Die Kausalität konnte bisher in keiner einzigen seriösen Studie belegt werden. Und das hat 2 einfache Gründe:
- Man kann es kaum erforschen, ohne gegen ethische Standards in der Wissenschaft zu verstoßen. Man kann ja keinem Kind, dass 5 Jahre alt ist im Labor Doom oder CoD spielen lassen und dann nachschauen, ob es aggressiver wird.
- Sind die Wissenschaftler, die an der Hirnforschung arbeiten sich gar nicht einig, was sie da überhaupt messen. Bis jetzt geht es einzig und allein nach “Hirnaktivität”. Wenn du - sagen wir - Counter Strike spielst, hast du hohes Adrenalin und eine Hirnregion, die auch für Aggression zuständig ist, wird aktiv. Was das bedeutet; wie die Langzeitwirkung ist, kann dir keine seriöse Studie beantworten.
Also letztendlich sind alle Studien in dem Gebiet hoch spekulativ, weil die Methodik selbst umstritten ist.
Wenn man immer mal wieder von Studien hört, die bestätigen, dass man vom Spielen aggressiv wird, sind meistens kurzzeitige Wutausbrüche gemeint. Und die passieren unabhängig von der Art des Spiels. Du kannst bei CS ausrasten, aber auch bei Super Mario. In einer Studie, die mit “Spiele machen aggressiv” übertitelt war, stand im Kleingedruckten, dass der Hauptanteil der Probanden angab, dass sie Eingabeschwierigkeiten aufgebracht hatten.
Übrigens ist das auch nicht auf Computerspiele begrenzt. In einigen Fußballigen z.B. brauchen die Schiedsrichter Polizeischutz und trotzdem würde keiner sagen: Der ist Amok gelaufen, weil er Fußball spielt. Boxen und andere Kampfsportarten fußen auf Aggression.
An dem Vorwurf, dass explizite Gewaltdarstellungen abstumpfen, kann schon eher etwas dran sein. Eine Abstumpfung heißt aber nicht, dass ich dann gerne selber zur Schrotflinte greifen will. Das bietet keine Erklärung für Gewalttaten.
Und auch bei diesen Studien lohnt sich ein genaues Hinsehen: Auf welchen Kontext ist das Abstumpfen bezogen? Auf fiktive Gewalt? Wenn ich viele Horrorfilme gucke, dann ist es doch klar, dass ich nicht mehr so stark auf einen abgeschlagenen Kopf reagiere, wie beim ersten Mal. Oder wirklich auf echte Gewalt?
Ich glaube es war das Videospielmagazin Kotaku, das ein sehr umstrittenes Experiment gemacht hat: Sie haben auf ihrer Seite ein Video verlinkt, in dem sich ein japanischer Politiker auf offener Bühne selbst erschießt. Ohne, dass die Kamera weg schwenkt. Du siehst alles: Wie er sich in den Kopf schießt, wie er zusammen bricht, wie aus der Schusswunde das Blut im Rhytmus des Herzschlags herauspumpt und dann nach ein paar Sekunden nur noch fließt, weil er tot ist.
Es gab einen RIESEN Shitstorm - natürlich. Aber das wollte Kotaku. Weil sie damit zeigen wollten, dass man - egal wie viele Computerspiele man gespielt hat oder brutale Filme gesehen hat oder Heavy Metal gehört hat - immer noch sehr sehr gut registrieren/abstrahieren kann, was nun echte Gewalt ist und was nicht.
Auch ich habe mir das Video als Selbsttest damals angeguckt und ich kann jedem sagen: Egal, was Du Dir schon an Spielen und Filmen rein gezogen hast: Wenn es um echte Gewalt geht, reagierst du GANZ anders. Horrorfilm-Gemetzel habe ich vergessen sobald der Film aus ist. Das Video ist bei mir heute noch im Kopf.
Wer da den Unterschied nicht erkennt, der hat vorher schon psychische Probleme gehabt.
Natürlich gibt es Korrelationen. Wenn man sich die Prozentzahl der unter 30-Jährigen anguckt und dort den Anteil nimmt, der aktiv viel spielt. Dazu noch den männlichen Anteil der anscheinend - warum auch immer - exklusiv zu solchen Gewalttaten wie Amokläufen neigt. Da ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass derjenige auch zockt.
Andererseits bin ich aber auch jemand, der Videospiele nicht für komplett harmlos hält. Wenn man eine vorhergehende psychisch-pathologische Disposition hat, z.B. aufgrund von Mobbing oder dergleichen, können gewalthaltige Spiele sicher ein Grund dafür sein, das Fass zum Überlaufen zu bringen. Der Möglichkeit muss man auch als “Gamer” in die Augen sehen.
Und die Bezüge sind ja leider auch schon oft genug da gewesen. Das berühmteste School-Shooting in den USA “Columbine” beispielsweise: Die Täter haben sich in ihrem Manifest ganz klar auf Doom bezogen und z.B. auch auf den Film “Natural Born Killers”.
Aber hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Nicht Doom hat die Täter zu dem gemacht, was sie sind, sondern die Täter fühlen sich natürlich in ihren Gewaltfantasien auch von gewalthaltiger Popkultur angezogen.
Es muss kein Zufall sein, dass fast alle Amokläufer irgendeinen Shooter gespielt haben: Ich denke, dass es durchaus möglich und logisch ist, dass Menschen mit Gewaltfantasien gerne erst einmal virtuell Menschen erschießen. Das heißt aber NICHT, dass das Spiel sie zu dem macht, was sie sind, sondern das Spiel eine Art Katalysator ist.
Nur mal so als “kleiner” Exkurs.
Nun. Wie du an den letzten Absätzen vor deinem Zitat siehst, bin ich keineswegs jemand, der Gewalt in Spielen heilig spricht und die Absolution erteilt.
Nur in den Artikeln, die ich gelesen habe, wurde mir nur immer etwas sehr offensichtlich betont, dass er ein “leidenschaftlicher Zocker” von “gewalttätigen Spielen” war. Und selbst Journalisten, die nicht im Bereich Videospiele arbeiten wissen, dass Fortnite ein ziemlich harmloses Spiel ist. Diese kleine Ungenauigkeit stört mich halt, weil es mich an den Hang der Presse erinnert, wie in den 2000ern, für eine gute Geschichte ein paar Fakten zu verdrehen, wenn es um Videospiele geht.
Wir erinnern uns alle an die “Bild”, die schrieb WoW sei ein “Ballerspiel”.
Dass die Optik dieses abscheulichen Videos einem Ego-Shooter entspricht, kann auch keiner leugnen. Nur dass diese Assoziation ständig hergestellt wird - zur Erinnerung: Das konnte man lesen von den USA bei CNN über Neuseeland bis hier in Deutschland beim Spiegel - bedient doch auch diesen Reflex, dieses Klischee. Wir wissen doch alle selbst, wie heutzutage Meinungen gebildet werden. Da wird die Überschrift gelesen und das war es. Und dann lesen besonders ältere Leute wieder von Videospielen nur in Verbindung mit Gewalttaten im echten Leben.
Du darfst nicht vergessen, dass wir in der Bubble leben. Wir beschäftigen uns damit. Der Großteil der Menschen, auch die meisten in unserem Alter lesen einfach nur: Torrorattacke/Amoklauf —> Videospiel(optik).
Ich finde es halt nervig. Nun, man kann jedenfalls wenigstens behaupten, dass es besser wird. Schließlich kommen wir aus einer Zeit, in der Jornalisten und Politiker behauptet haben, man trainiere an der Maus oder am Gamepad das Schießen mit einer Pistole.