Kino+ // Hausaufgabe [Spoiler-Talk] //

Jackie Brown ist Tarantinos gewöhnlichster und gleichzeitig ungewöhnlichster Film.

Statt coolen Gangstern gibts Menschen mit echten Problemen und Sorgen. Es wurde nicht in Scope gedreht sondern in 4:3 (Auf Blu-ray liegt er jedoch in 1.85:1 vor).
Der Gewaltgrad wurde deutlich zurück geschraubt. Der Film ist ruhig, bodenständig, eigentlich fast schon unspektakulär.
Ich kann verstehen das die Enttäuschung nach Resevoir Dogs und Pulp Fiction groß war.
Man hatte sicherlich gehofft Tarantino lässt jetzt richtig die Sau raus…aber dem war nicht so.

In den letzten 10-20 Jahren hatten wir ständig Filme wo die Welt gerettet werden muss, Filme über heftige Schicksalsschläge, Fließbandkomödien und anderen überdramatsierten Kram.

Jackie Brown verzichtet auf all das. Wir haben hier Menschen mit Ecken und Kanten die jedoch einen Heist durchziehen wollen. Es geht aber hier nicht um Millionen sondern schlicht und einfach um eine halbe Million. Auch ist keiner der beteiligten ein Profi in dem Bereich. Nicht einmal DeNiro der hier komplett das Gegenteil seiner Rolle aus Heat spielt.
Und bis es zum eigentlich Heist kommt, lässt der Film sich Zeit, viel Zeit. Allein für die Einführung von Jacksons Cordell vergehen ca. 25 Minuten. Der Film verkommt dabei aber nicht zur nolanschen Exposition sondern zeigt wie der Charakter eigentlich tickt, unter anderem in Form einer absolut großartigen Szene mit Chris Tucker.

Selbstverständlich lässt der Film sich auch für die anderen Charaktere viel Zeit. Die kennenlern Phase von Max Cherry und Jackie Brown bekommt sehr viel Raum und ist dabei wunderbar menschlich und greifbar. Und was Grier und Forster hier schauspielerisch abliefern ist ein Genuß. Die beiden wirken einfach komplett natürlich, weit entfernt von jeglichem Overacting.

Der eigentliche Höhepunkt des Films, der Heist, ist nicht sonderlich actionreich aber auch nach mehrfahrer Sichtung immerwieder spannend. Und das ist eine Kunst für sich, man weiß wie es ausgeht aber die Spannung bleibt bestehen. Es gibt nicht viele Filme die so etwas schaffen. (Zurück in die Zukunft wäre einer davon)

Ja, man kann Jackie Brown als langweilig abstempeln, eben aufgrund seiner entschleunigten Art. Für mich ist es mittlerweile eine wohltat, denn Stress, Drama, usw. gibt es schon genug im Leben.

Ein unterschätzes Meisterwerk.

Kleine Anmerkung:
In der heutigen Zeit ist der Wunsch nach einer starken Frauenrolle groß, Tarantino hat dies schon 1997 mit Pam Grier abgeliefert. Und diese Rolle ist zeitlos. Allein deswegen hat dieser Film deutlich mehr beachtung verdient.

2 „Gefällt mir“

Jackie Brown ist mit Abstand Tarantinos reifster und anspruchsvollster Film, weil er von seiner abgedrehten Gewalt einen Schritt zurücktritt und eine fesselnde und mitreißende Geschichte bietet. Die Tatsache, dass die Gewalt in Jackie Brown so spärlich dargestellt ist, bewirkt eine deutlich höhere Wirkung, sobald sie in den wenigen Szenen vorkommt. Allein der Mord an Chris Tucker (als Beaumont Livingston) hat wegen seiner guten Inszenierung – inkl. der großartigen Kamerafahrt – einen so unfassbar großen Impact.

