Allgemeiner Thread zu Diskriminierung - (Teil 2)

Ich seh ihn gar nicht als Kampfbegriff an, er ist eine Zuspitzung mit einer treffenden Beschreibung und eher einer Symbolisierung entspricht. Die alte weiße Frau gibt es eben auch, aber sie profitiert nur dann von den selben Machtstrukturen (bevorteilenden patriarchalen Strukturen), wenn sie sie selbst mit-reproduziert.

Ich finde dieser Begriff legt eines offen: White Fragility -bzw. männliche Fragilität. Das ist einfach ein Reflex, der dabei hochkocht, wenn sich Menschen davon angegriffen fühlen, weil sie leider nie gelernt haben ihre Perspektiven, ökonomischen und soziokulturellen Positionen zu hinterfragen oder was sie gelernt haben und was nicht. Und das muss man lernen. (oder anerkennen) Ich glaube hier ist eher die Lücke, etwas erlernen und verlernen und da kommt der eine weiße Mann oder die andere weiße Person an ihre Grenzen. Ließe sich das überhaupt vermeiden, wenn man anfängt die gelernte Position in der man ist und aus der man spricht zu hinterfragen?

Wir hatten hier schon jemanden, der sagte im Film wäre die weiße Perspektive eine „Leitkultur“. - Wie will man das alles je hinterfragen können?

Ich stimme dir in allem zu. Nur „Kampfbegriff“ macht das ganze so abgedroschen, aber es ist doch eigentlich ein symbolischer Begriff geworden, der einen Kern trifft (so wie ihn Truchsess schon beschrieben hatte). Das würde ich vom Angriff als Intention des Begriffes unterscheiden. Oder wie siehst du das? Und für mich geht diese Sachlichkeit auch deshalb verloren, weil die Leute es immer persönlich auf sich beziehen und die Symbolkraft dahinter gar nicht verstehen… Die ist zynisch, aber sollte man selbst nicht die Reife haben und das in einer Position wie Thierse schon beherrschen, hier zu unterscheiden? Gäbe es dafür denn eine Alternative, die niemand als Angriff verstehen würde? Und kann man diese Reflexionsfähigkeit (die du so treffend beschreibst) nicht voraussetzen bei Erwachsenen? In dem Moment kommt diese Deklarierung von Kampfbegriff aus einer Ecke, die einfach reißerisch sein will.

Für mich ist das, das Imperativ-Paradox. Ein Mann wie Kant hat es geschafft den Kategorischen Imperativ zu entwickeln, aber er hat es nicht geschafft Rassentheorien zu hinterfragen und sie sogar zu bestärkt? Thierse ist so selbstbewusst in seiner Position, aber er schafft es nicht einen neuen Ansatz, neue Perspektiven anzunehmen? Schuld daran ist doch nicht allein der „falsche“ Begriff. :confused:

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disclaimer: das folgende ist im grunde auch wieder nur irgendein quatsch, den sich irgendein random typ im interweb zusammenreimt.
ich weiss es doch auch nicht, leute.

ich finde es so schade, dass für mich gefühlt nahezu jeder austauch im internet letztendlich zu einer begriffsdiskussion wird.
ich frage mich, ob das absichtlich geschieht, um inhaltliche diskussionen zu verunmöglichen und jeden kleinen fortschritt im prozess wieder auf null zu setzen oder ob man wirklich so in seinem selbstbild verletzt wird von einem begriff wie „alter weisser mann“ oder der attribution einer äußerung oder handlung als rassistisch bzw. diskriminierend.

wir menschen sind ambivalente wesen. kant hat z.B. mit seiner kritik einen wendepunkt geschaffen. aber an anthropologie und rassentheorie ist er aus heutiger sicht gescheitert. das wertet aber aus meiner sicht seine genialität im erstgenannten nicht ab.

