Kennt Ihr das Gefühl einen Film gesehen zu haben, den Ihr eigentlich großartig findet, euch aber ein Detail so sehr stört, dass Ihr ihn nicht vollumfänglich genießen könnt?
Als Beispiel käme mir da “Whiplash” in den Sinn. Einen Film, den ich aufgrund seiner Inszenierung und Schauspielleistung, die in einer Atmosphäre zum Schneiden münden, vergöttere. Aber dessen Ende und der daraus resultierenden Botschaft des Films ich zutiefst verachte.
Warum? Nun. Der Film stellt die sogenannte “schwarze Pädagogik” positiv dar. Der Hauptprotagonist erreicht seine Ziele dadurch, dass sein Mentor ihn demütigt und sogar physisch attackiert. Der Hauptprotagonist geht an die Grenzen der Belastbarkeit und zerstört sich fast selbst.
Dass ein vormaliger Schüler kurz thematisiert wird, der daran zerbrochen ist, wird schnell beiseite gewischt und wirkt wie ein Alibi, dass man sich der Problematik bewusst ist.
Meiner Meinung nach, sollte so ein Film nicht so positiv enden.
Als ich ihn das erste Mal gesehen habe, habe ich kurz vor dem eigentlichen Ende fast schon applaudiert. Ihr wisst bei welcher Szene; sagen wir es geht um einen Unfall. Weil es da kurz so aussah, als ob Miles Teller wie aus einer Trance gerissen endlich realisiert, was er sich antut und was für ein Schwein J.K. Simmons ist. Aber dann geht es ja noch weiter…
Und wenn ich mir heute nochmal ein paar Szenen z.B. auf Youtube anschaue und dann in den Kommentaren teilweise steht, wie sehr sie den Charakter von Simmons bewundern und das der Ideale Lehrmeister ist… puh, da graust es mir dann doch.
Weiß nicht obs wirklich nitpicking ist, aber Passengers wär perfekt gewesen, wenn sie den Storystrang einfach umgedreht hätten. Sprich, der Film steigt dort ein, wo Jennifer Lawrence Charackter aufwacht und erst später wird die Sicht von ihm erklärt.
Hätte einen an sich ganz guten Film mMn zu nem Meisterwerk gemacht.
Da gibts auch n sehr gutes YT Video dazu, falls es jemanden interessiert. Achtung, Spoiler (obviously).
Überlege gerade, aber bis mir was einfällt möchte ich erstmal widersprechen.
Ich teile deine Einschätzung nicht, dass “schwarze Pädagogik” positiv dargestellt wird. Im Gegenteil fände ich es langweilig, wenn es ein moralinsaures Ende geben würde wo beispielsweise ne Stimme ausm Off sagt “Aber Simmons ist doof”.
Man sieht den ganzen Film über, was das das für ne kranke Scheisse ist, die da verzapft wird. Und nur weil er am Ende dann ein geiles Solo spielt und Simmons ihn lobt, soll die Botschaft dann positiv gegenüber dieser Pädagogik sein? Seh ich nicht so, denn dann leitet man die Botschaft nur aus dem Ende ab.
Manchmal kann durch grausame Methoden/Druck/Drill eben auch etwas Gutes entstehen. Ob man diese Methoden dann für gerechtfertigt hält, kann man als mündiger Konsumentin dann für sich selbst entscheiden. Ich finde die Methoden furchtbar und ablehnenswert, den Film genial.
In dem Sinne müsstest du z.B. auch Full Metal Jacket furchtbar finden. Denn auch dort hat sich der Drill ja am Ende gelohnt, die Scharfschützin konnte liquidiert werden.
Ist ja auch gerade die etwas aktuellere Fight Club Diskussion. Was die Leute aus Kunst, in dem Fall Film, machen und interpretieren liegt dann nicht mehr zu 100% in den Händen der Produzenten. Das zieht sie natürlich auch nicht aus der totalen Verantwortung, aber es ist manchmal eine schwierige Balance. Und ich stimme zu: Filme in dem am Ende dann so eine sehr eindeutige moralische Szene oder vllt sogar erklärende Stimme kommt die den Film jetzt auf einmal erklären oder wie man das einzuordnen und interpretieren hat, können dann auch komisch und unpassend wirken. Man schaut ja in dem Fall keine Doku.
Das lehne ich ja genauso ab und würde das noch schlimmer finden. Ich habe es unten aber schon angedeutet: Der Knackpunkt ist für mich der Autounfall am Ende. Ich dachte zuerst, dass das die Erkenntnis in Miles Teller auslöst, dass sie beide zu weit gehen. Dann offenbart sich aber, dass die Szene nur nochmal einen drauf setzen will um zu zeigen, wie selbstzerstörerisch er ist, um seine Ziele zu erreichen.
Wenn er nach dem Autounfall einfach ins Krankenhaus gefahren wäre und dann endet der Film… das wäre alles andere als so plump wie ein Offtext, der “die Moral von der Geschicht´” verkündet. Also der Zuschauer bleibt mündig.
Aber man muss die Frage stellen, ab wann es das nicht mehr wert ist. Und der Film geht mit seiner Gewalt, der Demütigung und Selbstzerstörung weit darüber hinaus. Außerdem geht es ab einem bestimmten Punkt nicht mehr um die Kunst des Drummens, sondern Tellers´ Charakter will nur noch Anerkennung von seinem Mentor.
Der anerkennende Blick zwischen den beiden - also die Katharsis - am Ende rechtfertigt meiner Meinung nach die Methoden. Und das sehe ich mindestens kritisch.
Der Film ist trotzdem geil. Habe ich oben schon erwähnt.
Exakt. Und das muss man eben als Konsument selbst entscheiden. Wir sind ja beide der Meinung, dass es die Sache nicht wert ist. Für mich vermittelt dieser Film auch diese Aussage, weil er in aller Eindringlichkeit zeigt, wie abstoßend das alles ist.
Klar, aber nach deiner Lesart, wo das Ende des Films den Ausschlag gibt, wars das am Ende ja trotzdem wert.
Passiert mir relativ oft bei Horrorfilmen, zuletzt bei “Hereditary”, dessen Ende ihn für mich etwas banalisiert hat, und auch bei “Suspiria” (Neuauflage), wo ich mir am Ende nur noch “WTF?” dachte. Aber beides sind für mich letztendlich insgesamt doch sehr geile Filme, die ich bei letterboxd.com mit 4,5 Sternen bewertet habe.
Ich habe das extrem bei Vertigo von Alfred Hitchcock. Das Mystery-Konstrukt baut sich gekonnt auf, der gute Twist führt die Handlung in einer dramatische Richtung, und dann…
(Spoiler folgen) … wird Judy von einer bis dahin noch nie aufgetauchten Figur so erschreckt, dass sie in den Tod stürzt - das war es. Das Ding ist, die bisherigen Handlungsstränge einfach fallen zu lassen oder abrupt zu beenden ist sehr schwierig und funktioniert selten (z.B. bei Mulholland Drive), aber dieses absurde Ende wird dem Film einfach nicht gerecht.