Woher kommst du?
Wenn man diese Frage einen Menschen mit Migrationshintergrund fragt, um eben diesen Migrationshintergrund herauszufinden, ist das noch harmloser Small Talk oder schon geschmacklos?
Wo verläuft die Grenze zwischen Neugier und Rassismus?
Das wird derzeit diskutiert unter #vonhier.
Viele sind wütend oder genervt:
“Hört auf mich zu fragen, wo ich herkomme!”
Auf beiden Seiten: “Das wird man ja wohl noch fragen dürfen!”
Manche sind einfach nur verwirrt: “Warum sind alle wütend?”
Ich bin ja für Aufklärung statt Aufregung. Egal, wie hitzig diese Debatte sein mag, ich glaube, dass es ein paar Punkte gibt, auf die wir uns tatsächlich alle einigen können.
Mal schauen, ob das klappt.
Also, auf was können wir uns denn alle einigen?
Ich hab in dieser Debatte vier Punkte ausfindig gemacht, also der niedrigste Konsens, den man unaufgeregt haben kann.
[…] (Der Hashtag hatte seinen Ursprung von einer Folge “Das Supertalent”)
Wenn du in Deutschland lebst und dein Gesicht nicht kaukasisch ist, ist die Frage “woher kommst du?” wahrscheinlich die häufigste Frage, die du so im Alltag von fremden Menschen gestellt bekommst.
Die Geschichte ist nicht neu, nur wurde sie selten so öffentlich diskutiert wie jetzt.
Warum mögen viele mit Migrationshintergrund diese Frage nicht?
Na ja, mit jedem “woher kommst du?” wird man daran erinnert, dass man nicht so aussieht wie von hier. Das ist ungefähr so, als wärst du im Fußballstadion und alle um dich herum haben das Mannschaftstrikot an, nur du nicht. Dabei bist du im Herzen genauso ein Fan von dieser Mannschaft, doch alles, was die anderen sehen, ist, dass du kein Trikot anhast.
Viele Deutsche mit Migrationshintergrund fühlen sich genauso deutsch wie Deutsche ohne Migrationshintergrund und möchten auch gerne so deutsch gesehen werden.
Wir wollen nur deutsch sein. Ist das so schwer zu verstehen? Doch das Fremdsein ist uns ins Gesicht geschrieben.
Da weiße deutsche Menschen dieses Gefühl jetzt nicht kennen, wird es auch leicht missverstanden. Vor allem, weil in dieser Debatte leicht der Eindruck entsteht, dass diese Frage “woher kommst du?” wie ein Schlag ins Gesicht ist.
Nein, so dramatisch ist diese eine Frage jetzt auch wieder nicht.
Es ist wie der stete Tropfen, der den Stein aushöhlt.
Es ist die Häufigkeit, mit der man mit dieser Frage konfrontiert wird, also der Alltag ist voll mit kleinen, feinen Erinnerungen daran, dass man irgendwie nicht so richtig Teil der Crew ist,
dass man irgendwie anders ist.
Deswegen fragen Menschen mit Migrationshintergrund:
“Könnt ihr nicht einfach mal unsere Gesichter akzeptieren und das nicht zum Thema machen?”
Jetzt gibt es auf der anderen Seite aber auch Menschen, die ein aufrichtiges Interesse haben an der Herkunft des Gegenübers. Vielleicht sehe ich dich ja absolut als Deutsche,
möchte aber trotzdem wissen, wo deine Wurzeln sind.
Nicht zuletzt sind die ethnischen und kulturellen Wurzeln auch ein wichtiger Teil einer Persönlichkeit und ein Interesse daran kann auch schön sein.
Sagt man: Seid nicht so unsensibel und hört auf diese Frage zu stellen.
Oder sagt man: Stellt euch nicht so an und beantwortet eine harmlose Frage.
Damit kommen wir zum 1. Knackpunkt oder zum 1. Punkt,
auf den wir uns alle einigen sollten:
Vor allem, weil wir über typische Small Talk Situationen sprechen, wo sich zwei Menschen begegnen, die sich erst getroffen haben. Nehmen wir mich als Beispiel:
Ich heiße Mai. Meine Eltern sind Vietnamesen.
Und niemand weiß, wie man meinen vollen Namen ausspricht.
Nguyen wird so ähnlich ausgesprochen wie das Nürn von Nürnberg.
Statt Mai Thi Nürnberg sagt man einfach Mai Thi Nguyen Kim.
Ich bin in Heppenheim aka. Vettelheim geboren und in Hemsbach an der Bergstraße aufgewachsen. Unschwer zu erkennen, an der Art und Weise, wie ich Gehirn ausspreche.
Gehirn.
Gehirn. Heißt es nicht so?
Ich bin Deutsche, ich fühle mich auch so.
Aber wenn mich jemand fragt, wo ich herkomme, dann antworte ich meistens ganz gerne und sage, dass meine Eltern aus Vietnam kommen.
Ja, die Frage wird oft etwas unbeholfen formuliert, aber solange ich das Gefühl habe, dass die Motivation der Frage einfach Neugier ist, bin ich persönlich cool damit.
Die Journalistin Vanessa Vu z.B. hat zwar auch vietnamesische Eltern, hat aber ganz andere Erfahrungen gemacht. Hier schreibt sie sehr eindrücklich, warum die Frage nach ihrer Herkunft mit ziemlich viel persönlichem Schmerz verknüpft ist, dass sie deswegen schlicht und einfach keine Lust hat, darüber zu reden, vor allem nicht mit Menschen, die sie gerade erst getroffen hat. Und meine Eltern z.B. antworten immer sehr gerne und fröhlich und unbefangen auf die Frage nach ihrer Herkunft. Und das auch in vielen Fällen, in denen ich nicht so cool reagieren würde.
Bei meinen Eltern bekommt die Frage manchmal einen unschönen Beigeschmack.
Regelmäßig werden sie gefragt: Und warum leben Sie in Deutschland?
Und wann gehen Sie wieder zurück?
Manchmal werden sie sogar nach ihrem Beruf gefragt, gefolgt von: Warum arbeiten Sie nicht in Vietnam? Bitch!
Das ist dann kein aufrichtiges Interesse mehr, sondern eine deutliche Ausgrenzung, ein klares: Sie gehören nicht hin.
Versteht ihr? Das waren drei einzelne Erfahrungsberichte.In diesem Fall von Vietnamesen in Deutschland. Aber es gibt ja noch mehr Menschen mit vielen Hintergründen und Geschichten und Erfahrungen. Ich kann unmöglich meine Erfahrungen auf andere übertragen.
Deswegen kann ich auch nicht als Fragender verlangen, dass sich der andere nicht so anstellen solle oder nicht so empfindlich sein soll, weil ich kann einem anderen einfach nicht seine persönlichen Erfahrungen und Gefühle absprechen.
[…]