einen massiven Unterschied gibt.

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Vor allem Minderheiten haben ja jetzt erst die Möglichkeit Druck auszuüben. Früher war es „egal“, wenn Minderheiten als Kunden vergrault wurden. Die sind ja in der Minderheit. Jetzt werden diese gehört.

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Du hast natürlich Recht. Die Textbuch-Definition beinhaltet übrigens auch, dass die Zensur vom Staat ausgeht und durch Gesetze geregelt ist. Wovon wir hier reden ist natürlich weit davon entfernt.

ALLERDINGS - und das habe ich hier schon öfter zu bedenken gegeben - in einer digitalen Welt, ist das Ergebnis einer staatlichen Zensur und einer „Zensur“ auf Druck der Öffentlichkeit bzw. durch PR-Maßnahmen vergleichbar. Wenn z.B. Netflix sagt wir nehmen Film XY aus dem Programm, weil sich da Leute drüber beschweren, kann ich mir den momentan natürlich noch auf einen Datenträger kaufen. Aber was, wenn in Zukunft ALLES digital ist? Und darauf steuern wir zu. Dann bestimmt flapsig gesagt die Meute, was läuft und hat Gewalt darüber, was ich mir ansehen kann und was gezeigt werden darf.

Außerdem findet heute ein großer Teil der öffentlichen Debatten auf sozialen Medien statt. Jemanden auf Twitter oder Facebook zu bannen macht ihn de facto mundtot.

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Nein, das sehe ich immer noch anders.
Auch in deinem Beispiel mit einem digitalen Film auf Netflix wäre das nicht „Zensur“ in dem Sinn.
Wenn Netflix einen Film aus dem Programm nimmt, dann hätten die Macher des Filmes immer noch das Recht und die Möglichkeit diesen Film auf einer anderen Plattform zu zeigen. Und wenn wir von einem Film reden, der von Netflix gemacht wurde und den sie nicht weiterverkaufen wollten (was sie immer noch könnten, legal gesehen), dann reden wir hier wieder von einem „Künstler“, der sich selber „zensiert“ um sich den Nachfragen des Marktes anzupassen. Was nicht anders ist als wir es heute schon haben.

Aber das hatte sie in der Freien Marktwirtschaft schon immer. Jetzt ist einfach „Meute“ anders definiert, oder? Vorher war die „Meute“ definiert durch die Leute, welche eine Plattform hatten um sich Gehör zu verschaffen, heute haben halt alle eine eigene Plattform, und darum geht es heute mehr darum, welche Anliegen mehr Stimmen zusammen kriegt und mehr „Lärm“ machen kann.

Das mag durchaus sein…
Aber all die Kritik die ich im Moment an die „Cancel Culture“ sehe ist mehr eine Kritik an den Freien Markt. Und man kann darüber diskutieren, ob ein Freier Markt etwas gutes oder etwas schlechtes ist… aber wenn man einen Freien Markt haben will, dann kann man sich dann schlecht darüber beschweren, dass Plattformen welche dem Freien Markt unterliegen halt Entscheidungen trifft, welche für gewisse Leute ungemütlich sind.
Und wenn der Politische Diskurs auf privaten Plattformen stattfindet, welche wirtschaftliche Entscheide für sich treffen und dort dann halt Leute streichen oder gewisse Dinge zensieren… nun, dann müssen wir uns vielleicht fragen, ob es nicht ein Fehler ist, dass wir den Öffentlichen Diskurs der Freien Marktwirtschaft unliegend machen.

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Zensur ist hier das falsche Wort und verwässert nur eine notwendige Debatte darüber, inwiefern es noch moralisch vertretbar ist einzelne Personen von Plattformen auszuschließen, die ein Quasi-Monopol haben.

Also konkret, darf ein Privatunternehmen wie Twitter einfach sagen: Du darfst hier nicht mehr schreiben.

Im ersten Impuls würde man dem wahrscheinlich zustimmen, weil es ja ein Privatunternehmen ist und quasi „Hausrecht“ hat. Es gibt aber bereits in anderen Bereichen Regulierungen, die so etwas ausschließen.

Fluggesellschaften haben z.B. eine Beförderungspflicht. Sie müssen dich transportieren oder müssten nachweisen, dass von dir eine Gefahr ausgeht. Auch die Post kann nicht einfach sagen, dass sie Briefe von Person XY nicht mehr transportiert.

Wenn man das als richtig ansieht, sollte man dann nicht ähnliches für Plattformen wie Twitter oder YouTube fordern, einfach weil die Alternativen praktisch nicht vorhanden sind?

Problematisch wird es halt, wenn bestimmte Kreise solche Zirkel bewusst unterlaufen, um ihre „Fake News“ zu verbreiten und/oder rassistisch/homophoben/transphoben (bzw. allgemein bekackten) Mist ungestraft abzulassen.

