Ich verfolge die Diskussion hier im Forum über eine gendergerechte Sprache jetzt schon seit ein paar Tagen und habe nun ein paar Minuten Zeit gefunden meinen Senf dazu zugeben.
Zuerst möchte ich sagen, dass ich die Diskussion darüber richtig und wichtig finde, da sie auf ein ernstes Problem unserer Gesellschaft – Der Diskriminierung von Frauen – aufmerksam macht und zum überdenken des eigenen Sprachverhaltens anregt. Allerdings lehne ich die Genderfizierung der deutschen Sprache, aus verschiedenen Gründen, kategorisch ab.
Zuerst muss man einmal ganz klar sagen, dass die Befürworter der gendergerechter Sprache von der falschen Annahme ausgehen, dass das generische Maskulinum sich allein auf männliche Personen bezieht und es daher diskriminiert wäre, wenn man es auch auf weibliche Personen erweitert. Aber bereits in der Grundschule lernen wir, dass das generische Maskulinum in Verwendung auf neutrale/unbekannte Personen, rein gar nichts mit dem biologisch Geschlecht zu tun hat, es sich hierbei also gar nicht um eine Diskriminierung handeln kann.
Auch den Versuchen das generische Maskulinum durch neutrale Formen zu ersetzen, stehe ich eher skeptisch gegenüber, da es in den meisten Fällen, den eigentlich inhaltlichen Sinn eines Wortes verfälscht.
“Schulkinder” ist nicht das Gleiche wie “Schüler”. Auch eine Gruppe Senioren können durchaus Schüler sein, aber sie sind keine Kinder mehr.
“Studierender” ist nicht das Gleiche wie “Student”. Jeder, der sich Wissen aneignet, also studiert, ist ein Studierender. Aber um als Student zu gelten, musst man sich erst einmal an einer Hochschule einschreiben.
Carlos Ghosn ist ein “Geflüchteter”. Doch niemand würde ernsthaft auf die Idee kommen, den schwerreichen Ex-Automanager mit einem “Flüchtlingen” gleichzusetzen.
Es gibt durchaus elegante und vor allem Sprach- und Inhaltlich richtige neutrale Formen, aber das Meiste, was einem hier als gendergerecht verkauft wird, ist schlicht und einfach Unsinn.
Mit diesen unsäglichen Gendersternchen, Unterstrich und Binnen-I, will ich erst gar nicht anfangen. Es ist mir wirklich schleierhaft, wie Jemand, der sich mit der deutschen Sprache, mit seiner Schönheit, seiner Eleganz und seinen vielen Möglichkeiten beschäftigt, diese linguistischen Verunstaltung ernsthaft für eine gute Idee halten kann. Genauso gut könnte ein Galerist den Preis und die Geschäftsbedienungen direkt auf die Arbeiten seiner Künstler schreiben, um den Verkauf zu erleichtern. Vereinfachte Funktion rechtfertigt keinen Eingriff in die freie Entfaltung geistiger Werke. Noch nicht einmal, wenn dies in guter Absicht geschieht. Wenn dem so wäre, könnten wir die Geistes- und Kunstfreiheit gleich abschaffen und nur noch genormte Arbeiten verbreiten.
Wer sich mit der aktuellen Diskussion über gendergerechten Gebrauch der deutschen Sprache befasst, bemerkt schnell, dass es in diesem Konflikt weniger um Linguistik geht, als vielmehr um handfeste feministische Ideologie.
Der Grundgedanke dahinter ist, dass durch die sprachliche erzeugte Überrepräsentanz des Mannes, die Frau quasi unsichtbar gemacht und damit diskriminiert wird. Nun muss ich leider einräumen, dass dieser Vorwurf nicht ganz von der Hand zu weisen ist.
