Die Debatte heute ist auf jeden Fall sehr wichtig.
Ich denke, Harris hat hier riesige Chancen, einen, zwei Punkte zu gewinnen, was in der Momentanen Situation auf jeden Fall sehr viel wäre.
Viele Wähler denken nach wie vor, sie wissen nicht wofür Harris steht und was ihre Policy-Ideen sind. Diese Leute frustrieren mich inzwischen etwas, denn:
- ich habe nicht den Eindruck dass diese Leute sich viel Mühe machen herauszufinden, wofür Harris steht. Ihr habt das Privileg (für den Moment noch) in einer Demokratie zu leben. Vielleicht solltet ihr euch einfach mal ein bisschen damit befassen?
- weiss jemand, was TRUMP‘s Policy-Ideen sind? Denn der Mann redet kaum mehr wirklich über detailierte Ideen. Vielleicht sollte man die Double Standards mal etwas runter schrauben. Harris könnte sicher detaillierter sein, wenn es um ihre Pläne geht, aber MEINE GÜTE, wieso redet niemand davon, wie wenig wir von detaillierten Trump-Plänen gehört haben?
Aber ok…
Harris muss unfairerweise eine ganz andere Hürde klären als Trump. Ist nunmal so.
Sie wird dem Land erklären müssen, was genau ihre Pläne sind.
Sie wird eine Gradwanderung machen müssen, zwischen Credit für Biden‘s Administration zu nehmen und sich gleichzeitig von den unpopulären Elementen von Biden zu distanzieren.
Sie wird auf jeden Fall Antworten auf all die Dinge haben müssen, wo sie ihre Meinung über die Jahre geändert hat.
Ach, und sie muss Präsidentschaftlich aussehen. Das heisst, stark und selbstbewusst rüberkommen, ohne genervt oder frustriert zu wirken, wenn sie kritisiert wird. Gerade dieser letzte Punkt war in der Vergangenheit nicht immer gerade ihre Stärke. Ich mache mir da weniger sorgen, dass sie gegen Trump nicht die Coolness bewahren kann, sondern mehr dass sie gegen den Moderatoren schiesst, wenn sie sich angregriffen fühlt. Ausserdem habe ich Angst, dass sie „einstudierte Momente“ hat. Zum Beispiel Momente wo sie einen cleveren Satz geübt hat, den sie bringen will, wenn Trump sie versucht zu unterbrechen. Und die werden mit 99%iger Sicherheit auf der Live-Bühne flach fallen und cringe aussehen.
Und Trump…
Nun, ehrlich, keine Ahnung was die Leute von ihm wollen. Es gibt zwei Optionen. Entweder kommt er wieder wie der unausstehliche Bully auf die Bühne, der einfach nur den Gegner angreift ohne selber was kohärentes zu sagen. Oder aber er versucht präsidentschaftlich zu wirken und mit substanziellen Punkten zu gewinnen. Die erste Option wäre sicher nicht gut für ihn, die zweite schon… WENN er das hinkriegt.
Was ich bezweifle.
Ich bin generell optimistisch für diese Debatte.
Trump hat mental extrem abgegeben und seine Unsicherheiten sind noch viel extremer geworden als sie es je waren. Er kann kaum mehr kohärente Sätze zusammen knüpfen, vor allem wenn er schlechte Laune hat. Und ihn in schlechte Laune zu versetzen ist einfach. Harris darf ihn nicht zu sehr angehen, die Wähler wollen sehen dass SIE die Erwachsene auf der Bühne ist. Aber ein, zwei Nadelstiche wären schon gut. Denn das würde Trump wütend machen und ein wütender Trump ist ein undisziplinierter Trump. Und ein undisziplinierter Trump ist ein schimpfender Trump der kaum mehr irgendwelchen Fokus auf die Themen hat.
Und hier kommt die Mikrofongeschichte ins Spiel.
Vor der Debatte war die Frage, ob die Mikros bei den Kandidaten die gerade nicht reden eingeschalten sein sollen oder nicht. Trumps Team bestand darauf, dass sie ausgeschaltet sein sollen, weil sie genau wissen wie undiszipliniert Trump ist…
Nur: ich weiss nicht ob ihnen das hilft.
Trump unterbricht seine Gegner aus zwei Gründen:
- um seine Gegner aus dem Konzept zu werfen
- weil ER eine sehr unsichere Person ist und jeden Angriff auf sich selber sofort korrigieren muss.
Der zweite Punkt ist hier wichtig. Man soll Trump bei den Debatten mal beobachten. Sobald ihn jemand angreift MUSS er zurückschlagen. Sofort. Denn er scheint diese Angst zu haben dass jede Beleidigung auf die er nicht sofort reagiert als ein Fakt gegen ihn stehen bleibt.
