Darf ich mal fragen, was du mit „in der Luft zerreißen“ genau meinst? So etwas habe ich nämlich in über 10 Jahren wissenschaftlicher Arbeit noch nie gesehen. Berechtigte Kritik an den statistischen Methoden, andere Interpretation der Schlussfolgerungen, ja. Das kommt übrigens sowohl in Natur- als auch Gesellschaftswissenschaften vor. Aber ein Zerriss?
Dafür gibt es ja den peer review process. Papers, die man „in der Luft zerreißen“ müsste, werden erst gar nicht veröffentlicht, zumindest nicht in konventionellen, non-predatory Journalen. Kritik gehört dazu. Wissenschaftler sind auch nur Menschen. Natürlich spielt deren Ideologie eine Rolle (übrigens auch in den Naturwissenschaften). Sie werden Fehler machen, Sachen missinterpretieren (aber wer legt die „richtige“ Interpretation fest?) und ihre eigene Meinung einbringen. Papers können auch schon bei Veröffentlichung überholt sein. Passiert. Aber ich möchte jetzt nicht von Publikationszeiten und -kosten anfangen.
Also mal ehrlich: Wer als Wissenschaftler andere „in der Luft zerreißt“ sollte sich mal an seine eigene Nase fassen. Und Geistes- und Sozialwissenschaftler haben die gleiche Beweishürde wie Naturwissenschaftler: die Meinung ihrer Kollegen.
Ich war (ich glaub einmal) Sternsinger. Diejenige, die Caspar (oder Balthasar? Keine Ahnung) dargestellt hat, wurde schwarz angemalt.
Also mein erster Kontakt mit Blackfacing. Ist mir nie in den Sinn gekommen, wie scheiße das war. Ist das wohl immer noch so?
Übrigens hab ich gerade die Namen der 3 Könige gesucht. Direkt die oberste Frage bei Google: Welcher der Könige ist der Schwarze?
Da Blackfacing hier ne andere Geschichte hat als in den USA wird/wurde das hier auch anders behandelt. Ist ja auch noch gar nicht sooo lange her dass diese Sache mit dem Blackfacing bei „Wetten dass…?“ war.
Podiums-Vortragende (zu ihren Arbeiten) zum Heulen bringen durch Kritik. Nicht Studenten wohlgemerkt. Mit “in der Luft zerreißen” bin ich eventuell über das Ziel hinausgeschossen, dass bewegt sich natürlich immer noch innerhalb des wissenschaftlichen Rahmens, wenn auch sehr hart formuliert.
Das ist so nicht richtig. Obwohl eigentlich doch. Sicher muss man in den Naturwissenschaften auch Unterstützer finden, aber der logische Beweis ist deutlich einfacher zu erbringen als in den G-Wissenschaften. Nimm dir allein Umfragen als Beweismittel und die Unsicherheiten darin. Naturwissenschaftler können sich eben ihre Umgebungsparameter freier wählen als G-Wissenschaftler dun somit deutlich einfacher reproduzieren.
Ich würde mal aus eigener Erfahrung behaupten, dass bei Podiumsdiskussionen das Ego der Vortragenden/Fragestellenden die größere Rolle spielt. Natürlich will man da die eigenen Thesen verteidigen und nicht alle Wissenschaftler_innen sind mit Debattierfähigkeiten und einem starken Durchsetzungsvermögen gesegnet. Darum würde ich das nicht in jedem Fall als wissenschaftliche Auseinandersetzung bezeichnen. Die findet immer noch und zum Glück schriftlich statt.
Es interessiert die Statistik nicht, welche Daten zugrunde liegen. Quantitative Studien sind somit absolut gleichwertig. Sicher gibt es Unsicherheiten bei qualitativen Umfragen, die gibt es aber auch bei Messdaten. Das wichtige ist, die Unsicherheit anzugeben und zu quantifizieren soweit möglich. Alle, die ihre Arbeit ordentlich machen, tun das auch.
Kannst du mir mal kurz ein Beispiel für quantitative Studien in Gesellschaftswissenschaften, am besten in Gender-Studies (um die geht es ja hier) geben?
Sorry, ich bin kein Experte auf dem Gebiet. Müsste ich also auch suchen und das kannst du glaub ich auch selbst. “Quantitative gender studies” gibt mir z. B. 281 Mio Treffer auf Google.