Die Besetzung funktioniert in allen Belangen. Tarantino beweist wieder einmal, dass er ein Händchen hat, die richtigen Schauspieler für die richtigen Rollen auszuwählen. Pam Grier ist ein unglaubliche charismatische und kraftvolle Schauspielerin. Bereits die Eröffnungsszene will uns vermitteln: Entweder man verliebt sich in sie oder man möchte so sein wie sie. Robert Forster ist in seiner Rolle überzeugend und ein ganz anderer Charakter als alle anderen in den Film. Samuel Jackson spielt Ordell so gut: einen verstörten, passiv-aggressiven Mann, der den Eindruck von Macht vermitteln will, aber aufgrund seiner Überheblichkeit keinen Plan hat, wie er richtig agieren soll. Er ist ein Bösewicht, aber er ist ein sehr charismatischer Bösewicht. Seine Frisur und sein langgezwirbelter Ziegenbart ist bedrohlich und lächerlich zugleich. Michael Keaton ist urkomisch: wie er den Cop darstellt, wertet den Film auf. Robert De Niro (als Lewis), der über weite Strecken des Films keinen erzählerischen Zweck erfüllt, aber dennoch in jeder Szene, in der er mitwirkt, seine Rolle exzellent darstellt. Robert De Niro sieht sowohl beängstigend als auch auf eine seltsame Weise harmlos aus. Bridget Fonda, als kiffende Melanie, wirkt zuerst faul und wiederborstig, die sich jedoch später (trotz ihrer Fehler) als scharfsinnige und analytische Frau entpuppt – womit Lewis am Ende nicht klar kommt und sie am helllichten Tag erschießt. Die Charakterentwicklung der Protagonisten und Antagonisten sind außergewöhnlich gut umgesetzt und folgt dem Fluss der Geschichte perfekt.

Zum Glück sind diese Schauspieler und Charaktere nicht die einzigen guten Dinge an diesem Film. Die Dialoge, vor allem die komödiantische Seite, sind hervorragend. Die Handlung ist so gut aufgebaut, überzeugend und unterhaltsam, dass es mir Spaß gemacht hat zuzusehen, wie sich der Film entfaltet. Es gibt einen beträchtlichen Teil des Films, in dem wir nicht wirklich wissen, wer am Ende als Sieger dastehen wird, und das fand ich persönlich sehr spannend.

Der Film könnte aber definitiv einen Schnitt vertragen. Es gibt ein paar Stellen, die sich ziemlich in die Länge ziehen, das hätte nicht 2 Std. 40 Min. sein müssen. Aber egal, ich habe mich nie sonderlich gelangweilt.

Und irgendwie habe ich das Gefühl, dass dieser Film im selben Universum spielt wie Breaking Bad.

Eine Kino+ Hausaufgabe:

Jackie Brown (1997) ist wahrscheinlich der am wenigsten tarantinische Film, der jemals von Quentin Tarantino geschrieben oder inszeniert wurde, hauptsächlich aufgrund seiner chronologischen Reihenfolge und des Mangels an expliziter Gewalt.
Ich kann nachvollziehen, warum viele Quentin Tarantino-Fans diesen Film zu seinem schwächsten Film zählen, aber ich persönlich mag ihn und zähle ihn nicht zu seinem schwächsten Film (Death Proof (2007) ist für mich sein schwächster Film).
Der Film hat gute Dialoge und meiner Meinung nach eine sehr gute Geschichte. Alle Schauspieler, egal ob Samuel L. Jackson, Robert De Niro, Robert Forster, Michael Keaton, Bridget Fonda oder Pam Grier sind wirklich gut in Jackie Brown (1997). Die Regie ist auch wunderbar sowie der Soundtrack.
Mein einziges Problem wäre die 150-minütige Länge des Films. Man hätte locker ihn um eine halbe Stunde kürzen können.

Alles in allem bekommt Jackie Brown (1997) 4/5 Sterne von mir.

