Christchurch-Terrorattacke und Videospiele - Ein Anflug von "Killerspiel"-Debatte

Vor etwas mehr als 2 Wochen hat ein Rechtsterrorist 50 Menschen in einer neuseeländischen Moschee erschossen. In seinem Manifest hat er explizit Videospiele genannt. Beispielsweise Fortnite.

Debatten um sogenannte “Killerspiele” werden heute zwar weniger schrill und laut geführt. Es gibt kaum noch Politiker, die für allgemeine Verbote trommeln. Oder es sogar so verrückt wird, wie nach Winnenden, wo in Bayern sogar ein Besitzverbot (das es in Deutschland sonst vergleichbar nur bei Kinderpornos gibt) ins Spiel gebracht wurde. Beim Amoklauf von München 2016 hat der Bundesinnenminister aus altem Reflex noch einmal versucht eine Killerspiel-Debatte anzuzetteln, aber die Medien haben da nicht mehr mitgespielt und er wurde von sehr vielen Journalisten für den Griff in die Mottenkiste eher abgestraft.

Dennoch finde ich, dass Medien immer noch ein ziemlich komisches Verhältnis zu Videospielen und besonders Ego-Shootern haben. Da der Täter seine Tat selbst mit Helmkamera gefilmt hat, gibt es fast keinen Bericht, egal ob In- oder Ausland, der nicht ohne den Verweis auf eine “Videospieloptik” auskommt. Der Spiegel hat seine Titelgeschichte zum Attentat gleich mit “Ego-Shooter” überschrieben.
Der Hinweis, dass er exzessiver Computerspieler war, darf natürlich nie fehlen.

Versteht mich nicht falsch: Wenn man ein genaues Bild eines Täters zeichnen will, dann gehören auch sicher seine Hobbys dazu, aber es wird dem “exzessiven Computerspielen” immer ein sehr exponierter Raum gegeben. Ganz so, als will man eben doch noch den Reflex bedienen, dass diese Computerspieler eigentlich doch nur gescheiterte Existenzen sein können.

Der Täter von Christchurch hat in seinem Manifest u.A. geschrieben, dass Fortnite ihm beigebracht hat, wie man Menschen tötet. Anstatt zu hinterfragen, ob da jemand sein rechtes krankes Weltbild rationalisieren will, haben viele den Satz einfach übernommen.

Spyro 3 war übrigens auch im Manifest… nur mal so zur Einordnung, wie ernst man diesen perversen Spinner nehmen kann.

Wo ich übrigens bei vielen Artikeln sehr heftig mit dem Kopf genickt habe, war die Kritik an der Forenkultur u.A. bei Steam. Denn da wurde der Täter in vielen Unterforen abgefeiert. Und Steam ist bekannt dafür, dass sich da viel rechtes Gesindel rum treibt. Also die Kritik dagegen in den Medien kann ich voll und ganz nachvollziehen.

Also was glaubt Ihr? Ist die Killerspieldebatte zwar nicht mehr so laut, aber unterschwellig immer noch da?

habe kein wirkliches wissen, aber es war in der uni, dass ich gehört habe, dass wohl durchaus ein paar studien mindestens korrelationen zwischen videospielen und aggressionen belegen, ich meine sogar kausalität…

Spyro 3…?
Na gut, ich denke dieses Lied (besonders die beiden Aussagen am Ende) beleuchten dieses Thema recht gut

Ich denke mal das die Menschen das wahre Problem nicht erkennen, und einen Sündenbock brauchen. Für diese Menschen sind „Killerspiele“ tatsächlich ein wichtiger Faktor der zu diesen Verhalten führt.

Das mit Spyro und Fortnite im Manifest war ja offensichtlich nicht ernst gemeint. Das die Aufnahmen mit Videospielen verglichen werden, finde ich nicht schlimm, weil es mMn schon einem Egoshooter ähnelt. Ist erstmal nur ein Vergleich und muss nicht direkt eine Wertung oder Kritik an Videospielen sein.

