Reden wir über die Gender Gap, vor allem hier gerne verschiedene Zahlen herumgeworfen werden und dann nur mehr um die Zahl, statt um das Problem, warum es das Phänomen dahinter überhaupt gibt, gesprochen wird.
Frauen verdienen weniger als Männer und finden die meisten das erstmal Scheiße.
Laut den offiziellen Zahlen des Bundeskanzleramtes Österreich (denen kann man jetzt nicht wirklich Männerfeindlichkeit vorwerfen) beträgt die Differenz zwischen den durchschnittlichen Bruttostundenverdiensten von Frauen und Männern in Prozent der durchschnittlichen Bruttostundenverdienste der Männer 2019 19,6 Prozent (dass ist die Zahl, die dauernd durch die Medien geistert).
Nun muss aber berücksichtigt werden, dass ein Grund dieser Zahl in Merkmalen wie Branche, Beruf, Ausbildungsniveau, Alter, Dauer der Unternehmenszugehörigkeit, Vollzeit/Teilzeit, Art des Arbeitsvertrags, Region und Unternehmensgröße erklärt werden können.
Der Anteil macht in Österreich rund 1/3 aus (2014: 8,6 von 22,2 Prozent). Der Rest ist unerklärt (2014: 13,6 von 22,2 Prozent). (Quelle)
Warum gibt es jetzt die Paygap?
Zunächst die erklärbaren Gründe:
- Branche,
- Beruf,
- Ausbildungsniveau,
- Alter,
- Dauer der Unternehmenszugehörigkeit,
- Vollzeit/Teilzeit,
- Art des Arbeitsvertrags,
- Region,
- Unternehmensgröße
Clustern wir einmal die verschiedenen Punkte:
Branche, Berufe & Unternehmenszugehörigkeit und -größe
Männer arbeiten mehr in der Warenerzeugung (zB Industrie), Frauen mehr im Handel; Frauen arbeiten mehr als Bürokraft, in typischen Dienstleistungsberufen oder als Verkäuferin. Der Anteil der Frauen, die eine Führungsposition erreichen ist nicht einmal halb so groß, wie die der Männer. Männer sind öfters länger im gleichen Unternehmen beschäftigt (Karenzzeiten nicht mitgezählt). Frauen arbeiten öfter in großen Unternehmen (Handel).
Vollzeit/Teilzeit
Fast die Hälfte der Frauen sind teilzeitbeschäftigt.
Bildung, Art des Arbeitsvertrages
Frauen machen öfter einen Schulabschluss, der Anteil der Beschäftigten mit Universitäts- oder Fachhochschulabschluss bei den Frauen mit 12,3% leicht über jenem der Männer
mit 11,4%. Dafür haben Männer bei der Lehre deutlich die Nase voran. Die Art des Arbeitsvertrages ist in etwa gleich, Männer haben öfters einen Lehrvertrag.
Alter
Hier zeigen sich vor allem Unterschiede in der Gruppe der 30 bis 39jährigen (Unterbrechungen aufgrund der Familie) und über 50jährigen (Frauen dürfen in Österreich derzeit noch früher in Pension gehen).
Ich bitte, die Clusterung zu verstehen, aber ein paar Gründe des Paygaps sieht man schnell:
Frauen arbeiten zum überwiegenden Teil in Teilzeit im Handel.
Selber Schuld oder? Hätten sie was besseres gelernt? Zum Beispiel eine Lehre gemacht (Handwerksberufe und allgemein Berufe in der Industrie sind besser bezahlt).
Anstatt zu hinterfragen: Warum arbeiten soviele Frauen im als Teilzeitangestellte im Handel?
Und warum verdienen sie da so wenig? Der Handel hat die schlechtesten Kollektivverträge (zur Verständnis: in Österreich sind fast alle laut Tarifvertrag (eben jener Kollektivvertrag) angestellt)
Zur zweiten Frage: Der Handel ist zwar eine der größten Branchen in Österreich - hat aber auch (gemessen an der Anzahl der in dieser Branche arbeitenden Personen) die wenigsten Mitglieder. Also ein viel schlechtere Verhandlungsposition wie zB die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst oder für die Industrie. Streikdrohungen im Handel sind lächerlich, während im öffentlichen Dienst oder in der Industrie solche Drohungen durchaus ernst genommen werden.
Zur ersten Frage: Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Es ist leider biologisches Faktum, dass nur jene Personen mit zwei X-Chromosomen Kinder bekommen können. Und irgendwer muss diese Kinder dann aufziehen.
Und dann fängt die Frage an, wer geht in Karenz? Und da schlagt dann dass Familienbild zu, wonach Männer arbeiten, und Frauen sich um die Kinder kümmern. Und spätestens ab dem zweiten Kind, wenn der Vater, weil er pi mal Daumen zwei Jahre länger Vollzeit gearbeitet hat und sich das Karenzgeld nach dem Einkommen der karenzierten Person (und nicht nach dem Familieneinkommen) richtet - wer geht in Karenz?
Dann will die Frau natürlich was dazu verdienen (Elternteilzeit), das geht aber meist erst bei größeren Betrieben. Und wer hat die größten Betriebe? Der Handel. Die Branche, die am wenigsten bezahlt.
Und deswegen geht es beim Paygap eigentlich darum, solche Misstände aufzuzeigen, warum diese da sind, und Lösungsansätze diskutieren, wie man sie beseitigen könnte (und ich rede immer noch nur um die strukturellen Ursachen des Paygaps, von denen wir bereits wissen, worauf sie begründet sind).
