Ich bin immer wieder fasziniert davon, wie vielen Leuten es offensichtlich schwer fällt Fiktion von Realität zu trennen. Und weil sie das nicht können projizieren sie einfach ihre Welt in die Fiktion hinein. Ich glaube das erste Mal habe ich das bei der Diskussion um Zootopia wahrgenommen, als es hieß, dass es ja eine schlechte Wahl sei Raubtiere als Stand-In für PoC zu nehmen. Was halt nie vom Film so dargestellt wurde.
Man hat in dem Film einfach die Behandlung von Rassismus hineininterpretiert, weil man anscheinend geistig nicht dazu in der Lage war das Werk auf einer fiktionalen Ebene zu betrachten. Es ging nie um realen Rassismus in dem Film. Es ging um Diskriminierung, Bigotry allgemein. Und der Film hat das Thema wirklich super behandelt. Nur leider musste er dann von einigen zerredet werden, weil sie zu wenig Fantasy hatten, um sprechende Tiere einfach mal sprechende Tiere sein zu lassen.
Auch dieser ganze Hass gegenüber Schauspielern, die nicht ihrer Ethnie entsprechende Figuren verkörpern oder vertonen (wie bei Alision Brie in Bockjack Horseman, die sich neulich öffentlich dafür entschuldigt hat) zeigt meiner Meinung nach, dass es diesen Menschen an der grundlegenden Fähigkeit Fiktion als selbige wahrzunehmen. Man kann die Fiktion dann trotzdem gerne für fragwürdige Darstellungen kritisieren. Aber halt auf Basis dessen, was das Werk selbst als Grundlage anbietet und nicht auf Grund der eigenen Projektion.
Der Begriff ist auch dann letztendlich Quatsch, weil es eine unzulässige Verallgemeinerung ist. So machen verschiedene Menschen, verschiedene Erfahrungen in verschiedenen Ländern.
Meine Aussage ist im Grunde, dass ob man die Menschen PoC oder Schwarze oder wie auch immer nennt, es nicht per se positiv ist, wenn gleichzeitig sich in der Gesellschaft nichts ändert.
Und das ist das, was ich in der Welt sehe. Man diskutiert ob ein Begriff xyz ok ist, aber letztendlich ändert sich in der Gesellschaft nichts und dennoch wird der neue Begriff als Fortschritt verkauft.
Mir wurde vorgeworfen, dass ich mich zu sehr auf die USA beziehe - dabei ist der Begriff PoC dort entstanden und wurde dort auch geprägt. Das ist halt der Gipfel der Absurdität.
Wie beurteilst du eigentlich die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland nach der NS-Zeit?
Es hat sich doch bisher kaum ein Land so konsequent mit der eigenen rassistischen Vergangenheit (zumindest dem antisemitischen Rassismus) aufgeräumt wie Deutschland. Egal ob Begriffe, Symbolik, Denkmäler, usw, all das wurde nach dem Holocaust aus dem Alltag verbannt und gleichzeitig wurden neue Begriffe etabliert und Mahnmale gebaut, die es heutzutage ermöglichen, über diese Zeit zu sprechen und die Erinnerung daran am Leben zu halten.
Und niemand vernünftiges würde heute sagen, dass all das falsch und wertlos war, oder?
Letztendlich ist das, was Schwarze in den USA fordern und was hier als überzogene political correctnes abgetan wird, nichts anderes als die Forderung sich ähnlich tiefgreifend und selbstkritisch mit der Geschichte von Kolonialismus und Sklaverei und der daraus resultierenden historischen Verantwortung auseinander zu setzen. Nur das ist einfach nie passiert und solange man das nicht tut, wird man dieses Kapitel auch abschließen können.
Schlecht. Ein super Film dazu ist “Labyrinth des Schweigens” wobei natürlich Leute, die sich in der Thematik auskennen, den Film als eher oberflächlich betrachten würde. Allerdings ist die Wahrheit, dass sich die meisten Leute sich eben nicht auskennen und dem Irrtum unterlegen, dass nach dem Krieg alle Nazis plötzlich verschwanden.
Schaue dir unbedingt mal den Film an.
