seit kurzem ist ja das neue Die Ärzte Album draußen und ich muss sagen, dass ich es (endlich mal wieder) großartig finde und die drei fast zu alter Stärke zurückgekommen sind.
Die meisten Lieder sind klasse und die Gags zünden auch ganz gut.
Und weil ich leider momentan dank Corona nicht mit meinen „klassischen“ Musikdiskussionsfreunden darüber schnacken kann, müsst ihr jetzt dran glauben.
Und zwar bin ich über Woodburger ein wenig „traurig“.
Aus mehreren Gründen:
Musikalisch
Das Lied könnte so ein Brett sein! Das Album kommt mir in Gänze leider etwas zu unrockig rüber, aber das stört durch die Stärke der Songs nicht allzu sehr. Doch „Woodburger“ könnte eigentlich genau den Dampf machen den das Album noch braucht. Die Musik geht super nach vorne, der Text ist inhaltlich großartig, so stark geschrieben wie lange nichts mehr und fügt sich perfekt in die Musik. Das ganze Lied peitscht einen richtig nach vorne und dann wird im Refrain so „abgedriftet“…
Durch diesen musikalischen Bruch macht es keinen Spaß das Lied zu hören (auch wenn es in den Strophen mit das Beste ist, was ich je von Die Ärzte gehört habe). Man groovt sich in der Strophe in den fetten Sound ein, geht mit und dann bremst man von 180 auf 30 und tuckert ewig durch den Refrain.
Das ist so viel verschenktes Potential, einfach um einen Gag zu setzen.
„Politisch“
Ich bin bei weitem kein Freund von Political Correctness und finde auch, dass eine Band die sich selbst (wenn auch leicht ironisch) das Label „Punk“ aufklebt nicht politisch korrekt sein muss, aber dennoch gefällt mir die Art, wie im Refrain das „Schwul“ musikalisch und stilistisch untermalt wird, einfach nicht.
…und ich check auch nicht, warum es so gestaltet wurde.
Für den Gag an sich hätte man diesen seichten Säuselsound nicht gebraucht.
Das erinnert noch an die Zeit in der man mit Schwulen ein „tuckiges“ Verhalten assoziiert hat, wo dann jemand für den schnellen Lacher näselt und die Hand abknickt.
Ich habe einen Freund, der schwul ist und der versteht auch echt jede menge Spaß, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass der das Lied feiert, weil es schon so einen gewissen „schwul“ heißt „tuckig“ Vibe rüberbringt.
Bin ich da zu empfindlich geworden?
Taktisch?
Ich kann mir aufgrund der Punkte 1 und 2 nicht vorstellen, dass „Woodburger“ als Single rauskommt. Dabei wäre es so geil gewesen wieder mal ein Lied im Radio und sonstwo zu hören, dass mit einer deutlichen und klaren Message rüber kommt.
Und ich hätte gefeiert, wenn der Track im Refrain musikalisch und textlich das gleiche Brett gewesen, die Charts hochklettert wäre und die ganzen besorgten Bürger da draußen sich das Lied „überall“ hätten anhören müssen und daran erinnert werden, dass ihre Denke nicht gesellschaftsfähig ist.
Jetzt kann man natürlich sagen „Tja, das sind halt Die Ärzte. Die arbeiten nicht sinnvoll und kalkuliert, sondern machen einfach Dinge aus purer Freude am Chaos.“, aber obwohl mir das Album so gut gefällt, ärgere ich mich jedes mal wenn das Lied kommt und skippe weiter.
Wie steht ihr dazu? Wie gefällt euch das Lied? Habt ihr es mehr als 2-3 Mal gehört und findet es immer noch gut?
Hätte euch eine durchgerockte Version besser gefallen?
Und vor allem: bin ich zu empfindlich geworden was den respektvollen Umgang mit Sexualität angeht?
Ich danke euch schon mal für eure Meinungen.
Und für alle die das Lied nicht kennen, aber mitreden möchten:
Vorne weg, ich mag das neue Album nicht besonders. Es ist solide, aber reißt mich nicht vom Hocker. Nun aber zu dem Song.
Musikalisch, stimme ich dir voll zu. So ein Brett wie „Schrei nach Liebe“, der gerade im Refrain alles nach vorne prescht hätte mir bei dem Song auch besser Gefallen.
Bei Punkt zwei. Ich sehe das nicht so politisch. Ich glaube das die mit der Wortwahl sich bewusst dafür entscheiden haben. Und sich damit auf das Niveau der Idioten herab geben um zu verdeutlichen wie bescheuert deren Ansichten sind, aus Sicht einer Punkrock Band. Quasi eher eine Art von Ironie.
Aber, ja… Ist nur reine Vermutung.
Zum Punkt 3. Ein Song zu diesesem Thema musste einfach sein. Ich glaub das hätten sie sich nicht nehmen lassen. Das der musikalisch bei dir und mir nicht ankommt, kann auch rein Geschmack sein, wie es eben bei Kunst so ist…
Ich bin da ganz bei dir. Habe beim ersten hören laut gelacht, weil es so unerwartet war. Das war wohl auch alles was sie damit erreichen wollten. Mit einem „normalen“ Refrain (Text und Musik) wäre das wohl einer meiner Lieblingssongs vom Album geworden und in meiner Playlist gelandet.