1 „Gefällt mir“

KINO+ Hausaufgabe Jackie Brown

Mich hat die Wahl sehr gefreut, da ich schon seit längerem unbedingt mal wieder Jackie Brown sehen wollte. Es ist für mich der zweitbeste, schönste und sowohl auch unterschätzteste Film von Tarantino und gehört zweifellos zu seinen Meisterwerken. Nicht zu unrecht, sieht Wolfgang M. Schmitt diesen Film als seinen Lieblingstarantino.
QT zeigt hier weniger rasante Gewaltspiralen, sondern dieses mal seine andere Seite: dass er ein hoffnungsloser Romantiker ist und das ist gut so! Die Dialoge sind reifer, wodurch einige Figuren sich viel besser entwickeln können, aber immer noch großartig und können unterhaltsam sein, denken wir allein an die Szenen wo Samuel L. Jackson seine Mitstreiter wieder gegen die Wand redet. Die Hommage an das Blaxploitation-Kino ist unverkennbar und Tarantino zeigt wieder, dass er ein gutes Händchen für Musik hat. Und was für ein genialer Schachzug ist es die Geldübergabe in einem Einkaufszentrum zu verlegen, was ja schlechthin eine Verkörperung der Konsumwelt ist. Noch dazu scheint niemand so ganz zu wissen, wie viel Geld, wohin und wer damit alles zu tun hat. Diese Szene, dann aus mehreren Perspektiven zu zeigen, was jetzt nichts ungewöhnliches in der Filmhistorie ist, denkt man z.B. an Kurosawas „Rashomon“, wirft uns dann stark in die Position des Beobachters, wodurch man immer dazu gezwungen wird immer und immer wieder zu sehen, wie komplex das Spiel mit dem Geld ist und niemand die Konsumwelt so richtig durchschauen kann bzw. unser Blick darauf jedes Mal verzehrt werden kann.
Ich könnte nicht aufhören Jackie Brown zu loben. Es gibt noch viele Dinge und Themen die man hier hervorheben kann und finde er wird immer besser und wichtiger unter den Tarantino-Filmen.

KINO+ Hausaufgabe Jackie Brown

Jackie Brown ist quasi der einzige Tarantino-Film den ich nur 1 oder 2 mal gesehen hab und das ist Jahre her. Ich hatte vage im Kopf das er mir nicht ganz so viel Spaß wie die anderen Klassiker gemacht hat, ich aber auch nicht verstehen konnte dass der Film häufig so untergeht wenn es um Tarantinos Schaffen geht.

Der Rewatch hat diese Erinnerungen nur bestätigt. Bei gleicher Laufzeit wie Pulp Fiction gibt es hier nur einen Handlungsstrang und dementsprechend auch nur einen Bruchteil der Figuren, die dafür aber umso mehr Zeit kriegen. Der Film wirkt nicht nur deswegen deutlich ruhiger, auch die Tarantino-typische Gewalt ist in Jackie Brown sehr zurückgefahren. Trotzdem merkt man ständig das man hier einen Tarantino sieht: die Inszenierung, die Dialoge, die Musik und die Charaktere selbst sind genau so cool wie man das bei Tarantino erwartet.

Das große Finale nacheinander aus mehreren Perspektiven zu erzählen funktioniert wunderbar, da dem Zuschauer auch oft nicht alle Fakten an die Hand gegeben werden und sich erst so nach und nach erschliessen. Die Darsteller gehen alle wunderbar in ihren Rollen auf, und die deutsche Synchro passt nahezu perfekt.

Durch das getragenere Tempo wird man dann aber halt nicht so mitgerissen wie das bei einem Pulp Fiction zum Beispiel der Fall ist, was für mich den leicht geringeren Spaßfaktor erklärt. Vorteil davon ist natürlich dass der Film hervorragend altert, zumindest wenn man alt genug ist um zu wissen was Kassetten sind.

Definitiv einer der unterschätzteren Tarantino-Filme, 4 von 5 Sternen.