Es ist schon ein paar Jahre her, da nahm ich zusammen mit meinen Eltern an einer Veranstaltung teil, bei der eine Redner auftrat. Worum es ging, kann ich heute nicht mehr sagen. Als Kind fand ich solche Veranstaltung eher langweilig und habe deshalb auch nur mit einen Ohr zugehört. Plötzlich begann meine Mutter sich ganz fürchterlich aufzuregen und ich fragte sie schließlich, was denn los sei. Sie erklärte mir wütend, dass der Redner es offenkundig nicht für nötig hielt, dass weibliche Geschlecht in irgendeiner Weise zu erwähnen. Ich hielt das zuerst für etwas übertrieben, hörte aber ab diesem Moment der Rede aufmerksam zu und leider wurde sehr schnell klar, dass sie absolut recht hatte. Selbst als sehr schlechter Deutschschüler, bemerkte ich problemlos, dass der Redner die Erwähnung von Frauen konsequent vermied und das in einem Ausmaß, dass man nicht mehr von einem Versehen oder schlechtem Sprachgebrauch sprechen konnte. Damals begriff ich zum ersten Mal, wie mächtig die Sprache sein kann und wie Scheiße Chauvinismus ist.
Ich denke, wir müssen nicht darüber diskutieren, dass Frauen ein gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft sind und dass sich diese Tatsache auch in der Sprache widerspiegeln sollte. Allerdings sollte das kein linguistischer Automatismus sein, denn das kann schnell zu Missverständnissen führen.
Ein paar Jahre nach der Macho-Rede leistete ich meinen Dienst beim Bund ab. Bei einem morgendlichen Appell stellte sich der neue Kompaniechef vor und begann seine Rede mit: "Liebe Soldaten und Soldatinnen!“ Jeder der gedient hat, weiß, dass für einen Soldaten die Kunst des "antreten“ darin besteht, im stehen nicht einzuschlafen. Nun kann man sich vielleicht besser vorstellen, wie ungewöhnlich es aussah, als plötzlich eine ganze Kompanie junger Männer aufgeregt, ja fast schon panisch, sich nach den weiblichen Soldaten umsahen. Schließlich griff der Spieß ein und stellte uns alle ins Achtung, um dann grinsen festzustellen, dass die Soldatinnen erst im nächsten Monat ihren Dienst antreten würden.
Letztendlich ist doch nicht die deutsche Sprache das Problem, sondern deren Gebrauch. Genauso wenig wie eine Tür dafür verantwortlich ist, wenn sie einem vor der Nase zugeschlagen wird. Derjenige, der die Türklinke in der Hand hat, entscheidet ob er sie offen halten möchte oder sie verschließt.
Nun kann man argumentieren, dass eine gendergerechte Sprache auch für mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit sorgen könnte und es deshalb sinnvoll ist die deutsche Sprache anzupassen. Ich finde dieses Argument etwas naiv. Zum einem, weil es noch nicht einmal ansatzweise so aus sieht, als würde sich die gendergerechte Sprache in Deutschland durchsetzen können. Die Mehrheit der Bevölkerung, der Sprachwissenschaftler und der Personen, die beruflich viel schreiben, lehnen die meisten gendergerechten Formen strikt ab und ohne die Bereitschaft der Menschen, die tatsächlich im Alltag die deutsche Sprache verwenden, ist diese linguistische Revolution bereits von Anfang an zum scheitern verurteilt.
Zum anderen ist es keineswegs bewiesen, dass die Umetikettierung von Begriffen tatsächlich auch zu mehr Gerechtigkeit geführt hätte. Vor wenigen Jahrzehnten war es in Deutschland üblich Menschen mit sehr dunkler Hautfarbe als Neger zu bezeichnen. Heute wird aus guten Gründen dieser Begriff in diesem Zusammenhang nicht mehr verwendet. Dass bedeutet aber nicht, dass der Begriff Neger aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwunden ist. Er existiert durch aus noch - als rassistische Beleidigung. Deshalb ist es auch absolut legitim veralte Begriffe, die damit im Zusammenhang stehen auch zu verändern, selbst wenn sie vermeintlich gut gemeint und positiv besetzt sind. Aber glaubt irgendjemand ernsthaft, dass ein afrikanischstämmiger Mitbürger in Deutschland weniger diskriminiert wird, nur weil wir statt Negerkuss Schokokuss sagen?
Ja, Sprache kann durchaus verletzen und Menschen diskriminieren. Sie kann aber auch heilen und Menschen miteinander verbinden. Die deutsche Sprache muss nicht verändert werden, um für mehr sprachliche Gerechtigkeit zu sorgen, sie bietet dafür mehr als genügend Möglichkeiten, man muss sie eben nur nutzen.