Versteh mich nicht falsch, ich sage nicht zwangsläufig, dass es ok ist, oder wie ok es ist, wenn Seiten wie Twitter oder Facebook oder so Leute einfach rauskicken können.
Ich sage eher, dass das die Situation ist wie ich sie verstehe: Die Frage der „Freiheit des Marktes“ in der Wirtschaft ist halt so eine Sache… und wenn man will, dass wir eine völlig freie Marktwirtschaft hat, und das Plattformen und Firmen wie Facebook und Google und Twitter mit einbezieht… nun, dann muss man halt akzeptieren, dass der „Diskurs“ der da stattfindet PR-geregelt ist :woman_shrugging:
Sonst muss man anfangen diese Firmen zu regulieren bezüglich was sie mit IHRER Plattform machen dürfen.

Der Grund wieso dass ich die Diskussion in diese Richtung bringe ist einfach, weil viele Leute welche sich oft gegen Cancel-Kultur aussprechen auch Leute sind, die oft argumentieren, dass der Freie Markt und der Kapitalismus ziemlich solide Konstrukte sind, weil sie halt selbstregulierend sind.

Und in meinen Augen kann man nicht beides haben. Man kann nicht darauf bestehen, dass Firmen nur durch den Freien Markt reguliert werden, weil der ja in seiner Natur selbstregulierend ist, und dann sagen, dass Plattformen wie Twitter oder Youtube oder so eine externe Regulierung brauchen, weil der Freie Markt halt zur Unterdrückung von Stimmen sorgt. Etwas muss hier nachgeben.

Genau das ist ja mein Punkt und deswegen habe ich ja auch Beispiele gegeben, warum das bei weitem kein Novum ist. Wir schreiben sehr vielen Branchen vor unter welchen Bedingungen sie überhaupt Kunden ausschließen dürfen. Auch in einem Supermarkt darfst du nicht einfach so Hausverbot bekommen. Das muss schon sauber gerichtsfest begründet sein.

Bei Twitter ist das anders, siehe aktuell z. B. mit dem Account von Tino Hahn. Er postet eine Zeile aus einem Rapsong und wird wegen Gewaltverherrlichung gesperrt. Dauerhaft und ohne jede Möglichkeit diese Entscheidung irgendwie anzufechten. Da gibt es keine öffentliche Instanz die so eine Entscheidung revidieren oder bestätigen könnte.

Warum nicht? Wovor hast du Angst?
Was muss er denn tun, abseits von destruktiven Müll reden, dass die Forderung, ihm keine Sendezeit mehr zu geben, gerechtfertigt sei?
Also meiner Meinung nach kann der weg und ich kann auch argumentieren, warum ich das so sehe. Bin ich jetzt ein krasser Cancler oder direkt wieder mit einem Bein in irgendwelchen 1984 Dystopien?
Man findet sicherlich einen anderen konservativen Kabarettisten, der weniger scheiße ist.
Zumal ich den ÖRR auch eher konservativ als linksgrün sehe, aber nun ja, da sieht man eben auch wie verschoben die Wahrnehmungen mittlerweile sind :man_shrugging:

Ich finde übrigens auch nicht, dass man jeden destruktiven Hannepampel in Talkrunden einladen muss, nur um irgendein vermeintlich politisches Spektrum abzubilden. Die Runden kann man für mich auch ruhig besser kuratieren und Personen einladen, die an einem Diskurs interessiert sind, so mit Argumenten und Gegenargumenten und so. Dann muss man sich auch nicht mehr so gequält die hirnerweichenden populistischen Parolen solcher Lebenszyniker reinziehen, wenn sie bis dahin nicht eh schon eigenständig aus der Sendung gelaufen sind, bei zu vielem Nachgehake. Einfach ausladen und nicht mehr einladen. So fördert man viel effektiver einen besseren öffentlichen Diskurs, als zu behaupten, man gefährde den Diskurs, wenn man sie ausläd. Aber nun ja.

Und das laute Social Media Argument finde ich auch viel zu einseitig und unehrlich. Man kann es nämlich auch einfach umdrehen.
Früher hätte auch niemand seine populistischen Stammtischparolen in der örtlichen Tageszeitung mit Klarnamen abdrucken lassen. Die wären am Stammtisch geblieben, damit man keinen öffentlichen Ärger mit dem Chef oder den Nachbarn provoziert. Heute haut man seine uniformierte politische Meinung auf Twitter oder Facebook raus und wundert sich dann, wenn dafür Konsequenzen folgen, sobald der Chef davon erfährt.
Da wären wir wieder bei dem Thema Medienkompetenzen, aber nicht bei irgendeiner herbeifantasierten Cancel Culture.