Angriffsziel Moskau
/ 1964 / aufgegeben von Daniel / Verfügbar auf Prime /
mit: Henry Fonda, Walter Matthau, Larry Hagman / Regie: Sidney Lumet

(Infos auch im Startpost)

2 „Gefällt mir“

Filmkritik zur Hausaufgabe von Yanez

Fail Save , ein Politik-Thriller von 1964, der vor dem Beginn des nuklearen Kriegs durch technisches Versagen warnt und deutlich die Kubakrise von 1962 verarbeitet, hat mich an den Text " Conceptual Models and the Cuban Missile Crisis " (von 1969) erinnert, den ich im Modul: Internationale Beziehungen lesen musste. Der merkt an, dass man bei der sowjetischen Regierung nicht von einer komplett logisch agierenden Entität ausgehen kann, da auch Interessensgruppen oder Konkurrenten innerhalb der Regierung oder Streitkräfte für das Handeln in einer Krise ursächlich sein können. Und auch dieser menschliche Risikofaktor wird im Film auf US-amerikanischer Seite durchgespielt, wo ein großkotziger Professor oder ein Offizier mit Minderwertigkeitskomplexen versuchen aus dem Versehen einen größeren Angriff zu machen. In dieser Zeit hatten auch die USA Minderwertigkeitskomplexe: die UdSSR hatte Atomraketen, die USA noch nicht. Daher waren 24/7 Bomber in der Luft, die die UdSSR noch hätten angreifen können, wenn Atomraketen das Land zerstört hätten. Durch technische Pannen verloren in dieser Zeit die Bomber 14 Atombomben über amerikanischem Gebiet. Eine, die die gesamte Ostküste verstrahlt hätte, also auch Washington und New York, explodierte nur wegen eines einzigen Sicherheitsbolzens nicht. So weit also nicht weit entfernt von der Realität.

Die absurd militärgeprägte Zeit wird im Film kritisch betrachtet. Er versucht über Tragik und nicht durch satirische Überspitzung aufzurütteln. Eine verpasste Gelegenheit ist es bei der Darstellung der Konsequenzen nur über Stockbilder aus dem Kammerspiel herauszutreten. Und die Militärs werden trotz allem noch zu menschlich dargestellt: im gleichen Jahr, in dem der Film erschien, begannen sie unter Präsident Johnson durch einen fingierten Angriff und nicht durch ein Versehen den Vietnamkrieg.

4 „Gefällt mir“

Hausaufgabe zu Angriffsziel Moskau

Der Film „Angriffsziel Moskau“ schafft es mit minimalistischen Mitteln, extrem viel Spannung zu erzeugen, wobei die Intensität der Geschehnisse drastisch zunimmt im Verlauf der Handlung.
Viele werden jetzt sagen, dass die ganze Zeit doch „nur“ diskutiert wird, allerdings finde ich, dass genau darin der Reiz des Films liegt. Die Figuren verhalten sich zunehmend realistisch und werfen auch moralische Fragen auf, welche sich auf die Sinnlosigkeit des Krieges beziehen und welche verheerende Folgen ein Atomschlag für die Gesamtbevölkerung nach sich ziehen würde.
Allerdings empfand ich das Ende als etwas überdramatisiert dargestellt, besonders bezogen auf die Frau des Bombers.
Nichtsdestotrotz bin ich vom tatsächlichen Ende sehr angetan. Ich mag die Konsequenz und die Schonungslosigkeit, in der die letzte Szene mündet. Auf jedenfall ein Ende, dass bei mir noch länger nachhallen wird.

PS: Dank Euch und diesem Film kenn ich jetzt auch endlich die Hommage einer bekannten Simpsons Folge, als Tingeltangel Bob ebenfalls eine Atomexplosion auslösen wollte.

1 „Gefällt mir“

Fail Safe (1964)
von Sydney Lumet

Ein Musterbeispiel dafür, wie man hauptsächlich durch ein exzellentes Skript, vorgetragen von hervorragenden Schauspielern, in zwar toll ausgeleuchteten, aber eigentlich simplen Sets einen sauspannenden Politthriller erschaffen kann. Und ein Beispiel dafür, wie man einen Film mit einem starken Statement versehen kann, ohne gleichzeitig die Komplexität des Themas oder die Validität der Gegenargumente dafür opfern zu müssen.