Ach, ich mag den Song und find ihn sogar als beste Nummer aufm Album. Im Radio würde der auch bei anderem Refrain niemals laufen, mit soviel Rock und politischer Meinung kommt der Durschnittsshörer nicht klar, sowas läuft dann mal ne Woche und verschwindet danach wieder von den Hauptsendern für was leichter bekömliches… Musikalisch wär noch mehr drin gewesen (Refrain zieht sich tatsächlich), aber ist halt ne Rausschmeißernummer, da letzter Track, insofern ok. Wenn der zweite Refrain wieder rockiger gewesen wäre, würde ich ihn als eine ihrer besten Nummern einstufen.
Politisch seh ichs auch nicht so eng, die Ärzte sind ja wirklich schon immer gezielt etwas polarisierend (man denke da an Geschwisterliebe ), aber niemals homophob o.Ä.
Ja find den Song auch ein wenig verschenkt. Finde ihn so im Kontexts des gesamten Albums ganz lustig aber wandert bei mir nicht in die normale Playlist.
Ich vermute, dass sie ‚schwul‘ genommen haben weil die meisten im Song angesprochenen Leute sehr konservativ sind und es die auf die Palme bringt damit in irgendeiner Form in Kontakt gebracht zu werden.
Find das Album insgesamt ganz gut, glaube aber weil Madsen knapp 2 Wochen vorher so ne geile Punk Platte rausgebracht hat die mich begeistert hat, muss sich das Ärzte Album für mich persnönlich da so ein bisschen dran messen und im Vergleich find ich es nicht so stark. Aber mal abwarten wie es in einigen Monaten aussieht. Ein paar Songs nehm ich auf jeden Fall mit.
Nee, als Homophob habe ich das Lied auch nicht empfunden.
Könnte ich mir bei den dreien auch nicht vorstellen. Wer Rock Rendezvous singt, der kann nicht wirklich Homophob sein.
Und genau da sehe ich quasi mein Kernproblem aus Punkt 3.
Ich glaube nämlich, dass so ein Track sehr wohl eine Chance hat, wenn er von Die Ärzte kommt. Klar, alle anderen Bands wären ruck zuck raus. Aber Die Ärzte sind in Deutschland einfach eine Institution. Die sind keine Randband. Die haben inzwischen X Generationen geprägt und bewegt. Wenn die so ein Stück bringen, dann hat es das Potential sehr lange im Radio präsent zu sein…
Ja, so sehe ich das auch. Wenn nicht sogar eins meiner Top 30 Lieder von Die Ärzte.
Aber so glaube ich kaum, dass jemand sagt „Joa, den Gag will ich mir heute noch 6 mal geben, das kommt auf meine aktuelle Playlist!“.
Zu dem Thema find ich das auch völlig i. O. bzw. gut. Aber dieser krasse musikalische Bruch macht es einfach nahezu unhörbar. Es lässt sich halt nicht rund hören. :-/
Hmm… die Idee war also quasi mit dem „schwul“ in der Form zu „drohen“, wie die Homophoben das schwulsein empfinden um es für die noch bedrohlicher wirken zu lassen?
Also bewusst einen Fokus auf das „tuckige“ legen, um denen davor noch mehr Angst zu machen? XD
Das klingt irgendwie einleuchtend…
Aber trotzdem bleibt, dass mich der Bruch in der Musik zu sehr stört um es öfter, geschweige denn regelmäßig, zu hören.
Ja, das Ding von Madsen ist punkiger und kracht mehr, aber trotzdem finde ich das Album von Die Ärzte gelungener.
Aber dennoch endlich wieder ein Madsen Album das sich gut hören lässt.
Nicht unbedingt drohen sondern eher andeuten das diese Tendenzen bei denen schon da sind.
Und bei den typischen Woodbuergern würde ich erwarten, dass die mit der Unterstellung schwule Tendenzen zu haben nicht leben können und sie das…nun ja…wütend macht.
Aber ich find es auch etwas komisch, Sexualität hat ja erstmal nichts mit politischen Meinungen zu tun. Vllt ist aber auch das der Gag. Normale Leute sehen darin gar keinen Vorwurf oder fragen sich nach dem Sinn und Idioten nehmen es als Beleidigung.
stimme dir in allem zumindest ein bisschen zu. macht spaß, dann kommt der refrain. der ist lustig, aber stoppt den schwung, ist nicht wirklich melodisch brauchbar.
auch, dass hier „schwul“ so genutzt wird, um sich über jemanden lustig zu machen, kann man hinterfragen.
allerdings geh ich da nicht so weit wie du, den verdacht allzu ernst zu nehmen, dass es ein problem ist.
frag doch bitte mal den kumpel, über den du sprichst. quasi baust du ein argument im namen seiner empfindungen dazu, kennst die aber gar nicht. liest sich etwas blöd.
es soll ja gewisse leute angreifen. dazu ist es egal, ob man selbst das gesagte wirklich als beleidigend oder sonst wie lächerlich empfindet, solange es für die, die man beleidigen will, genau so eingeordnet wird. und den typischen afd-wähler ordne ich zumindest schonmal homophober ein als den typischen nicht-afd-wähler.
Ja, da hast du schon recht, dass die Ärzte in Deutschland ne Institution sind und mehr Freiheiten genießen. Glaube aber auch auch, dass man für einen Radiohit neben dem Refrain auch einige Textstellen in den Strophen abändern müsste. Das würde den Song in seiner Ausdruckskraft leider etwas verhunzen. Viele Radioanstalten geben sich flippig, sind aber im Kern so konservativ wie ne Burschenschaft beim Sonntagsausflug aufm CSU-Parteitag . Bis heute werden ja Liedtexte im Nachhinein geändert, um bei Hits noch mehr Erfolg zu haben.