Nur kann er das nicht machen, wenn sein Mikrofon ausgeschaltet ist. Das heisst, wenn Harris eine ihrer Antwort mit einem Nadelstich gegen Trump ANFÄNGT (zum Beispiel andeutet, dass er ein Thema intellektuell nicht versteht), dann muss Trump für eine Minute da sitzen und in seinem Frust kochen, dass er nicht reagieren durfte… und wenn das passiert, dann wird er dann SEINE Antwortzeit damit verschwenden, diesem Ärger Luft zu machen, ohne etwas substantives zu sagen.
Darum denke ich, dass die ausgeschalteten Mikros für Trump eine massive Gefahr bergen kann.
Zu den Themen:
Harris politische Ansichten sind generell beliebt. Sie hat eine Housing-Politik, mit der sie punkten kann, denn das ist etwas was die Bevölkerung durchaus beschäftigt. Sie will gegen Price Gouging vorgehen. Da muss sie aufpassen, dass sie eine vernünftige Antwort auf die „kommunistische Preiskontrolle“ Angriffe hat, welche ohne Zweifel kommen werden. Die Idee die sie da hat ist insgesamt beliebt bei der Bevölkerung, aber sie muss aufpassen, wie sie sie verkauft.
Allerdings sind das zwei gute Punkte für sie, denn diese Punkte behandeln das Problem der extremen Lebenskosten der Bevölkerung, welche für die Wähler eines der wichtigsten Probleme ist. Da konkrete Pläne zu haben wird ihr helfen.
Bezüglich Gesundheitswesen und Unionen kann sie eigentlich nur gewinnen, da hat die Biden-Regierung einen guten Track Record, und sie hat da viel Vertrauen in der Bevölkerung. Und natürlich die Abtreibungsdebatte, da kann sie absolut punkten.
Wo Harris vorsichtig treten muss ist Immigration, Israel/Palästina und Inflation.
Bezüglich Immigration hat sie eine massive Schwäche. Der „border Czar“ Angriff der Republikaner scheint sich einigermassen hartnäckig zu halten. Die Verteidigung für sie war immer, dass sie gar nicht der Border Czar war, sondern dass ihr Job war die untergeordneten Gründe für Migration zu untersuchen… aber diese Erklärung scheint nur nicht so richtig zu ziehen UND es würde sie auch sehr, sehr in die Defensive gedrängt sehen, wenn sie versucht da ihren Job besser zu erklären. Ihre beste Option bleibt da, darauf zu bestehen, dass Trump und die Republikaner einen ofenfertigen Deal geköpft haben.
Israel/Palästina ist vermutlich ihre grösste Schwäche. Sie getraut sich einfach nicht, einen härteren Stand gegen Netanyahu einzunehmen und ich bin nicht ganz sicher warum. Auch wenn ein grosser Teil der Amerikanischen Bevölkerung pro-Israel sind, diese Leute sind NICHT pro-Netanyahu. Und sie sind auch nicht dafür, wie Netanyahu den momentanen Krieg angeht. Da wäre also durchaus ein Fenster offen, klar eine Stellung zu beziehen, welche die jungen pro-Palästina-Wähler etwas mehr auf ihre Seite ziehen würde. Ja, dieses Thema braucht eine vorsichtige Gradwanderung, aber was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass sie diese im Moment noch nicht richtig gefunden hat.
Inflation ist das Thema, wo die Biden Regierung am schlechtesten dasteht, und Trump am besten. Hier würde ich sagen: 99% der Wähler verstehen das Thema zu wenig, um wirklich urteilen zu können, wo das Problem liegt und wie man es angehen kann… weswegen es hier wichtiger ist, dass sie Zuversicht und Kompetenz PROJIZIEREN kann… egal, was sie genau inhaltlich sagt. Ich wünschte mir, ich müsste hier nicht so zynisch sein, aber wenn mich das letzte Jahr etwas gelehrt hat, dann dass bei diesem Thema spezifische, konkrete, substantive Vorschläge und Diskussionen vergebene Liebesmühe ist. Sie muss sich als jemand präsentieren können, die das Problem lösen kann. Das ist alles, was es da braucht.
Trump wiederrum hat bezüglich Themen halt wirklich nur die Stärke, dass ihm Leute bezüglich gewisser Themen einfach vertrauen.
Wirtschaft und Immigration, da trauen ihm die Leute. Gibt keine konkreten Gründe, wenn man die Wähler fragt warum, dann sagen sie einfach „unter ihm war es besser“ und ziehen dann den Schluss, dass es WEGEN ihm besser gewesen war.
