Allgemeiner Thread zu Diskriminierung (Rassismus, Sexismus etc.)

Ich erinner mich, dass wir in Politikwissenschaft eigentlich mal zwischen direkter und indirekter Gewalt unterschieden haben.

ich habs noch mal rausgesucht:

direkte und indirekte Gewalt; personale, strukturelle, kulturelle und symbolische Gewalt; psychische Gewalt; progressive und reaktionäre Gewalt; instrumentelle und expressive Gewalt, staatliche Gewalt; legale und illegale Gewalt; legitime und illegitime Gewalt, verdeckte und offene Gewalt

darin sind jetzt auch Verschränkungen mit der Soziologie, empirisch wird aber Gewalt gegen Menschen und Gewalt gegen Sachen direkt unterschieden

Das landet man also schnell bei einer Staatlichen und instrumentellen Gewalt, wenn man davon sprechen möchte, wie Menschen unterdrückt werden…

Das Beispiel mit der Nase und was man beweisen soll (?)… fand ich gerade etwas konfus…

Die Diskussion um die Gewalt ging hier eher um Gewalt in die andere Richtung. Nämlich, wann es legitim ist, Gewalt als Mittel im Kampf GEGEN Unterdrückung zu brauchen.

Mein Beispiel mit der Nase war eine Antwort auf die Idee, dass Gewalt dann gerechtfertigt sein soll, wenn man sich unterdrückt fühlt, ohne eine Beweislast zu haben, dass man tatsächlich unterdrückt ist.

Warum Phantasie? Gibt ja unterschiedlichste Studien, die aufzeigen, dass es schöne Menschen leichter haben. Ergo werden hässlichere Menschen in der Gesellschaft bei Job, Partnerwahl, Wohnungssuche und Co. benachteiligt. Kann daran etwas geändert werden? Wenig. Die Gewalt wäre also legitim.

  1. eine große Nase ist nicht per se hässlich
  2. nicht jeder mit einer großen Nase/‘hässliche’ Person wird benachteiligt
  3. fühlst du dich trotzdem wegen deinem Aussehen diskriminiert kannst du das Anzeigen

keine Legitimation für Gewalt

Nicht jeder Schwarze wird diskriminiert. Wir hatten doch Obama :stuck_out_tongue:

Na dann beweis das mal :smiley:

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:ugly:

trotzdem gibt es die Möglichkeit und die Chance recht zu bekommen

Ah, vielen Dank, Da hatte ich gerade den Faden verloren.
Ich glaube es ist schwierig mit abstrakten Beispielen zu argumentieren, oder?

Im Donald Trumps Arsch leben Elfen. Beweis mir das Gegenteil.

Wie kann man eigentlich so lange über eine These diskutieren, die auf einem ähnlichen Niveau ansetzt?

Ja und nein.
Viele Leute mögen “abstrakte” oder “fiktive” Beispiele nicht. Ich glaube meistens, weil die Methode misverstanden wird.
Ich brauche “abstrakte” Beispiele dann, wenn ich nicht will, dass die Diskussion sich darin verfährt, ob jetzt ein spezifischer Fall zutrifft oder nicht, sondern wenn ich darüber diskutieren will, ob die Regeln oder die Methode die zur Diskussion steht nützlich ist. Denn wenn jemand etwas eine Methode vorschlägt (in diesem Fall: “Wenn sich jemand unterdrückt fühlt, dann ist es die Aufgabe der angeklagten Unterdrücker zu beweisen, dass keine Unterdrückung stattfindet”), dann sollte ich die auf alle möglichen Szenarien (fiktiv, abstrakt, konkret oder real) anwenden können, falls sie valide ist. Und dann ein Beispiel zu nehmen, wo vermutlich alle Beteiligten an er Diskussion gleicher Meinung sind (z.B.: “Augrund meiner Nasengrösse herrscht gegen mich systemische Diskriminierung und Unterdrückung” ist etwas, wo vermutlich Jeder zustimmen würde, dass das nicht zutrifft) ist nützlicher als ein Beispiel, wo man vielleicht darüber diskutieren müsste, ob es jetzt tatsächlich zutrifft oder nicht.

Ok, ersetzen wir Nase mal mit Geschlecht, Religion, Hautfarbe und Sexualität. Und darüber herrscht ein System, dass nur jeweils eine Variante dieser Kategorien akzeptiert und normiert.

Wie soll eine Person die Unterdrückung beweisen, wenn sie in ein System eingebunden ist, dass eine abweichende Haltung nicht zulassen will und zugleich an einer selbstreferenziellen Normierung festhält?
(Voraussetzung: eine homogene mehrheitliche Gruppe die Merkmale dieser Normierung teilt.)