Ich kann mir aber auch kaum vorstellen, dass sich quantitative Methoden und Studien in Gender Studies großartig von anderen Bereichen unterscheiden.
Ich würde mir echt wünschen, dass das so wäre.
Ist es aber leider nicht. Als jemand, der selber wöchentlich dutzende Naturwissenschaftliche Artikel in Fachjornalen liesst muss ich leider sagen, dass da genug Publiziert wird, das nicht dem Standard entspricht, welche es haben sollte.
Darum gibt es das durchaus, dass man Paper liesst, die dann in einer Besprechung im Labor-Team oder so regelrecht in der Luft zerrissen wird.
Peer Review ist ein gutes, nützliches Werkzeug welches sicher stellt, dass zumindest eine gewisse Qualitätskontrolle vorhanden ist. Aber die Idee, dass es keine oder fast keine Paper gibt, welche durch den Review-Prozess kamen, obwohl schlechte Arbeit geleistet wurde ist leider ein Mythos.
Klar, das gibt es auch. Der Prozess ist nicht fehlerlos. Niemand hat Zeit für Reviews, darum wird es auf die Studenten abgeschoben, Editoren sind völlig überlastet, man bezahlt Unsummen dafür, dass andere Unsummen dafür ausgeben dürfen, in 3 Jahren meine Arbeit zu lesen. An meiner Uni war lange Zeit einer der größten Publisher nicht zugängig (lesen und publizieren), weil die ihre Preise erheblich angezogen hatten. Und und und…
Ich finde es momentan extrem spannend, was in Sachen COVID passiert, mit fast track peer review und Preprints, die dann leider auch von der Presse gelesen und als absolute Wahrheit weitergegeben werden.
Dazu noch ein guter Kommentar unter einem Walulis-Video, den ich gespeichert habe, weil er meiner Meinung die „linke“ Ausrichtung der letzten Jahre gut auf den Punkt bringt.
ist entweder die Feministische Linke oder Identitätspolitische Linke
Aber mit denn ‚Grabenkämpfen‘ hat er schon recht, auch wenn die weniger schlimm sind als manche Denken, die Linken diskutieren nun mal gerne, bringt der Antiautoritäre Kern mit sich.
Ich find die hat man schon aber nicht unter diesen drei “Gruppen”. Mir fällt sowas eher bei anderen Gruppierungen auf. (Anti-deutsche, Anarchisten etc.)
Das einzige was mir in die Richtung auffällt wären Menschen die intersektional denken vs Menschen die das nicht tun.
Ich hab zum Beispiel Leute kennen gelernt die der Meinung waren, dass sich alle anderen Probleme wie z.B. Rassismus oder Sexismus in Luft auflösen sobald man den Kapitalismus überwunden hat.
In einer komplett neuen Gesellschaft ohne unsere Geschichte mag das vielleicht stimmen aber durch unsere Historie braucht es eben mehr als das. Und Intersektionalität bedeutet ja nicht, dass man den Klassenkampf vergisst es bedeutet nur, dass während dieses Kampfes andere Punkte nicht vergessen darf.
Wenn man sich z.B. die 68 Bewegung oder die Black Panther Bewegung anschaut. Dort gab es obwohl man tolle Ziele hat ein unfassbar großes Problem mit Sexismus und den Umgang mit Frauen.
Aber in der heutigen Zeit hab ich so wie hier beschriebene “Kulturlinke” nicht kennen gelernt. Also es sei den man zählt die Grünen dazu. Aber die haben meiner Meinung wenig mit einer linken Bewegung zu tun.
Ich halte den Essay stellenweise für etwas unglücklich formuliert.
Er suggeriert, dass Diversity und die Berücksichtigung marginalisierter Gruppe und die Sprache, wie das N-Wort, eine Form von Einschränkung ist für andere. Ein Eingriff in die Rechte, wer was sagen darf.
Das verfehlt immer wieder den Punkt, dass marginalisierte Menschen auch ein Recht darauf haben wahrgenommen zu werden, berücksichtig zu werden und ihr Persönlichkeitsrechte mit Sprache nicht verletzt werden, wie das N-Wort.
An der Stelle habe ich nicht verstanden, was er mit “individueller Definitionsmacht” ausdrücken möchte.
Dieses Missverhältnis von Jemand-Will-Mich-Einschränken und das Recht darauf nicht diskriminiert zu werden, wird meinem Eindruck nach immer wieder zu stark durcheinander gebracht.
Das finde ich sehr schade.