"Culture War" und Clickbait in der Wissenschaftsinformation auf Social Media und Youtube

Sperriger Titel… ich weiß. Aber es ist Zeit sich mal darüber auszukotzen.

Ich wollte immer Physiker werden. Aufgrund diverser Umstände, die ich hier nicht ausbreiten will, sollte es aber leider nie so kommen. Heute beschäftige ich mich auf einem interessierten Laien-Niveau immer noch damit.

Über die letzten Jahre ist mir allerdings immer vermehrt aufgefallen, dass das Negative an Social Media und Videoplattformen wie Youtube auch vor der Wissenschaft nicht halt macht.

Zum einen wäre da das generelle Misstrauen der Wissenschaft gegenüber. Große Kanäle wie der der deutschen Physikerin Sabine Hossenfelder schüren den Eindruck eines Elfenbeinturms der Steuergelder verschwendet, keine anderen „Wahrheiten“ als die Etablierten zulässt und natürlich woke und links ist. In einem ihrer neueren Videos beschreibt sie die akademische Welt als „Kommunismus“.

Es gibt noch zig andere Beispiele, aber der Eingangspost ist sowieso schon lang.

In diesen Kreisen ist ein großer Streit um die Stringtheorie entbrannt, die viele für fehlgeleitet halten. Ihre Gegner beschreiben die gesamte moderne Physik undifferenziert als in einer großen Krise befindlich. Im Zuge dessen gibt es auf Youtube hunderte Videos mit Überschriften wie „Physics is stuck“ oder „Physics is in a deep crisis“.

Dann ist da der Clickbait. Einstein wurde widerlegt. Berühmter Physiker XY hat etwas Erschütterndes, das uns alle und unsere Realität verändert, realisiert. Das James Webb Teleskop hat ein eigenartiges Objekt entdeckt und es wird insinuiert es könnte außerirdisch sein. Den Urknall gab es nicht.

Und blah blah blah. Das hat hunderttausende bis Millionen Klicks. Während Seriöseres ungleich kleinere Klickzahlen generiert.

Bereits in der Corona-Krise wurde klar, dass sich die Kommunikation zwischen der breiten Masse und der Wissenschaft äußerst schwierig gestaltet, weil sich das „empor irren“ in einer konkreten Situation bei Menschen, die immer sofort 100%ige und für immer gültige Aussagen erwarten nicht vermitteln lässt. Wie z.B. der Virologe Drosten schmerzlich erfahren musste, der für korrigierte Aussagen nach neuer Forschung immer wieder extrem angegriffen wurde.

Verfängt das deswegen so sehr? Ist das einfach nur ein nachgelagertes Phänomen des immer mehr um sich greifenden Anti-Establishment-Denkens? Oder ist das halt wie Videoplattformen und Social Media funktionieren. Was ist da los?

Mich tangiert das eigentlich nicht. Ich habe meine seriösen Quellen. Dennoch finde ich es nervig und beängstigend, wie Wissenschaft mittlerweile in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

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Physiker hier, wenn man das auf die Teilchenphysik bezieht, würde ich durchaus zustimmen. Von den Theoretikern kommen da nur noch Erklärungsansätze, die man kaum experimentell bestätigen kann oder so viele Parameter haben, dass jedes widersprechende Experiment durch ein bisschen Tweaken der Parameter kein Problem mehr ist. In der Experimentalphysik lautet die Devise „größerer Beschleuniger“, was aber nichts bringen wird, wenn man nicht weiß, wonach man schauen soll. Das ist ja beim LHC schon ein Problem und wird durch mehr Energie nicht besser. Die Kosten eines solchen Projektes stehen schlicht in keinem Zusammenhang zum Nutzen.

Ich stimme aber zu, dass der Wissenschaftsjournalismus leider nicht sonderlich gut ist.

Ja. Sean Carrol kennst Du vielleicht. Den verfolge ich sehr gerne. Der sagt auch, dass in der Physik außer der Entdeckung, dass das Universum beschleunigt expandiert, seit den 70ern nichts wirklich Überraschendes passiert ist.

Momentan ist Ebbe statt Flut.

Allerdings ist Krise ein viel zu hartes Wort. Fortschritt passiert auch ständig im Kleinen und bedeutet nicht nur weltverändernde Entdeckungen auf dem Niveau von der ART. Und neue theoretische Modelle sind ja auch kein Stillstand, auch wenn sie aus technischen Gründen (noch) nicht beweisbar sind.

Man muss - denke ich - immer abstrahieren, wie gewisse Formulierungen in der breiten Masse verstanden werden, um nicht noch mehr Misstrauen zu wecken.