Persönlich finde ich, dass es lange keine richtige Debatte um “Killerspiele” gab. Wird hier und da erwähnt, aber so ein ordentliches Fass wurde eine Weile nicht mehr aufgemacht (oder ich lebe hinterm Mond und habe was verpasst). Was mich eher nervt ist die Dünn­häu­tig­keit von “Gamern”, die sobald es nur den Hauch von kritische Betrachtung gibt, direkt die “Killerspiel”-Debatte am Horizont sehen. Eine Schwalbe macht keinen Frühling und ein Beitrag keine ganze Debatte.
Wenn dann auch noch direkt von Lügenpresse geredet wird und kann ich nur mit den Augen rollen.

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Die Kausalität konnte bisher in keiner einzigen seriösen Studie belegt werden. Und das hat 2 einfache Gründe:

  1. Man kann es kaum erforschen, ohne gegen ethische Standards in der Wissenschaft zu verstoßen. Man kann ja keinem Kind, dass 5 Jahre alt ist im Labor Doom oder CoD spielen lassen und dann nachschauen, ob es aggressiver wird.
  2. Sind die Wissenschaftler, die an der Hirnforschung arbeiten sich gar nicht einig, was sie da überhaupt messen. Bis jetzt geht es einzig und allein nach “Hirnaktivität”. Wenn du - sagen wir - Counter Strike spielst, hast du hohes Adrenalin und eine Hirnregion, die auch für Aggression zuständig ist, wird aktiv. Was das bedeutet; wie die Langzeitwirkung ist, kann dir keine seriöse Studie beantworten.
    Also letztendlich sind alle Studien in dem Gebiet hoch spekulativ, weil die Methodik selbst umstritten ist.

Wenn man immer mal wieder von Studien hört, die bestätigen, dass man vom Spielen aggressiv wird, sind meistens kurzzeitige Wutausbrüche gemeint. Und die passieren unabhängig von der Art des Spiels. Du kannst bei CS ausrasten, aber auch bei Super Mario. In einer Studie, die mit “Spiele machen aggressiv” übertitelt war, stand im Kleingedruckten, dass der Hauptanteil der Probanden angab, dass sie Eingabeschwierigkeiten aufgebracht hatten.
Übrigens ist das auch nicht auf Computerspiele begrenzt. In einigen Fußballigen z.B. brauchen die Schiedsrichter Polizeischutz und trotzdem würde keiner sagen: Der ist Amok gelaufen, weil er Fußball spielt. Boxen und andere Kampfsportarten fußen auf Aggression.

An dem Vorwurf, dass explizite Gewaltdarstellungen abstumpfen, kann schon eher etwas dran sein. Eine Abstumpfung heißt aber nicht, dass ich dann gerne selber zur Schrotflinte greifen will. Das bietet keine Erklärung für Gewalttaten.
Und auch bei diesen Studien lohnt sich ein genaues Hinsehen: Auf welchen Kontext ist das Abstumpfen bezogen? Auf fiktive Gewalt? Wenn ich viele Horrorfilme gucke, dann ist es doch klar, dass ich nicht mehr so stark auf einen abgeschlagenen Kopf reagiere, wie beim ersten Mal. Oder wirklich auf echte Gewalt?

Ich glaube es war das Videospielmagazin Kotaku, das ein sehr umstrittenes Experiment gemacht hat: Sie haben auf ihrer Seite ein Video verlinkt, in dem sich ein japanischer Politiker auf offener Bühne selbst erschießt. Ohne, dass die Kamera weg schwenkt. Du siehst alles: Wie er sich in den Kopf schießt, wie er zusammen bricht, wie aus der Schusswunde das Blut im Rhytmus des Herzschlags herauspumpt und dann nach ein paar Sekunden nur noch fließt, weil er tot ist.

Es gab einen RIESEN Shitstorm - natürlich. Aber das wollte Kotaku. Weil sie damit zeigen wollten, dass man - egal wie viele Computerspiele man gespielt hat oder brutale Filme gesehen hat oder Heavy Metal gehört hat - immer noch sehr sehr gut registrieren/abstrahieren kann, was nun echte Gewalt ist und was nicht.

Auch ich habe mir das Video als Selbsttest damals angeguckt und ich kann jedem sagen: Egal, was Du Dir schon an Spielen und Filmen rein gezogen hast: Wenn es um echte Gewalt geht, reagierst du GANZ anders. Horrorfilm-Gemetzel habe ich vergessen sobald der Film aus ist. Das Video ist bei mir heute noch im Kopf.

