(War eine Antwort an den NEOS-Abgeordneten Yannick Shetty, der auf die Ausladung meinte „Warum hören wir auf, einander zuzuhören? Es dominiert eine totalitäre Debattenkultur. Das ist toxisch!“)
Weißt du, deswegen will niemand mehr mit euch diskutieren, weil alles schon 100x gesagt wurde und ihr nur reflexartig eure „Argumente“ wiederholt. Wir (auch Faika, Yannick) kennen diese Form der verletzenden Sprache sehr sehr gut, sie hat sich durch die Social Media verstärkt.
Aber noch einmal, bleib kurz dran und am Ende beantworte ich dir auch deine Fragen. Das was ihr und leider auch Faika betreibt, wird im engl als „fearmongering“ oder „moral panic“ bezeichnet. In der LGBTIQ und in Migrationskontexten sind diese Mechanismen gut bekannt.
In der anti-rassistischen Kritik ist klar nachzuvollziehen, wie sprachlich zB. von „Fremden“ als „Invasor:innen“ gesprochen wird, die die Kultur zerstören und die Einheimischen auslöschen. Du kennst das vielleicht von Aussagen wie „am XY-Platz versteh ich ja niemanden mehr!“
Das rassistische System in Ö ist darauf ausgelegt, den Zugang zu Papieren (aka Staatsbürger:innenschaft) möglichst schwer zu gestalten. Da geht es um Hürden des Einkommens, der Sprache, etc Man „müsse sich die StB verdienen!“ Stell dir vor, es könnte einfach ein Sprechakt sein… Also nach einer gewissen Zeit (zB ein Jahr) sagen zu können, hier lebe ich, hier zahle ich Steuern, hier will ich mitgestalten. Das ist natürlich eine schwierige Vorstellung für Politiker:innen, die ihr Fortkommen auf nationalistischen Ressentiments aufgebaut haben.
Wir kennen die Diskussionen auch, als es um die Eheöffnung und um Adoptionsrechte für queere Eltern ging. Die Zerstörung des Abendlandes, die heilige Familie, Kinder in Pädo-Händen, … Was mussten wir uns nicht alles anhören. Alles nur, für ein staatliches Papier, dass man für eine:n Partner:in rechtlich die Verantwortung übernehmen wollte und Kinder in diesen Familien entsprechend geschützt werden sollten. Funfact: lange vor der Eheöffnung gab es schon lesbische Ehepaare, weil die Zwangsscheidung bei Transition gefallen ist. Zwangsscheidung bei Transition? Ja, hetero Paare konnten nicht verheiratet bleiben, wenn eine:r der Partner:innen eine Transition hatte. Und hier Faika, bitte wie meinst du das, wenn du fragst, ob wir trans Personen in unserer Community akzeptieren sollen?
Hälst du diese Frage wirklich für unschuldig? Was sagst du zu dem Frauenpaar, das rechtlich aus zwei Frauen besteht, wie sie sich und ihre Beziehung bezeichnen dürfen? Was hat das mit einer offenen Gesellschaft zu tun?
Wir haben auch einmal darüber gesprochen, dass die Generationen nach uns, es einmal besser haben sollen. Sie sollen nicht nur resilienter werden, sondern wirklich bessere Bedingungen vorfinden als wir. Gut, Yannick ist 20 Jahre jünger als wir und ich hoffe, da hat sich schon was getan. Wir wissen nur zu gut, wie gewisse konservative Kreise den vorgeblichen Jugendschutz benutzen, um die rigiden Vorstellungen von cis-hetero weiter aufrechterhalten zu können. Wir wissen auch, was das gerade bei Jugendlichen und psych. Gesundheit bedeutet.
Die Form des „Jugendschutzes“ die ich erlebt habe, hat mich und auch andere in sehr, sehr schwierige, kaum verkraftbare Situationen gebracht. Jugendliche davor zu schützen, sie nicht in Suizidalität zu treiben, sollte unsere oberste Priorität sein. Die Daten sprechen leider eine sehr eindeutige Sprache, dass wir darin nicht gut sind. Und ich kann es gar nicht beschreiben, wie schauerlich es ist, dass Kontexte verteidigt werden, die „Stop Transing the Gay Away!“ als ihre Slogans haben, oder „Lesben haben keinen Penis!“.
"Stop Transing the Gay Away! ist eine direkte Fortsetzung des fundamentalistischen, christlichen Slogans „Praying the Gay Away“ so als könnte sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität durch Verführung oder durch Gewalt erzeugt werden. Es ist ein tief queerfeindlicher Take und gerade für Jugendliche mit einer Fortsetzung von Scham und Stigma aufgeladen. Irgendwo muss man falsch abgebogen sein, einer Begegnung zugestimmt haben, oder gar sexuelle Gewalt hat mich dazu gemacht.
Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, was „unschuldige“ Fragen mit Jugendlichen machen, wenn du als „Groomer“, als zu männlich, mit Fragen wie „Hast du zuviel Testosteron“ abgestempelt wirst, von Lehrerinnen gesagt bekommst, nach dem du die Schule verlassen hast, „es ist schon besser, dass du nicht mehr da bist“. Jugendschutz ist nicht Panik zu verbreiten, dass ein Kind anders sein könnte, dass es Gefühle hat, die verwirrend sind. Jugendschutz ist mit zugeneigter Unterstützung gemeinsam Räume zu schaffen, die es ermöglichen sich selbst zu erfahren. Jugendschutz ist die Kids ernst zu nehmen und ihnen in der Überinformation ein Leuchtturm zu sein. Faika und ich wurden ja ohne Internet queer, vielleicht macht das Angst und wir können auch was den Kids lernen.
Was ich dennoch nicht unwidersprochen lassen kann, wenn falsche Informationen verbreitet werden und dies nie korrigiert wird. Gerade jemand, der Angst hat, dass Internetnutzung Jugendliche falsch informieren könnte, sollte selbst nicht dazu beitragen.
Die von Faika zitierte Studie ist mehrfach als völlig unzureichend analysiert worden und das Magazin, dass dies veröffentlicht hat, hat dies auch bestätigt. Trotzdem wird sie wieder und wieder verwendet um Panik zu schüren. Es gibt das ROGD Phänomen nicht.
Wer es gerne selber lesen möchte, hier die Stellungnahme des Magazins, warum das Studiendesign schlecht ist und nicht mal zur Hypothesenfindung taugt.
Correction: Parent reports of adolescents and young adults perceived to show signs of a rapid onset of gender dysphoria | PLOS ONE
Auch dass eigentlich homo- bzw bisexuelle Jugendliche zu trans Geschlechtsidentitäten „verführt“ werden, geben die Zahlen nicht her. Lesben werden also nicht aussterben…
Big Rise in U.S. Teens Identifying As Gay, Bisexual
Abschließend der Einsatz von Pubertätsblockern sollte immer von medizinischem Fachpersonal angeleitet und überwacht werden. Pubertätsblocker werden meist bei „frühreifen“ Kindern eingesetzt, zB. wenn bei Mädchen die Pubertät vor dem 8. Lebensjahr eintritt und es zu körperlichen
und psychischen Belastungen kommen kann. In manchen, wenigen Fällen werden Pubertätsblocker auch bei trans Kindern eingesetzt. In Ö gibt es einen multiprofessionellen Ansatz, der die bestmögliche Versorgung von diesen Behandlungen ermöglichen soll.
S. https://transx.at/Lib/Law/BMG_Empfehlungen_T-Kids%20201712.pdf
Um das ganze abzuschließen, derzeitiger Angelpunkt ist das Selbstbestimmungsgesetz, das es schon in einigen Ländern seit Jahren gibt und jetzt in Deutschland beschlossen wurde. Hier geht es um die leichtere Ausstellung eines rechtlichen Status, der es Menschen ermöglicht in ihrer schon gelebten Form anerkannt zu werden. Deswegen mein Vergleich zu anderen staatlichen Papieren, wie Staatsbürgerschaft oder Ehebescheinigung. Im Unterschied zu Staatsbürgerschaftsfragen ist vom Selbstbestimmungsrecht nur eine sehr kleine Gruppe betroffen.
Der auch von Faika geäußerte Angst, dass dann cis Männer in Schutzräume eindringen könnten, wurde mehrmals von Organisationen, die diese zur Verfügung stellen MEHRMALS wiedersprochen. Deswegen der Vorwurf des „fearmongerings“, es gibt sehr ausgefeilte Konzepte in Frauenhäusern, wie Clearingverfahren und bedürfnisorientierte Unterbringung von statten geht. Generalverdacht gegen schutzsuchende trans Frauen sie könnten eigentlich cis Männer sein, ist einfach menschenfeindlich. Mangelnde Ressourcen sind das Problem der Fräuenhäuser.
Zwangsgutachten in einem Verfahren und Konversionstherapie sind kein therapeutisches Angebot, jede:r der sich ein wenig psychischer Gesundheitsversorgung auseinandersetzt, kann das bestätigen. LGBTIQ brauchen bessere Versorgung.
Die GrueneAndersrum und Ewa Ernst-Dziedzic haben nicht nur behauptet den Dialog zu suchen und erst vor kurzem ein Grundsatzpapier veröffentlicht.
Mein Anspruch an LGBTIQ Politiker:innen ist intersektionale Solidarität. Dazu gehört es auch Grenzen zu setzen, wenn bei grundrechtlichen Entwicklungen versucht wird Menschen auszuschließen. Feminist:innen sollten wissen, dass es nötig ist gemeinsam das Patriarchat zu bekämpfen.