Autoimmunkrankheit - Erfahrungsbericht vom Alltag bis zur Stammzellentransplantation

Moin liebe Community,
ich bin Finn 22 Jahre alt und mir wurde im August 19 die Aplastische Anämie diagnostiziert.

Was ist eine aplastische Anämie?
Eine aplastische Anämie ist eine Autoimmun-Erkrankung, die das Knochenmark angreift. Dieses produziert daraufhin kaum noch Blutzellen, sowie weiße und rote Blutkörperchen. Die daraus entstehende Blutarmut führt zu Erschöpfung, Kreislaufproblemen, verstärkten Bluten und Konditionsverlust.

Wie hast du es bemerkt, dass etwas nicht stimmt?
Es fing damit an, dass ich vermehrt rote Punkte auf Armen und Beinen gefunden habe. Diese sind kleine Einblutungen unter der Haut.
Die Erschöpfung habe ich zuerst auf meine unsportliche Natur geschoben, aber sobald man nach einer Etage Treppen laufen komplett außer Atem ist macht man sich Gedanken. Mir sind auch viele nahezu schwarze Blutflecken auf meinem Bettlaken aufgefallen, die von kleinen Stellen stammten, die ich mir im Schlaf aufgekratzt hatte.
Das ausschlaggebende Ereignis warum ich zu meinem Hausarzt gegangen bin war ein Kreislaufzusammenbruch vor der Arbeit. Ich war gerade aufgestanden und hatte ein Glas Wasser getrunken, dass mir sofort wieder hochkam.
Dann bin ich zu meiner Ärztin gegangen, um mich krank schreiben zulassen und sie hat zum Glück (!) aus reiner Vorsicht etwas Blut abgenommen. Gegen Mittag kam dann der besorgte Anruf der Ärztin, ich müsse sofort in die Notaufnahme.

Wie war der Anfang?
Diese Zeit war am schlimmsten. Ich lag in der Notaufnahme im UKE in Hamburg und wusste nicht was los ist. Ich hatte viele emotionale Zusammenbrüche und konnte einfach nicht verstehen was gerade passiert. Zusammen mit meiner Familie habe ich gehofft, dass ich nach 1-2 Tagen wieder nach Hause kann und es die erhoffte Entwarnung gibt.
Fehlanzeige, nach 2 Tagen auf der Notaufnahme wurde ich, ohne das mir gesagt wurde warum, auf die Leukämie-Station des UKEs verlegt. Dies war der schlimmste Dämpfer und hat mich sowie meine Eltern hart getroffen. 2 Wochen musste ich auf der Leukämie-Station verbringen bis endlich 2 aufschlussreiche Knochenmarkpunktionen durchgeführt werden konnten.
Das Ergebnis war wunderschön und scheiße zu gleich. Es ist kein Blutkrebs, aber es ist eine sehr seltene, aber heilbare Blutkrankheit!

Wie verlief die Behandlug?
Nach den Punktionen durfte ich erstmal wieder nach Hause, aber ich musste jede Woche 2 mal in die Ambulanz wo ich Blutreserven erhalten habe, damit ich die Zeit bis zur Behandlung unbeschadet überstehe. Während dieser Zeit wurden mir 2 Behandlungsmethoden vorgestellt.

  1. Eine sehr lange andauernde immunsupressive Therapie
  2. Eine Stammzellentransplantation mit Therapie
    Auf Raten der Ärzte hab ich mich trotz des höheren Risikos für die 2. Behandlung entschieden, da hier die Erfolgsaussichten höher sind.
    Es gingen noch einige Wochen ins Land, bevor die tolle Nachricht kam.
    Das DKMS hat einen passenden Spender gefunden und die Behandlung kann endlich stattfinden.
    Nun wurde mir die Behandlung und ihre Risiken nochmal ausführlich erklärt.
    Im Grunde bestand diese aus 4 Schritten.
  3. Die Kondition meines Immunsystems, damit dieses die fremden Stammzellen nicht abstößt. Dies geschieht durch eine Ganzkörperbestrahlung und eine Hochdosis-Chemotherapie. Erst hier habe ich erfahren, dass mich die Behandlung höchstwahrscheinlich meine Fruchtbarkeit kosten wird und ich konnte noch rechtzeitig gesunde Spermien einfrieren lassen, um in der Zukunft noch Kinder haben zu können.
  4. Die Knochenmarktransplantation. Ich bekam das aufgereinigte Knochenmark in meinen Blutkreislauf geleitet und die Genesung konnte langsam beginnen.
  5. Überwachung um starke Spender-gegen-Wirt Reaktionen unterdrücken zu können.
  6. Eine immunsuppressive Therapie für ca. 6 Monate damit sich das fremde Knochenmark an meinen Körper gewöhnen kann. In dieser Phase befinde ich mich derzeit noch. Ich muss täglich sehr viele Tabletten (18-20 Stück) nehmen und alle 2 Wochen zur Kontrolle in der Ambulanz vorstellig werden.