Lösungsansätze wie:
- Karenzzeiten als Arbeitszeiten anrechnen, damit der Elternteil, der in Karenz ging, weniger Einkommenseinbußen hat.
- Karenzgeld nach dem Einkommensausfall der Familie berechnen, anstatt nach dem Einkommensausfall des Elternteils, der in Karenz geht.
- Allgemein die Bevölkerung besser darüber informieren und den bürokratischen Aufwand vereinfachen.
- Und Väter, die in Karenz gehen als positive Beispiele vorzustellen, als sich das Maul über sie zu zerreißen (zB als Budi in Karenz ging, dass kapieren und wertschätzen als 20 Mal im Chad und im Forum “Wo ist Budi???” plären).
Dann könnte man weitermachen mit solchen Dingen wie
- Kollektivvertrag im Handel verbessern
- Beschäftige, welche sich gerade im Handel, gewerkschaftlich organisieren wollen, stärken
Glaube, dass sind alles Punkte, damit können sich auch Männer identifizieren. Was machen wir? Das ist nicht der Paygap als ganzes, aber es zeigt ein Problem, das kann man eigentlich unreflektiert in Angriff nehmen.
Dass der Gender Pay Gap in 99% der Fälle komplett falsch dargestellt wird ist genauso Fakt …
Schön sich um die Zahlen streiten. Weil das löst die Probleme. (Es lenkt davon ab, unterstellt jenen, die solche Studien machen, unwissenschaftliche Arbeitsmethoden und verhindert jede konstruktive Diskussion).
Dass der Paygap auch andere Auswirkungen hat, wie zum Beispiel, dass viele Regierungen “typisch” männliche Berufe zB mit Einführung von Quoten attraktiver gestalten wollen und damit Arbeitsängste bei Männern verursachen, da dadurch die Arbeitslosenquote in gerade diesen Berufen zwischen den Geschlechtern unverhältnismäßig verschiebt, sollte auch diskutiert werden.
Gibt da einen Artikel des Alumniportals, mit einem spannenden Beispiel aus Marokko:
Hamid Boukheraz beobachtet auch im marokkanischen Berufsleben durchaus eine Männerdiskriminierung: „Obwohl wir als männliche Gesellschaft gelten, sind fast alle marokkanischen Frauen berufstätig, darunter auch viele unverheiratete Frauen. Viele ledige marokkanische Männer sind dagegen arbeitslos, was es ihnen unmöglich macht, eine Familie zu gründen. Denn in Marokko ist es völlig undenkbar, dass die Frau verdient und der Mann zu Hause bleibt und sich um Kinder und Haushalt kümmert.“ Hamid berichtet, dass viele marokkanische Frauen eingestellt werden, da sie weniger Lohn erhalten – der hohe Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen ist ein weltweites Problem und wird auch in Deutschland als ungerecht kritisiert.
Wäre ein Denkanstoß, als Mann gegen die Paygap vorzugehen (gerade die nicht erklärbare, also Männer verhandeln Gehalt besser, etc.) und sich dafür einzusetzen, dass alle Beschäftigten das gleiche Geld für die gleiche Arbeit verdienen, anstatt darüber zu diskutieren, welche Zahl nun stimmt (und das man Frauen unabhängig von Quoten gleichberechtigt und ohne Zwang das gleiche bezahlt).
Weiterer Denkansatz: Durch die Paygap betreuen mehr Frauen die Kinder, haben die Kinder einen größeren Bezug zur Mutter und bekommen die Mütter deswegen auch öfter das Sorgerecht, sind aber finanziell von ihrem Partner abhängig.
(Funfact: Das mit dem Sorgerecht ist eigentlich eine für uns alltägliches Erscheinung, aber eigentlich neue Entwicklung. Siehe zum Beispiel den Fall Elisabeth Petznek (geb. Habsburg):
Nach dem Tod des Kaisers kam es zu heftigen Auseinandersetzungen um das Sorgerecht für die Kinder, die erst 1924 beigelegt wurden, als sich das Paar definitiv trennte. Die Ehe wurde damals, nach anderen Quellen aber erst im Februar 1948 offiziell geschieden. Hintergrund war ein 1921 von Otto Windisch-Graetz angezettelter Gerichtsbeschluss, der ihm die Kinder zuteilte. Damals stand das Gericht in Sorgerechtsstreitigkeiten traditionell auf Seiten des Mannes. Die Kinder weigerten sich aber verzweifelt, vom Vater mitgenommen zu werden.
Als schließlich der Richter samt Gerichtsvollzieher und 22 Gendarmen nach Schloss Schönau kam, um die Kinder abzuholen, blockierten an die hundert sozialdemokratische Arbeiter den Eingang. Der Richter musste abziehen. Dieser Vorfall beschäftigte die internationale Presse und die christlichsozial geführte Bundesregierung. Das vom Ehemann erzwungene Gerichtsverfahren wurde eingestellt und die Kinder blieben bei der Mutter.
Dürft euch bei der Enkelin des Kaisers bedanken, dass hier ein Umdenken erfolgte.)
Und was macht diese finanzielle Abhängigkeit, gerade wenn der ernährende Elternteil kaum die Kinder sehen kann? Die Kinder werden zum Machtfaktor und führt das nicht selten zu häuslicher Gewalt (von beiden Seiten). Wo wir bei den Frauen- und Männerhäusern wären.
Aber nein, wir streiten lieber über die Prozentzahl.
Und wenn du bis dahin als Mann ausgehalten hast, den Text zu lesen und erst jetzt antwortest. Dass war gemeint mit zuhören.