Ist das nicht schon ziemlich genau der Beweis?

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Wie reuelose Tomate bereits gesagt hat, ist die Unterdrückung selbst nur ein notwendiges aber kein hinreichendes Kriterium. Die muss gleichzeitig verwehrt sein, innerhalb des Systems etwas an diesem Zustand zu ändern. Und das sehe ich bei deinem abstrakten Beispiel nicht gegeben.

aber wer entscheidet denn darüber, ob die beiden kriterien, unterdrückung und verwehrung der änderung des zustands (wobei eigentlich nochmal definiert werden müsste, was man darunter versteht und wie bspw. u.a. eine rein theoretische möglichkeit, die aber praktisch nicht durchführbar ist, in diesem zusammenhang zu bewerten wäre), (hinreichend) erfüllt sind und somit die maßnahme gewalt legitim ist?

Meine primäre Kritik ging um die Idee, dass die Beweislast nicht bei den Leuten liegt, welche Unterdrückung anklagen, sondern bei den „Unterdrückern“ die beweisen müssen, dass sie nicht unterdrücken oder diskriminieren.

Ich halte ein „Schuldig bis das Gegenteil bewiesen ist“-System für keine gute Idee.

Der Umkehrschluss, “Unschuldig, bis die Schuld bewiesen ist” ist nicht weniger problematisch, wenn man bedenkt wie in diesem Szenario die Machtverhältnisse sind. Eine Minderheit soll gegen die gesamte Gesellschaft beweisen, dass sie unterdrückt wird? Wie stellst du dir das vor? Das Machtgefüge ist da eindeutig und absolut einseitig bei der Gesellschaft. Deswegen finde ich es auch völlig nachvollziehbar das gerade der mächtige Teil die Beweislast hat.

Die gleichen wie jetzt auch: Wir. Das ganze ist ja nur ein moralischer Ansatz und keine objektive Gerichtsverhandlung. Weswegen “Beweis” auch sehr weit gefasst sein dürfte. (Ein Negativ zu beweisen ist ja unmöglich)

So wie wir es bis jetzt hatten.
Ich denke zum Beispiel nicht, dass in der USA Afroamerikaner Systemisch unterdrückt werden, weil ich einfach annehme, dass sie es sind. Ich glaube, dass sie es sind, weil es die Daten zeigen.

Nur kannst du das nicht mehr machen.
Wenn du von „Schuldig bis unschuld bewiesen ist“ ausgehst, dann fängst du mit der Basis an, dass ALLE demographischen Gruppen per default der Unterdrückung schuldig sind. Und damit bist du per Default in einer Situation, wo du keinen „mächtigen Teil“ der Bevölkerung mehr hast.

Ich verstehe es ehrlich gesagt nicht so gut, was ihr meint.

Wie kann eine Frau in Tschad “beweisen”, dass sie unterdrückt wird?
Wie soll eine Schwarze Person “beweisen”, dass sie vom System benachteiligt wird… zumal in der Realität, genau das geschieht: Rassistische Erfahrungen werden von der nicht betroffenen Seite sehr häufig in Frage gestellt - und sie geraten tatsächlich in eine Art “Beweispflicht”.
Wie soll eine homosexuelle Person “beweisen”, dass sie unterdrückt wird?

Und da finde ich es schwierig Gewalt, die Legitimation von Gewalt gegen Unterdrückung, Schuld und “Beweispflicht” jetzt so miteinander vermischen…
Wieso muss man etwas “beweisen”, wenn es sich um Missstände handelt?
Das ist für mich gerade hier etwas durcheinander gekommen.

Abgesehen davon, lassen sich solche Missstände / Ungerechtigkeiten / Unterdrückung von der Situation ablesen. Entweder wenn man die Menschenrechte als Grundlage nimmt oder Statistiken. Da wenige Länder über gruppenbezogene Statistiken führen, würde es genau dem entsprechen, was wir bei Horst Seehofer sehen: Wenn Racial Profiling verboten ist, machen wir es auch nicht, also brauchen wir keine Statistik dazu. Das widerspricht aber realen Ereignissen. - Also wer steht in einer Form von “Beweispflicht”?

Das habe ich oben beantwortet:

Wir haben im Moment beweise, dass die Afroamerikanische Bevölkerung unter systemischer Unterdrückung leidet. Dazu gibt es Studien, Daten. Dieses Zeug kann man beweisen und hat man bewiesen.

Ja. Natürlich. Wie gesagt, ein System wo man einfach Behauptungen aufstellen kann, ohne es belegen zu müssen, ist für mich ein schlechtes System.

