Streifzug durch die Stadt

Nur ein Gedächtnisprotokoll, wenn ich das bei jemand anderem lesen würde, würde ich vielleicht denken boah alder du hältst dich für Bukowski oder was :roll_eyes: Aber was soll‘s, vielleicht ist es ja auch ein bißchen interessant oder so. Mit mir hat es aber ‚was gemacht‘ und deshalb lass ich es jetzt hier mal raus.

Ich hab seit langer Zeit mal wieder einen nächtlichen Streifzug durch meine Stadt gemacht. Ich weiß auch nicht, was genau mich dort hinzieht.

Also war ich unterwegs in ffm, in den small hours, zwischen 2 Uhr und 5 Uhr.

Ein Müllbeutel am Straßenrand bewegte sich trotz Windstille. Es waren die Ratten, die ich kurz darauf wuseln sah, ein Dutzend oder mehr.
Ich traf einen einsamen Musikanten mit einer Ziehharmonika, der sagte er übt gerade nur.
Bella Ciao, Bella Ciao …

Am Goetheplatz schien ein Lichtermeer aus mehr als 50 Kerzen. Trauerlichter. Es war ein Gedenken an die Opfer des iranischen Regimes, die ihr Leben ließen in den andauernden Protesten. Ein Streifenwagen verlangsamte die Fahrt als man mich sah und fuhr dann weiter.
Ich sah viele schlafende Obdachlose, in der U-Bahn-Station am Eschenheimer Tor und auch in den Hauseingängen zwischen Hauptwache und dem Bahnhofsviertel, wohin mich mein nächtlicher Spaziergang trug.
Ich wollte noch ein Bier kaufen und der einzige offene Kiosk war in der Elbestraße, einem Hotspot für Abhängige und deren Dealer. Im Kiosk sah ich plötzlich Nel… , eine Konsumentin, die ich von youtube-Videos kannte. Ich sagte Hallo zu ihr und wir begrüßten uns freundlich mit einem fistbump und wechselten ein paar Worte. Sie steckte sich eine Crack-Pfeife an, schien soweit relativ entspannt drauf zu sein. Dann verabschiedete ich mich und ging an dem Spalier der Dealer vorbei, die mir was verticken wollten, ich lehnte dankend ab.
Zumindest diese Sucht möchte ich mir ersparen. Eine junge, hübsche Frau fragte mich noch nach etwas Geld für einen Drink. Hatte nichts mehr außer drei Pfanddosen und gab wenigstens diese ihr, weil ich es nur zu gut kenne, wenn man den letzten Drink für die Nacht braucht.
Das ist also der ‚gefährlichste Ort Deutschlands‘ dachte ich. Sicher fühlt man sich dort nicht, ich will nichts beschönigen. Aber ich konnte unbehelligt wieder nach Hause laufen. Ich fühlte mich irgendwie… frei? Ein ganz seltsames Gefühl, aber ich war auch Teil dieser Stadt, mit all den Nacht-Menschen, noch nicht ganz verloren, am Leben, in einem Zwischenreich der anbrechenden Dämmerung zum Tage. Diese Leute sind mir gefühlt näher, als die Banker und Familienväter, die Bausparer/innen oder die pöbelnden Partygänger im Amüsierviertel von Alt-Sachs.

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Schönes Protokoll, Frankfurt hat Nachts wirklich eine ganz eigene Atmosphäre, merke ich jedes Mal

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