Und darauf wird er bauen.
Wir werden nicht viel konkretes hören, lediglich Angriffe auf die andere Seite. Und er wird dann hundert mal sagen, dass ER es „fixen“ kann… wie genau, nun, das kannst du dir selber ausmalen.
Die konkreten Vorschläge die er hat… nun, ich HOFFE, dass er diese präsentiert, denn die sind alle Katastrophal für ihn.
Massenhaft riesige Tarife auf alle Importgüter. Wäre eine Katastrophe für die Preise all dieser Güter und das Gute hier ist: das ist so intuitiv eine Katastrophe für den Durchschnittsverbraucher, dass das für Harris ein riesiger Angriffspunkt ist.
Trump will auch mehr Öl Produktion fördern. Auch hier, gute Angriffsfläche für Harris bezüglich Umwelt UND wieder ein Gebiet wo Trump sich dann wieder selber verwirren wird. Ein Rant über tote Vögel unter Windmühlen ist durchaus auf meiner Bingokarte nur… ausserhalb einer kleinen Gruppe seiner Anhänger bei Rallies zieht der Unsinn einfach nicht.
Die Abtreibungsdebatte wird für ihn auch schwierig sein zu manövrieren. Da hat er jetzt bezüglich der Florida-Gesetze mehrmals seine Position gewechselt und er kann da einfach den richtigen Ton nicht treffen, primär weil er darauf bestehen muss, dass die Abschaffung von Row etwas war „was alle wollten“… und die Bevölkerung weiss einfach, dass dem nicht so ist.
Ausserdem hat er da jetzt versucht zu überkompensieren und hat jetzt versprochen, dass der Staat für IVFs bezahlen soll… ein „Vorschlag“ der so wenig und schlecht durchdacht ist, dass Trump auf der Bühne sehr, sehr dumm aussehen wird, wenn er darauf angesprochen wird.
Alles in allem sehe ich nicht sehr viel Spielraum für Trump bei den Themen sehr gut zu punkten. Seine beste Option hier ist, dass er sich von konkreten Antworten fern hält und sich mit unspezifischen Buzzwörtern durch die Debatte schlängelt.
Das letzte Thema, wo ich vermutlich das grösste unausgeschöpfte Potential für Harris sehe im Moment:
Waffengewalt und Massenschiessereien.
Im Moment (leider) wieder ein grosses Thema in der USA. Und die Bevölkerung ist aufgewühlt… vor allem im Swing State Georgia.
Die Demokraten haben hier eine klare Position die sie beziehen können. Bessere Waffenkontrolle, weniger Waffen, vor allem weniger halbautomatischer Schusswaffen. Wenn Harris das gut kommuniziert, dann wird sie hier punkten können.
Und ich glaube auch, dass Trump hier das grösste Fettnäpfchen hat. Denn ich glaube nicht, dass er hier eine gute Lösung hat und es gibt hier nur negative Optionen für ihn.
Entweder, er spricht sich für bessere Waffengesetze aus, was (wie schon bei der Abtreibungsdebatte) den halt seiner treuen Wählerschaft aufweichen würde und er dann nächste Woche wieder zurückrudern müsste.
Oder aber er gibt ALLEM ANDEREN die Schuld. Und dann kriegen wir einen netten Rant gegen geistig kranke Menschen, Schulhaustüren, Videospiele, und alles mögliche… was dann wiederrum alle Wähler wütend machen wird, die die Schnauze voll haben von all diesen Ausreden.
Ausserdem wäre es SO EINFACH für Harris darauf eine Antwort zu finden.
„Nein Donald. Alle anderen Länder haben duese Dinge auch, nur WIR haben diese Massenschiessereien“.
Ist ein Argument welches oft gebracht wird… weil es halt einfach sehr einleuchtend ist.
So oder so, ich sehe das für Trump als ein absolutes Mienenfeld und er hat das Feingefühl nicht, sich da durchzubewegen.
Alles in allem sehe ich diesen Abend für eine echte Chance für Harris. Ihr grösstes Problem ist, dass von ihr viel mehr erwartet wird als von Trump. Ist unfair, aber eine Realität.
Ihr grösster Vorteil ist, dass Trump bei diesen Debatten einfach nicht gut aussieht. Viele Leute vergessen, wie schlecht Trump bei der ersten Debatte gegen Biden aussah. Trump stand auf der Bühne und machte Achselfurze, aber er sah dabei Kompetent aus, weil Biden neben ihm zu Staub zerfiel. Wenn Trump nicht eine Kurskorrektur hinkriegt, dann könnte er heute Abend SEHR schlecht aussehen.