Wer da den Unterschied nicht erkennt, der hat vorher schon psychische Probleme gehabt.

Natürlich gibt es Korrelationen. Wenn man sich die Prozentzahl der unter 30-Jährigen anguckt und dort den Anteil nimmt, der aktiv viel spielt. Dazu noch den männlichen Anteil der anscheinend - warum auch immer - exklusiv zu solchen Gewalttaten wie Amokläufen neigt. Da ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass derjenige auch zockt.

Andererseits bin ich aber auch jemand, der Videospiele nicht für komplett harmlos hält. Wenn man eine vorhergehende psychisch-pathologische Disposition hat, z.B. aufgrund von Mobbing oder dergleichen, können gewalthaltige Spiele sicher ein Grund dafür sein, das Fass zum Überlaufen zu bringen. Der Möglichkeit muss man auch als “Gamer” in die Augen sehen.
Und die Bezüge sind ja leider auch schon oft genug da gewesen. Das berühmteste School-Shooting in den USA “Columbine” beispielsweise: Die Täter haben sich in ihrem Manifest ganz klar auf Doom bezogen und z.B. auch auf den Film “Natural Born Killers”.
Aber hier wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Nicht Doom hat die Täter zu dem gemacht, was sie sind, sondern die Täter fühlen sich natürlich in ihren Gewaltfantasien auch von gewalthaltiger Popkultur angezogen.

Es muss kein Zufall sein, dass fast alle Amokläufer irgendeinen Shooter gespielt haben: Ich denke, dass es durchaus möglich und logisch ist, dass Menschen mit Gewaltfantasien gerne erst einmal virtuell Menschen erschießen. Das heißt aber NICHT, dass das Spiel sie zu dem macht, was sie sind, sondern das Spiel eine Art Katalysator ist.

Nur mal so als “kleiner” Exkurs.

Nun. Wie du an den letzten Absätzen vor deinem Zitat siehst, bin ich keineswegs jemand, der Gewalt in Spielen heilig spricht und die Absolution erteilt.

Nur in den Artikeln, die ich gelesen habe, wurde mir nur immer etwas sehr offensichtlich betont, dass er ein “leidenschaftlicher Zocker” von “gewalttätigen Spielen” war. Und selbst Journalisten, die nicht im Bereich Videospiele arbeiten wissen, dass Fortnite ein ziemlich harmloses Spiel ist. Diese kleine Ungenauigkeit stört mich halt, weil es mich an den Hang der Presse erinnert, wie in den 2000ern, für eine gute Geschichte ein paar Fakten zu verdrehen, wenn es um Videospiele geht.

Wir erinnern uns alle an die “Bild”, die schrieb WoW sei ein “Ballerspiel”.

Dass die Optik dieses abscheulichen Videos einem Ego-Shooter entspricht, kann auch keiner leugnen. Nur dass diese Assoziation ständig hergestellt wird - zur Erinnerung: Das konnte man lesen von den USA bei CNN über Neuseeland bis hier in Deutschland beim Spiegel - bedient doch auch diesen Reflex, dieses Klischee. Wir wissen doch alle selbst, wie heutzutage Meinungen gebildet werden. Da wird die Überschrift gelesen und das war es. Und dann lesen besonders ältere Leute wieder von Videospielen nur in Verbindung mit Gewalttaten im echten Leben.
Du darfst nicht vergessen, dass wir in der Bubble leben. Wir beschäftigen uns damit. Der Großteil der Menschen, auch die meisten in unserem Alter lesen einfach nur: Torrorattacke/Amoklauf —> Videospiel(optik).

Ich finde es halt nervig. Nun, man kann jedenfalls wenigstens behaupten, dass es besser wird. Schließlich kommen wir aus einer Zeit, in der Jornalisten und Politiker behauptet haben, man trainiere an der Maus oder am Gamepad das Schießen mit einer Pistole.

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Vielleicht hab ich es überlesen, aber wo ist der Begriff Lügenpresse gefallen?

Ich hab nur gelesen das die Medien relativ unreflektiert mit den Medium Videospiele umgeht und auch ein Teil der Bevölkerung nicht weiß wie sie mit dem Thema umgehen soll.