10/10

1 „Gefällt mir“

Ich bin mir ziemlich sicher das es auch Mal Breakfast Club als Hausaufgabe gab.

Möglich. Dieser Thread erfasst aber nur die Hausaufgaben seit dem Neustart 2020.

1 „Gefällt mir“

Fail Safe

Die nächste Kino±Hausaufgabe, eh schon auf der Watchlist gelandet durch den Podcast „Die filmische Begegnung“, wo dieser Film von Host Patrick Suite zusammen mit Tino Hahn und Adolfo Kolmerer im Rahmen einer Reihe über die Filme Sidney Lumets besprochen wurde.

Der Film erzählt, wie durch das Misstrauen zwischen USA und UdSSR während des kalten Krieges trotz guten Willens auf beiden Seiten ein eigentlicher Routinefall mit verheerenden Folgen eskalieren kann, Atomwaffen sei Dank. Das wird von Lumet sehr minimalistisch aufbereitet, der Film erzählt das Meiste durch Gespräche und Telefonate zwischen verschiedenen Männern in gerade mal 4 Locations (die Telefonpartner an anderer Stelle kriegt man nicht einmal zu sehen). Das Geschehen rund um die Flugzeuge wird zwar immer wieder mal mit wie Stockfootage wirkenden kurzen Szenen von Kampfjets gezeigt, entwickelt sich aber auch zum Großteil am minimalistischen Radarbildschirm. Trotzdem baut der Film große Anspannung auf, was sicherlich zum Teil an der Leistung der tollen Besetzung liegt, ansonsten aber der Inszenierung durch Lumet zuzuschreiben ist. Mit wenigen Kameraschwenks, -zooms und Einspielern kommt eine ganze Menge Dynamik in einen ansonsten sehr dialoglastigen Film.

Ein großartiger Film, 4,5/5 Sternen, macht auf jeden Fall Lust auf mehr von Lumet.

Natürlich wurde die Hausaufgabe erledigt :wink:

Also hier auch meine kurze kleine „Kritik“ zum Film

Angriffsziel Moskau

Regie: Sidney Lumet

USA 1964

KinoPlus Hausaufgabe

Angriffsziel Moskau ist ein stark besetzter und spannend erzählter Politikthriller, der die Geschichte von technischem Versagen und menschlicher Unzulänglichkeit in Zeiten der Atomaren Wettrüstung erzählt.
Der Film finden fast ausschließlich als Kammerspiel statt ,der zwischen den einzelnen Schauplätzen hin und her springt und in verschieden Diskussion immer wieder die Frage aufwirft wie viel ein Menschenleben eigentlich wert ist oder wie ein einzelnes aufzuwiegen ist.

Mich hat der Film bis zum Schluss an den Bildschirm gefesselt und Lust darauf gemacht mir nach Jahren mal wieder Dr Seltsam anzugucken.

Vielen Dank für diese Hausaufgabe, durch die ich diesen Film erst entdeckt habe. Hier mal meine Kritk dazu:

Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, als die Angs vor der nuklearen Apokalypse auf Grund der Kuba-Krise wohl immer noch allgegenwärtig war, schuf Meisterregisseur Sidney Lumet Angriffsziel: Moskau , der nicht nur damals, sondern auch heute noch extrem spannend inszeniert ist und zeigt, wie gefährlich Automatismen und blindes Vertrauen in die eigenen Strukturen sein kann.

Dabei beweist Lumet erneut seine große Stärke, durch die auch schon „Die 12 Geschworenen“ für mich zu einem zeitlosen Meisterwerk wurde: mit so simplen Dingen wie Dialogen erzeugt er hier eine immense Spannung und einen Sog, der einen quasi ins Geschehen hineinzieht. Ohne irgendeine Action-Szene wird hier die Bedrohung eines Atomschlags und dem Versagen von Technik gezeigt, wodurch man wie gebannt vor den schwarz-weißen Radarbildschirmen sitzt und fasziniert blinkende Punkte und sich bewegende Dreiecke beobachtet.
Die Tragweite der Ereignisse wird mit wenigen inszenatorischen Mitteln geschildert und fast jede Szene trägt zur erzeugten Spannung und Atmosphäre bei.

