Zu der Frage ob sich Witze über marginalisierte Gruppen negativ auf diese auswirken können, gibts auch schon viel Arbeit in der Soziologie, Philosophie und Psychologie zu. Besonders wenn es um Witze geht die ein Stereotyp ansprechen und reproduzieren.
Gerade die Stereotypenforschung ist da schon super weit und befasst sich damit auch nicht erst seit gestern.
Stereotypen können auf Menschen in einer direkten Form verletzend und diskriminierend wirken, z. B. wenn einer Frau gesagt wird, sie sei “zu emotional” für eine Führungsposition. Sie können aber auch auf anderen Ebenen für Probleme bei betroffenen Gruppen sorgen.
Die Stereotypenbedrohung oder auch “Stereotype Threat” genannt kann etwa dafür sorgen, dass von negativen Stereotypen betroffene Personen schlechtere Leistung zeigen und/oder Stress, Unsicherheit und Selbstzweifel verspüren (Goguen, 2016).
Zu Beginn der Forschung an diesem Phänomen lag der Fokus zunächst auf den schulischen Leistungen von Schwarzen Schüler:innen in den USA (Steele, 1995). Hier stellte Steele (1995) durch eine Studie fest, dass es einen erkennbaren Zusammenhang zwischen einem Leistungsabfall der Proband:innen und der vorherigen Aktivierung von Stereotypen gibt. So sorge die Existenz des rassistischen Stereotypes, Schwarze Schüler:innen seien weniger intelligent, in Tests und Aufgaben, bei denen Leistung im Vordergrund steht, für einen Leistungsabfall, besonders wenn im Vorhinein über das Stereotyp gesprochen wurde. Bei Tests, bei denen Leistung nicht im Vordergrund stand und den Schüler:innen gesagt wurde, dass es hierbei um die Sammlung von unterschiedlichen Lösungsansätzen gehe, gab es keine oder deutlich weniger erkennbare Leistungsabfälle (Steele, 1995).
Mit fortlaufender Forschung konnte Stereotypenbedrohung auch in zahlreichen anderen Zusammenhängen und sozialen Gruppen festgestellt werden (Vollmeyer & Hermann, 2021). Gerade Frauen seien bei männlich konnotierten Situationen und Aufgaben wie Einparken, sportlicher oder auch mathematischer Leistung von Stereotypenbedrohung betroffen. Im Gegenzug würden Männer in solchen Situationen indirekt aufgewertet und es ließe sich ein “Stereotype Lift”-Effekt beobachten, welcher zu besseren Leistung führe (Vollmeyer & Hermann, 2021).
Der sogenannte “underperformance effect” ist die bekannteste Folge von Stereotypenbedrohung und beschreibt explizit den ungewollten Leistungsabfall in Folge einer bewussten oder unbewussten Aktivierung von Stereotypen (Goguen, 2016). Diese Leistungseinbrüche erklärt die Stereotypenbedrohungstheorie mit der Angst Betroffener, negative Stereotype ungewollt zu bestätigen oder mit entsprechenden Erwartungen bewertet zu werden (Steele, 1995). So wird angenommen, dass z. B. Frauen und Mädchen aufgrund von belastender Gedanken und erhöhtem Stress durch die Stereotypenbedrohung während eines Mathetests weniger Kapazitäten haben, um ihre volle Leistung auszuschöpfen (Vollmeyer & Hermann, 2021). Auch Steele (1995) beschrieb bereits bei der Beobachtung Schwarzer Schüler:innen Gefühle von allgemeiner Unsicherheit, Stress und Selbstzweifel, die mit diesem Phänomen einhergehen, aber zu dem Zeitpunkt noch nicht ausreichend messbar waren.
Aktuelle Forschung im Bereich der Psychologie bestätigt weitere Arten von Nebeneffekten neben dem klassischen “underperformance effect” wie allgemeine Unsicherheit, Stress, und Selbstzweifel (Goguen, 2016). In der Stereotypenbedrohungsforschung wird gerade in den letzten Jahren an verschiedenen Möglichkeiten zur Intervention gearbeitet. Hierbei lässt sich in Maßnahmen zu gesteigerter Resilienz gegenüber Stereotypen allgemein und Maßnahmen zur Reduktion der direkten Bedrohung in den jeweiligen Situationen unterscheiden (Vollmeyer & Hermann, 2021).
Das passiert nachweißlich und messbar wenn man, z.B. einen sexistischen oder rassistischen Witz erzählt oder teilweise sogar betroffene Personen nur an die Existenz des mit dem Witz verbundenen Stereotyps erinnert. Gibt aber auch noch ganz andere Forschung die etwas weiter Weg von der persönlichen Ebene gehen und sich mehr auf die strukturellen Folgen konzentrieren.
Quellen:
Zusammenfassung
Goguen, S. (2016). Stereotype Threat, Epistemic Injustice, and Rationality. In Implicit Bias and Philosophy, Volume 1: Metaphysics and Epistemology (pp. 216-237). Oxford Scholarship Online. Implicit Bias and Philosophy, Volume 1: Metaphysics and Epistemology | Oxford Academic
Steele, C. M. (1995). Stereotype Threat and The Intellectual Test-Performance of African-Americans. Journal of Personality and Social Psychology, 69(5), 797-811. APA PsycNet
Vollmeyer, R., & Hermann, J. M. (2021). Ist Wissen wirklich die halbe Miete? Überprüfung der Effektivität einer Aufklärung über Stereotype Threat zur Reduktion von Geschlechtsunterschieden in Mathematik. Unterrichtswissenschaft, 49, 547-565. https://doi.org/10.1007/s42010-021-00124-9