Die Sprache war es nicht (alleine). Wäre es nur die Sprache wäre es eben wie in den USA, wo man einfach einen Deckel drauf gemacht hat, in der Hoffnung es koche schon nicht über.
Wo die USA es sehr gut gemacht haben dagegen war im Bezug auf Frauenrechte, war aber halt nicht Rassismus.
Dazu auch eine Filmempfehlung:
“Die Berufung” von 2019.
In den USA werden jetzt erst mitunter gewaltige Pogrome aufgearbeitet, nach 50 Jahren und mehr.
Sie fordern vor allem Ende des Rassismus. Mitunter das Ende des Ethnical Profiling, welches aber nicht das Problem ist (ist natürlich ein Problem, aber nicht ursächlich), sondern die Auswirkung eines in der Gesellschaft tief verwurzelten Problems ist. Das wird aber nicht Enden bloß weil man PoC sagt.
Ja, das Irrtum mag bei manchen bestehen. Die Nazis sind ganz sich nicht „plötzlich“ verschwunden. Die Vergangenheitsbewältigung in Deutschland hat erst irgendwann Ende der 50er Jahre oder in den 60ern richtig angefangen, war verdammt viel Arbeit und ist auch heute noch nicht fertig.
Auch das behauptet doch niemand?! Die Ziele der BlackLivesMatter-Bewegung gehen doch weeeiiiit über die Sprache hinaus. Die Sprache ist bestenfalls der Anfang. Das Problem ist nur, dass es selbst an diesem Minimalkonsens schon scheitert, weil die Weiße Mehrheitsgesellschaft nicht die Deutungshoheit abgeben kann und nicht anerkennen kann, dass einige Begriffe rassistisch vorbelastet und verletzend sind.
Wenn es schon an der Sprache scheitert, wie soll die Gesellschaft dann je anerkennen können, dass ihr kompletter Reichtum und „Fortschritt“ auf einem unfassbar brutalen Fundament bestehen.
Ja aber hier im Forum scheint es DAS Thema Nummer 1 zu sein und überall im Netz auch. Ich bin nicht erst seit heute online und kenne so einige Foren und in allen Foren ist immer das Hauptthema irgendwelche Begrifflichkeiten. Es läuft immer auf dieses eine Thema hinaus, weil es eben so schön einfach ist.
Nein es scheitert eben nicht erst an der Sprache. Es scheitert in aller ersten Instanz in den Köpfen. Und dann diskutiert man darüber ob ein Begriff xyz für ALLE “nicht weißen” ok ist oder nicht, was völlig sinnlos ist. Ich habe auch bereits gesagt und auch Argumentiert wie ich zu diesem Schluss komme, aber das wird dann halt ignoriert und stattdessen wird polemisch gegen irgendwelche Strohmannargumente argumentiert.
Meist sind es weiße, die darüber diskutieren und auch dazu habe eine These aufgestellt, warum es so ist, aber das ignoriert man lieber und impliziert, dass ich mich nicht auskenne oder gar ein Rassist sei (ohne dabei gegen meine Argumente etwas vorzubringen).
Na ja die Geschichte zeigt halt, dass es bis jetzt eben beides war ein Anfang und ein Ende. Es wurde ja mitunter dadurch “gelöst”:
“die Bleiben unter sich und die bleiben unter sich”
Das löst aber eben nichts.
Um es wirklich zu lösen, müsste man grundlegendes hinterfragen, was nicht geschehen wird. Wenn die US-Amerikanische Öffentlichkeit eines kann, dann Augenwischerei.
Ich bin mal gespannt welche Konsequenzen aus der Coronakrise gezogen werden. Daran würde ich festmachen, ob die USA in der Lage ist ihr Rassismusproblem irgendwann zu lösen.
mhm… ich glaube so langsam zu verstehen, wo du mit deiner Argumentation hin willst.
Dass manche lieber über Sprache diskutieren, als über viel größere Themen, weil das nicht wirklich weh tut und man einfach nur gelerntes wiedergeben kann? Wenn ja, daran ist bestimmt was wahres dran.
Irgendwann kommt man bei diesen Diskussionen leider in einen Automatismus, man sieht Formulierungen, die man schon tausend mal gelesen hat, ist frustriert, spult sein Programm ab und schafft es nicht mehr, heraus zu lesen, was eigentlich gesagt wurde.