Zwar versucht man zu Beginn noch, den Figuren etwas Hintergrund zu geben, dennoch bleiben diese Großteils sehr eindimensional und wirken eher wie Paradebeispiele und Stereotypen für ihre Funktionen, als wie echte Menschen. Dies ist aber auch einer der ganz wenigen Kritikpunkte, den ich an diesem Film anbringen kann und auch wenn die Figuren nicht unbedingt gut ausgearbeitet sind, werden sie dennoch großartig gespielt, egal ob von Larry Hagman, Walter Matthau oder auch Henry Fonda, der mich nach „Die 12 Geschworenen“ erneut in einem Lumet-Film mehr als nur überzeugen konnte.
Zudem finde ich es schon bemerkenswert, wie es Lumet hier schaffte, für keine Seite Partei zu ergreifen, oder eine besser als die andere dar stehen zu lassen. Sowohl auf Seiten der Amerikaner, als auch der Russen gibt es Figuren die sich vernünftig und in ihren jeweiligen Situationen nachvollziehbar verhalten und durch deren Taten das Gesehene umso intensiver bei mir wirken konnte.

Über das Ende und so manche Entscheidung, die der Film zum Finale hin trifft, lässt sich sicherlich streiten, ich mochte aber vor allem die Konsequenz, die der Film an den Tag legte und auch nicht davor zurückschreckt, drastische Entscheidungen treffen zu lassen!

Lange ging „Angriffsziel: Moskau“ komplett an mir vorbei und ohne die Hausaufgabe von Kino+ wäre ich wohl auch lange nicht auf ihn gestoßen, nun bin ich aber sehr froh, in gesehen zu haben!
Obwohl ich erst 3 Filme von Sidney Lumet gesehen habe, bin ich immer mehr beeindruckt von seinem Schaffen, denn auch wenn dieser Film für mich nicht an das Meisterwerk „Die 12 Geschworenen“ heranreicht, ist es ein wirklich beeindruckender und für mich absolut Zeitloser Thriller und ein perfekter Antikriegs-Film, der komplett ohne Kriegs-Szenen auskommt!

4,5 von 5 Sternen

Und an dieser Stelle auch mal ein großes Danke an euch für die vielen Empfehlungen und Filmtipps, auf die ich ohne euch wohl nie gestoßen wäre!
Vielen Dank und Liebe Grüße aus Tirol
Martin

1 „Gefällt mir“

Eine Kino+ Hausaufgabe:

Bei Angriffsziel Moskau (1964) geht es darum, wie durch einen technischen Fehler bei einem amerikanischen Bombengeschwader ein nuklearer Angriff auf Moskau ausgelöst wird.
Dieser Film präsentiert viele gut durchdachte Ideen über Atomwaffen, den Kalten Krieg, die verschiedenen politischen Ideologien, die menschliche Natur an sich und eine überzeugende Darstellung dessen, was in den 60er Jahren hätte passieren können, wenn etwas schiefgelaufen wäre.
Was diesem Film jedoch fehlt, ist die emotionale Verbindung zu den Charakteren.
Das einzige Mal, wo ich irgendwas in diesem Film gefühlt habe, war, als die Frau des Bomberpiloten über Funk schrie und ihren Mann verzweifelt anflehte seine Mission abzubrechen.
Zusätzlich hatte der Film ein Problem mit flachen Charakterisierungen, das alle Charaktere außer dem Professor Groeteschele, der echt gut gespielt wurde von Walter Matthau, betraf.

Angriffsziel Moskau (1964) bekommt 3.5/5 Sterne von mir.