Sonst komme ich nochmals auf mein Beispiel zurück:
Ich sage, ich werde aufgrund meiner Nase benachteiligt. Du MUSST mir das jetzt glauben, bis du mir das Gegenteil beweisen kannst. Klingt das vernünftig?

Du bringst diese beiden Beispiele:

Der Grund, wieso du diese beiden Beispiele bringst ist, weil wir bereits WISSEN, dass diese Demographischen Gruppen in diesen Systemen unterdrückt und benachteiligt werden. Wir nehmen es nicht einfach so an, per Default. Wir haben Daten um es zu belegen.

Ein Diebstahl ist auch ein “Misstand”… dennoch haben unsere Gerichte eine Beweislast für den Ankläger. Nicht den Angeklagten. Nur weil etwas ein Misstand ist heisst das noch lange nicht, dass keine Beweislast vorliegt.

There we go…
Genau was ich sage.
Statistiken und Abweichungen von Menschenrechten.
Ich hoffe du verstehst, dass du hier bereits die Beweislast auf den “Ankläger” setzt. Wenn wir einfach per Default den Anklägern glauben würden, dann wären Statistiken oder erwiesene Abweichungen von den Menschenrechten gar nicht nötig. Denn das sind Formen von Beweisführungen.

Was du hier beschreibst ist das Gegenteil von der “Im Default glaubt man der Partei, welche den Unterdrückungsvorwurft macht”-System das du weiter oben verteidigst.

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Ja, ich hab jetzt ein bisschen besser verstanden, was dein Punkt ist.

Schwierig wird es nur, wenn ein System deine Beweise im Sinne von Daten nicht zulässt und sie nicht aufführt und dein Default Unterdrückung beinhaltet, aber es abstreitet - bzw. es nicht als Unterdrückung versteht, sondern als gegeben und gerecht. Das funktioniert in demokratischen Systemen, aber weniger in Absoluten Monarchien oder Diktatorischen Systemen mit Einparteiensystemen oder Militärdiktaturen, oder oligarchische Regierungsformen. Und selbst in unserem parlamentarischen System gibt es blinde Flecken, weil wir keine Statistik darüber führen. - Aber die Unterdrückung existiert ja trotzdem…

Natürlich.
Nur kommt hier ein Unterschied zwischen deinem Handlungsspielraum im System in dem du dich bewegst, und den Blick auf das System von einem externen Punkt.

Wenn dein Handlungsspielraum derart unterdrückt ist, dass du keine Chance hast, deine Seite überhaupt zu präsentieren, dann ist das System bereits derart offensichtlich und transparent diksriminierend gegen dich, dass die Beweislast alleine durch diesen Umstand bereits erfüllt ist… auch wenn man die Situation dann fast von Aussen betrachten muss, um die Diskriminierung als solche zu akzeptieren.

Ein Beispiel:
Nimm ein Land, wo das Wort einer Frau vor Gericht keinen Glauben findet, weil die Frau in der Gesellschaft gar nicht wirklich als Person mit eigenen Rechten wahrgenommen wird.
Diese Frau hat jetzt natürlich keine Chance ein Unrecht gegen sich selber zu beweisen… ABER der Beweis, dass sie zu einer unterdrückten Gruppe im System gehört ist bereits dadurch gegeben, dass sie kein Aussagerecht vor Gericht hat.

Schwieriger wird es dann, wenn die diskriminierenden Aspekte des Systems subtiler sind. Wenn zum Beispiel alle Menschen im System theoretisch das Recht haben, sich vor Gericht zu verteidigen, aber eine Gruppe ist historisch so benachteiligt, dass sie überproportional in Armut lebt, und sich deswegen oft keinen vernünftigen Anwalt leisten kann… (rein zufälliges Beispiel, denke da an nichts spezifisches :wink: )

Unter diesen Umständen kannst du dann beweisen, dass diese Gruppe historisch benachteiligt wurde… aber du musst auch zeigen können, dass diese historische Benachteiligung noch für die heutigen Umstände verantwortlich sind… und da wird es dann schwieriger.

Dazu kommt noch:
Es gibt einen Unterschied zwischen beweisen, wenn eine demographische GRUPPE in einem System benachteiligt ist, und wenn ein INDIVIDUUM welches zu der Gruppe gehört in einem spezifischen Fall deswegen benachteiligt wurde.
Und da wird es dann in meinen Augen durchaus vernünftiger, wenn man argumentieren will, dass diese Person keine zusätzliche Beweislast für den spezifischen Fall zu tragen hat.

Ich würde da noch immer nicht zustimmen, ich glaube eine Beweislast musst immer gegeben werden, wenn eine Anklage gemacht wird, aber ich verstehe, warum man da vorsichtiger ist zu sagen: „Das musst du erstmal beweisen“.