Was hast du aus der Behandlung mitgenommen?
Das erste ist wohl, dass es jeden treffen kann. Den Satz habe “Aber Finn du bist doch noch so jung, wie konnte das passieren” habe ich sehr oft gehört. Es mag unwahrscheinlicher sein, aber leider ist keiner von uns sicher, wenn e um Krankheiten geht.
Das zweite ist, dass Unwissenheit wirklich schlimm sein kann, die 2 Wochen auf der Leukämie-Station waren mit Abstand die schlimmste Zeit der ganzen Behandlung.
Drittens habe ich nicht gewusst, was es eine riesige, tägliche Nachfrage nach Blutkonserven gibt und kann mich da nur herzlich und unfassbar glücklich bei allen Spendern bedanken. Manche von euch machen es vlt. nur für die warme Mahlzeit oder ein wenig Geld fürs Spenden, aber werdet euch ruhig befusst, dass ihr damit aktiv Leben rettet!
Viertens wie groß das DKMS ist und wie toll Menschen sind, die ohne einen Eigenvorteil in ein Krankenhaus gehen und sich unter Vollnarkose 1,5 LITER Knochenmark abnehmen lassen nur um einen ihnen völlig unbekannten Menschen zu helfen. Hier ein riesiges Danke an meinen anonymen Spender aus der Nähe von DC Washington. In knapp 1,5 Jahren darf ich dich kennen lernen und mich endlich persönlich bedanken.

Wie gehst du jetzt mit Corona um?
Ich gehöre aufgrund der Therapie zu einer Risikogruppe. Ich fahr bereits vor Corona in Isolation zuhause und diese hat sich nur mehr verschärft. Aber zum Glück habe ich tolle Helfer gefunden, die für mich die Besorgungen erledigen und meine Medikamente abholen.

Danke fürs Lesen meiner Geschichte. Es hilft mir persönlich dieses Erlebnis mit anderen Menschen zu teilen. Ihr könnt mir gerne Fragen stellen falls euch Einzelheiten genauer interessieren.

PS.: Nochmal ein herzliches Dankeschön an alle Spender und alle Helfer <3

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Sehr bewegend und schlussendlich schön deine Geschichte! :hushed::relaxed:

Ich habe mich vor einigen Jahren bei der DKMS registrieren lassen, nachdem eine Cousine von mir auf eine Organspende angewiesen war. Solche Geschichten wie deine zeigen, dass das die richtige Entscheidung war.

Wie viele Monate deiner immunsuppresiven Therapie hast du noch vor dir ?

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Sowas zu lesen ist schon echt heftig, aber natürlich absolut nichts dagegen, wenn man es sogar selbst erleben und aushalten muss. Was das für eine riesen Umstellung und Einschränkungen bedeutet, mag man sich als gesunder gar nicht ausmalen.

Vielen Dank für das Teilen deiner Geschichte! Den meisten Leuten ist einfach gar nicht bewusst, was es so für verschiedene Krankheiten und daraus nötige wichtige Therapien gibt. Da hilft es auf jeden Fall, wenn man Berichte aus erster Hand mitbekommt, um das Bewusstsein dafür zu schärfen.
Umso mehr freut es mich, dass bei meiner letzten Blutspendeaktion wahnsinnig viele den Aufrufen gefolgt sind und es auch super viele neue Erstspender gab, die sich von den gut 2 Stunden Schlangestehen nicht verschrecken ließen^^

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Ungefähr noch 2 Monate, hängt aber auch von den individuellen Werten ab :slight_smile:

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Das mit dem Blutspendenaufruf ist eine wirklich coole Aktion! Dafür mal ein dickes Danke von mir :slight_smile:

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Hi,
ich hatte vor knapp 3 Jahren meine Stammzellentransplantation nach Leukämie-Diagnose im Alter von 33. Tja, das ist schon ganz schön beschissen. Besonders in den ersten 6 Monaten gehts auf und ab. Ich war 2017 mit Unterbrechungen insgesamt 20Wochen auf Isolationsstationen und habe da leider den 1. Geburtstag meiner Tochter verpasst.
Aber nach 6 Monaten ging es aufwärts und es ist auch nichts hängen geblieben, Stand heute. Auch wegen Corona muss ich nichts besonderes beachten. Mein anonymer Spender (männlich, polnisch, Jahrgang 1998) hat auf meine Kontaktversuche leider nicht reagiert.

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Oh man das tut mir leid, da musstest du einen deutlich längeren Zeitraum die Zähne zusammen beißen :frowning: Ich war gerade mal einen Monat auf der Isolationsstation. Ich hoffe, dass du mittlerweile wieder fit bist und gesund mit deiner Tochter die Pandemie überstehst.

Ja, ich bin wieder fit und mittlerweile erinnere ich mich sogar eher an die guten wie an die schlechten Tage. Dir auch alles Gute.

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