Angriffsziel Moskau

Den Film gab es bei Prime nur synchronisiert. Eigentlich würde mich ja auch mal die Originalfassung interessieren, ich meine, da spricht ja schließlich der US-Präsident während des kalten Kriegs mit Russland. Da ist die Wortwahl durchaus spannend, könnte ich mir vorstellen.

Ansonsten wurde ich ziemlich gut unterhalten, nur das Ende hätte meiner Meinung nach noch einen Hauch drastischer dargestellt werden können.

3,5 / 5

Angriffsziel Moskau
(ggf. andeutende Spoiler)

Hier wurde mit wenig Szenenaufwand und hochklassigen Schauspielern eine zwar hypotetische aber nicht zu weit hergeholte Konfliktsituation des Kalten Krieges geschildert.

Eine US Bomberstaffel hat sich aufgrund eines technischen Fehlers zum Angriff nach Moskau aufgemacht, kann aber wegen strenger militärischer Protokolle nicht mehr zurückgerufen werden. Um die unweigerliche Eskalations zu verhindern setzt sich der US-Präsident mit dem Generalsekretär der Sowjetunion in Verbindung.
Das der Film westlich geprägt ist erkennt man leider daran, dass der US-Präsident, der zwar den Fehler offen zugibt, dennoch als Verhandlungs und Moralführer dargestellt wird - was der Situation nicht unbedingt angemessen ist. Allerdings musste ich seinen letzten Vorschlag zur Deeskalation auch erstmal verdauen.

In anderen Rezensionen lese ich dass das Ende offen geblieben sei, wer aber genau hinhört weiß bescheid :wink:
Ich kann den Film trotz seines Alters jedem empfehlen und bin froh diese Perle nicht verpasst zu haben. Spannender gehts kaum.

7 / 8

Ich wollte nur mal drauf hinweisen, dass alle die noch die Hausaufgabe machen wollen, der Film auf Amazon Prime nur noch bis zum 14. Juni verfügbar ist.

Angriffsziel Moskau

Irgendwann vor bestimmt 15 Jahren im Zuge meiner eigenen Lumet-Wochen gesehen (damals 8/10 auf IMDb).

Angriffsziel Moskau ist wahrscheinlich der beste Antikriegsfilm, der keine Bilder von der Front bietet.

Fast wie in einer Reportage schauen wir den Machthabern der USA dabei zu, wie sie versuchen ein versehentliches Unheil zu vermeiden, welches kaum noch zu verhindern ist.

Lumet kann Kammerspiel, das wissen wir seit 12 Angry Man, aber wie er dies hier auch in einen Politthriller verpackt ist wirklich herausragend. Man fiebert wirklich mit, kann jede Sichtweise nachvollziehen und hofft irgendwie auf das Beste. Die Szenen wie das Telefonat des amerikanischen und russischen Staatsoberhaupts, des Colonels, der es abwenden möchte oder der schonungslosen letzten 30 Minuten. Unglaublich intensive Szenen, die einen zurecht über den Film und die Geschehnisse nachdenken lassen - Meisterwerk.

5/5

Kino+ - Hausaufgabe: Sidney Lumet ist - wie Heiko Rosner es (in dem von der Cinema veröffentlichten Sonderbuch „Regisseure - Die 25 besten und einflussreichsten Filmemacher aller Zeiten“, S. 83) geschrieben hat - ein " Meister des Politfilms" gewesen. Das wird auch in diesem intensiven, pessimistischen und unheimlich spannenden Thriller eindrücklich unter Beweis gestellt. Es ist bewundernswert, mit welchen Mitteln es Lumet gelingt, ein Schreckensszenario unter dem Eindruck des Kalten Krieges zu entwerfen, das von Anfang bis Ende fesselt, vor allem dank der grandiosen Leistungen von Fonda, Matthau, Hagman und anderen großen Schauspieler/innen. Danke, liebes Kino+ - Team für diese Hausaufgabe, die ich ohne euch wohl kaum gesehen hätte! Meisterstreich!

1 „Gefällt mir“