Was wir wahrscheinlich alle mehr machen sollten, wäre, eher die Gesprächsfäden des Gegenüber aufzugreifen, mit denen man übereinstimmt, anstatt den Teil rauszupicken, der sich am leichtesten auseinander nehmen lässt (ich schaff des selbst viel zu selten)
Ich mein, @Sam_Jones hat mehrfach ganz klar betont, dass Rassismus weit mehr als nur Sprache ist. Trotzdem hast auch du immer wieder dem Teil mit der Sprache am meisten Aufmerksamkeit gegeben. Gerade er (?) ist eigentlich jemand, der hier immer ziemlich fundiert und konstruktiv argumentiert und das Thema auch von simplen Begriffdiskussionen weg bringen kann. Da ist es irgendwie doppelt schade, dass man trotzdem so aneinander vorbei redet…
Als ob… das Rassismus-Problem existiert so lange und hat sich wenig geändert. Was soll denn die Konsequenz oder die Erkenntnis der Corona-Krise sein, welches Finanzkrisen, 9/11, Kalter Krieg oder andere Probleme bisher nicht geschafft haben? Zu Mal ich dann auch merkwürdig finde, dass es gerade Corona sein soll.
Man könnte auch meinen, dass der Tod von Floyd und landesweite Proteste zur Lösung des Problems beitragen. Dann schauen wir aber zurück und sehen, dass Regierung, Behörden, Justiz und auch die Gesellschaft nie große Änderungen durchgeführt hat. Warum? Naja. Immerhin scheint man jetzt an dem ein oder anderen Ort die Erkenntnis gewonnen zu haben, dass man bei der Polizei nicht alles durchgehen lässt. Aber das kann auch wieder ein Tropfen auf dem heißen Stein sein.
Ich würde auch schätzen, dass wir erst mit Abstand wirklich entschlüsseln können, was alles zu dieser Protestwelle geführt hat.
Am Ende waren es viele Dinge, die kumuliert sind. Ich halte es nicht für Zufall, dass es nach George Floyd so hochgekocht ist, es war nur eine Frage der Zeit. Die Leute in den USA sind nicht gleichstark von den Corona-Auswirkungen betroffen. Also Jahrhunderte lang aufgestauter Rassismus + Coronakrise + Arbeitslosigkeit + unverhältnismäßige Betroffenheit + fehlendes soziales Netz + prekäres Gesundheitssystem + Polizeigewalt + Trump.
Du kannst nur noch die Proteste zur Ruhe kommen lassen, wenn zentral formulierte Forderungen bearbeitet werden mit sichtbaren Veränderungen… Das wird Trump niemals leisten können. Die Erforderlichkeit für Veränderungen war -vielleicht- nie so dringend wie jetzt?
Ich glaube auch nicht, dass nach der Corona Krise die USA plötzlich besser mit Rassismus umgehen… Aber, dass sich etwas ändern wird ist klar.
Aber ich sehe Trump nicht in der Position, dass er irgendwas entschärfen könnte… gerade hinsichtlich des Wahlkampfes nicht. Die Bundesstaaten müssen sich selbst retten, da könnte ich mir bei dem ein oder anderen eine nachhaltige Reformation vorstellen. - Da finde ich spannend was du sagst: George Floyd als Auslöser für Lösungen.
Nur leider, für Deutschland, sehe ich nicht, dass nachhaltiger etwas gemacht wird… Ich hoffe, dass es nicht geschieht, aber momentan fühlt es sich so an, als würden die Debatten hier wieder versickern…
(Kleiner Funfact: Nach 9/11 rief Condoleezza Rice RUS an, ob sie in die Anschläge verwickelt wären. Sie verneinten und dann erzählte Rice in einer Doku: Ab da wäre ihr klar gewesen, der Kalte Krieg sei vorbei… Jup…, Schnitt 2020, Trump stationiert mehr Truppen in Polen…)
Es geht darum, dass es zeigen wird, ob die US-Gesellschaft überhaupt in der Lage ist sich grundlegend zu ändern. Ich meinte das Gesundheitssystem in hinblick auf die Corona Krise, wobei ich glaube dass es wieder zum Status Quo zurückehrt.