Ich finde es trotzdem erfreulich, das in den letzten Jahren die Aktzeptanz gegenüber Videospielen gestiegen ist. Das Medienecho ist in dieser Beziehung viel kleiner geworden, weil es auch immer weniger Leute glauben.

Erzähl das mal Menschen die in Kriegshandlungen verwickelt waren, die sehen es wahrscheinlich andersrum;)

Gleiches kann aber genauso gut über Reddit, Facebook etc gesagt werden und Idioten wie diese gibt es überall. Klar ist es einfach Steam als Feindbild auzuführen, vorallem wenn es ja schon länger her ist das PSN zur PLanung von Terroranschlägen verwendet wurde und die meisten das daher wohl inzwischen vergessen haben dürften.

Klar. Aber das eine macht das andere ja nicht besser.
Und es ist ein Beleg für meine These, dass das Augenmerk hier wieder etwas genauer auf Videospiele fällt. Steam ist der größte Vertreiber von Videospielen der Welt. Wenn da in Unterforen bekennende CS-Spieler Charts dafür führen, wer der geilste Attentäter ist und Breivik verehren oder eben jetzt den Terroristen aus Australien, der in Neuseeland - ganz zur Freude einiger Steam-Nutzer - Muslime abgeschlachtet hat , ist das ein gefundenes Fressen.

Ich glaube nicht, das irgendwelche CSU Dinsosaurier das noch mal anfassen oder sich an der laschen Zens äh Indizierungspraxis der letzten Zeit viel ändert. Ich wäre eher besorgt was Sony USA, die eh schon für ausufernde Zensur bekannt sind, aus der Nummer macht. Und deren Zensurbestrebungen würden uns auch betreffen.

Die sind beim Thema Zensur leider ein großes Problem. Selbst wenn ich ein „indiziertes“ Spiel „frei erwerbe“ scheitere ich am Geoblocking von Steam. Wenn die anziehen wird es ungemütlich.
Aber wegen Artikel 13 brauchen wir vielliecht eh bald standardmäßig VPN, dann wäre das Problem vorerst nicht so groß.
Außerdem ist Steam alles egal, siehe Rapeday und die zigtausend Titten- und Müllspiele.

Natürlich macht es das nicht besser und Entwickler sind dafür verantwortlich ihre Foren auf Steam angemessen zu moderieren und sauber zu halten und sind sie dazu nicht in der Lage muss Valve sich einschalten und die Sache regeln. Wie gut dieses System im Detail funktioniert wage ich nicht selbst zu beeurteilen.

Und es ist nunmal so das Steam einfach ein leichtes Zeil für die Medien ist aus Gründen die du ja selbst aufgeführt hast. Wie gesagt findet das gleiche aber überal im Bereich social media statt aber du glaubst doch nciht das die Medien eine Platform wie twitter oder facebook die sie selbst nutzen angreifen wenn es so viel leichter ist auf steam loszugehen mit denen man glücklicherweise ja auch nicht in direkter Verbindung steht.

Wie gesagt, dass es das überall gibt, bestreite ich nicht.

Allerdings muss man aber auch sagen, dass Twitter und Facebook auch ziemlich viel Kritik einstecken mussten und müssen. Von der Presse und von der Politik. Man denke nur an das NetzDG. Beide Unternehmen setzen seit Jahren Löschteams ein.

Dass das Video von Christchurch über 40 Minuten zu sehen war auf Facebook steht übrigens auch in jedem Artikel. Aber eben auch, dass sie es tausendfach gelöscht haben. Erst durch Algorithmen, dann “von Hand”.

Die haben den Schuss gehört.

Steam hat die Firmenpolitik, die Facebook und Twitter vor Jahren hatten und dachten durchziehen zu können: Nichts machen; erst wenn der Gegenwind zu groß wird. Wenn überhaupt.

Ich sehe da schon Unterschiede und glaube mir: Ich bin eigentlich der Letzte, der Großunternehmen gerne verteidigt.

Aber im Grunde sind wir uns einig: Ich sage die haben eben Steam auf dem Kieker, weil es in ihr narrativ der bösen Videospiele passt. Und du denkst, dass sie sich Steam raus gepickt haben, weil sie Social Media nicht angreifen wollen. Ich denke wir können beide richtig liegen.