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Das ist aber nicht richtig, wenn du es so formulierst. Du hast das Recht und die Möglichkeit dagegen vorzugehen. Was Timo Hahn nun gemacht hat, ob er vorher schon verwarnt wurde und wie er dagegen vorgegangen ist, kann ich nun nicht sagen.

Einer der schlimmsten Hetz-Accounts kam bisher nach jeder vorübergehenden Sperre wieder, weil er dagegen angegangen ist seiner Meinung nach. Jetzt hatte ihn es zuletzt wieder erwischt und nun wohl endgültig.

Du kannst fordern was du möchtest, aber du solltest dir die Frage stellen ob du einfach nur Recht haben oder Erfolg haben willst?

Wenn ich in den letzten Jahren so darüber nachdenke, wie viele prominente Figuren erst dadurch zu großer Popularität gelangt sind, weil versucht wurde ihnen die Plattformen nehmen, dann denke ich eher, dass sich ein Dieter Nuhr sehr über diese Forderungen freuen wird.

Aktuellstes Beispiel dafür wäre Lisa Eckhart. Ich wusste nicht mal wer das ist, bis die mal irgendwo ausgeladen wurde. Ich wette, dass ist die einzige Kabarettistin, für die 2020 das erfolgreichste Jahr ihrer Karriere war.

Da sind wir dann auch schnell bei diesem Punkt:

Die werden eingeladen eben weil es dann öffentliche Reaktionen auf Twitter und in den Medien am nächsten Tag gibt. Die Reaktionen sorgen für die Quote. Aufmerksamkeit ist hier die wichtigste Währung.

Die Talkrunden wie du sie dir vorstellst laufen Mittags auf 3Sat oder nachts in irgendeinem dritten Programm. Die sind vielleicht qualitativ besser, guckt aber leider niemand. Außer später bei YT, falls mal irgendeiner ausgeflippt ist oder eine Axt in den Tisch gehauen hat.

@jararaca Ich meinte nicht Twitter selbst, sondern eine dritte, unabhängige Stelle.

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Man kann auch vor Gericht ziehe, wenn man möchte. Wie z.B. im absurden Fall der Wahlmanipulation.

Es gibt genug Seiten und Anwälte, die dazu etwas geschrieben. Auch das Twitter bei einem Anwaltsschreiben schneller reagiert.

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Dann stimmst du mir doch zu, dass die Existenz von Cancel Culture Quatsch ist und die vermeintlich „Gecancelten“ noch nie so viel Aufmerksamkeit und Gehör bekommen haben.

Weiß jetzt grad nicht warum du mit Quote kommst, wo ich das Argument schon selber gebracht habe. Wo willst du damit hin?
Ich frage lieber nach, bevor ich aufs Glatteis geführt werde, da es dann doch schnell sehr beliebig wird, gegen was man argumentiert. Gegen den Vorwurf der Zensur oder den Vorwurf überhaupt verantwortlich zu sein an allen Rechten dieser Welt?
Also ich gucke nur die Talkrunden auf 3Sat oder Nachts auf irgendeinem Dritten Programm.

Das wusste ich noch nicht, danke für den Hinweis!

Ich habe weiter oben schon einige Beiträge dazu geschrieben, dass ich nicht denke, dass bloß weil etwas nicht erfolgreich ist es nicht existiert. Etwas das nicht existiert kann nicht gleichzeitig erfolglos sein. Ich will das Thema aber auch nicht weiter im Kreis drehen.

Du hattest die Einladung der „Hannepampel“ damit begründet, dass sie ein vermeintliches politisches Spektrum abbilden sollen. Das ist aber aus meiner Sicht nicht der Grund. Aber keine Sorge, ich bin nicht hier um irgendwen aufs „Glatteis“ zu führen.

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Ja gut, ich persönlich habe auch schon Leute gecancelt. Was für mich heißt, dass ich sie nicht mehr konsumiere. Vote with your wallet.
Ich argumentiere da auch eher gegen das Schreckgespenst der Cancel Culture, bei dem relativ schnell der Untergang der Meinungsfreiheit heraufbeschworen wird. Aber da müssen wir uns auch wirklich nicht mehr im Kreise drehen, da ich da zugegeben auch schnell angriffslustig und undifferenziert werde. Da suche ich mir auch schnell den falschen Diskussionspartner aus.

Apropose undifferenziert, da gebe ich dir natürlich recht, dass die Konstellationen auch vor allem aufgrund des Reibungspotentials eingeladen werden. Ich hätte es eigentlich auch noch in „…“ schreiben sollen, weil es natürlich eigentlich nur Knallen soll. Sind dadurch halt schlechte Talkrunden, die ich mir auch echt nicht geben kann und für mich eben auch ein Versäumnis darstellen, den öffentlichen Diskurs wieder konstruktiver zu gestalten.
Aber wie gesagt, ich bleibe sowohl diesen „Talkrunden“, als auch den Twitter Kommentaren danach fern.

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