Natürlich.
Nur kommt hier ein Unterschied zwischen deinem Handlungsspielraum im System in dem du dich bewegst, und den Blick auf das System von einem externen Punkt.
Wenn dein Handlungsspielraum derart unterdrückt ist, dass du keine Chance hast, deine Seite überhaupt zu präsentieren, dann ist das System bereits derart offensichtlich und transparent diksriminierend gegen dich, dass die Beweislast alleine durch diesen Umstand bereits erfüllt ist… auch wenn man die Situation dann fast von Aussen betrachten muss, um die Diskriminierung als solche zu akzeptieren.
Ein Beispiel:
Nimm ein Land, wo das Wort einer Frau vor Gericht keinen Glauben findet, weil die Frau in der Gesellschaft gar nicht wirklich als Person mit eigenen Rechten wahrgenommen wird.
Diese Frau hat jetzt natürlich keine Chance ein Unrecht gegen sich selber zu beweisen… ABER der Beweis, dass sie zu einer unterdrückten Gruppe im System gehört ist bereits dadurch gegeben, dass sie kein Aussagerecht vor Gericht hat.
Schwieriger wird es dann, wenn die diskriminierenden Aspekte des Systems subtiler sind. Wenn zum Beispiel alle Menschen im System theoretisch das Recht haben, sich vor Gericht zu verteidigen, aber eine Gruppe ist historisch so benachteiligt, dass sie überproportional in Armut lebt, und sich deswegen oft keinen vernünftigen Anwalt leisten kann… (rein zufälliges Beispiel, denke da an nichts spezifisches )
Unter diesen Umständen kannst du dann beweisen, dass diese Gruppe historisch benachteiligt wurde… aber du musst auch zeigen können, dass diese historische Benachteiligung noch für die heutigen Umstände verantwortlich sind… und da wird es dann schwieriger.
Dazu kommt noch:
Es gibt einen Unterschied zwischen beweisen, wenn eine demographische GRUPPE in einem System benachteiligt ist, und wenn ein INDIVIDUUM welches zu der Gruppe gehört in einem spezifischen Fall deswegen benachteiligt wurde.
Und da wird es dann in meinen Augen durchaus vernünftiger, wenn man argumentieren will, dass diese Person keine zusätzliche Beweislast für den spezifischen Fall zu tragen hat.
Ich würde da noch immer nicht zustimmen, ich glaube eine Beweislast musst immer gegeben werden, wenn eine Anklage gemacht wird, aber ich verstehe, warum man da vorsichtiger ist zu sagen: „Das musst du erstmal beweisen“.