ich würde mir wünschen, dass wir die prozesshaftigkeit, die dynamik der thematik, sowohl gesellschaftlich als auch individuell, und die ambivalenz, die uns menschen zu eigen ist, anerkennen.
was ich jetzt gerade hier schreibe ist eine momentaufnahme. das kann ich in 5 minuten schon wieder alles ein wenig anders und in 6 monaten für zum großen teil quatsch halten. und deshalb freue ich mich immer über neuen input, neue blickwinkel, damit ich lernen und meinen horizont erweitern kann.
aber wichtig ist doch, zumindest aus meiner sicht, dass wir uns auf unverhandelbare werte einigen (wie z.b. in unserem nicht ganz schlechten GG), die natürlich aus einem historischen kontext dynamisch erwachsen und sich weiter entwickeln können und gemeinsame ziele definieren.
das immer wieder auf null zurückgeworfen werden aber, macht jeden fortschritt im keim zunichte.

und ein fortschritt, nicht zuletzt auch in diskriminierungsfragen, ist mMn essenziell. denn das sind die parameter an denen sich eine demokratie messen lassen muss; nämlich wie eine gesellschaft mit ihren „schwächsten“ (ich mag den ausdruck nicht, aber für die polemik) umgeht.
uns droht nämlich, dass wir im allem krisenhaften umbruch, welcher die herausforderungen des 21. Jh. mit sich bringen (ökologische krise bei bestehendem wachstums-imperativ unserer gesellschafts- und wirtschaftsform), die demokratie dabei verlieren.
der rückbau demokratischer strukturen der letzten 30 jahre könnte möglicherweise erst der anfang sein.
auch deshalb ist „identitätspolitik“ (wieder so ein unsägliches wort, aber ich hoffe, dadurch besser verstanden zu werden) so wichtig. nicht nur weil sie an ungerechten bestehenden strukturen rüttelt, sondern weil sie sich auch für gerechtere strukturen in zukunft stark macht. und das kommt letztlich jedem zu gute. denn sie wirkt demokratieerhaltend und -ausweitend.
vielleicht ist es zeit für eine aufklärung der aufklärung?

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Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, warum die Bezeichnung „alter weißer Mann“ so wichtig sein soll, dass es sich lohnen würde ihn so vehement zu verteidigen.

Wenn der alte weiße Mann nicht alte weiße Männer meint, sondern eine Geisteshaltung die man ändern möchte, dann bezeichnet sie doch nicht mit 3 Begriffen die für das Individuum unabänderlich sind, nämlich alt, weiß und männlich zu sein.

Aber ich bin wohl zu fragil.

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Das ist auch interessant in den Diskussionen.

Bei rassistischen, misogynen, ableistischen, trans- oder homophoben Begriffen und Aussagen/ Ausdrucksweisen - da sollen wir uns alle nicht so haben. Was ist denn bitteschön schlimm an Ausdrucksweise XY. Man darf ja gar nichts mehr sagen und keine Witze mehr machen. - Kaum dreht es sich um Männer, zählen hier wieder andere Befindlichkeiten. Ein Mann fühlt sich beleidigt von Alte Weiße Männer, oh je, lasst uns das schnell ändern und nicht an einem solchen Begriff festhalten.

Der Mann - mal wieder ein Maßstab, wonach wir uns richten sollen.

Das ist genau das, wovon Roig spricht. Für wen ist die Welt gemacht und nach wessen Maßstäben wird sie gestaltet?

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Das sehe ich auch so. Wir hatten die Diskussion über den Begriff und die Sinnhaftigkeit im alten Thread ja auch schonmal (bzw. vermutlich mehrere Male in regelmäßigen Abständen) und für mich geht die Symbolkraft da sogar noch ein Stück weiter.
Auf der einen Seite zeigt er die Machtstrukturen auf, aus der argumentiert wird, wie du es beschreibst und es auch Emilia Roig gut erklärt und auf der anderen Seite widerspiegelt er in seiner Wirkung das Gefühl der Ohnmacht von anderen einer negativbehafteten Gruppe zugeordnet zu werden, was man als Mitglied der gesellschaftlichen Norm nicht gewohnt ist. „Weißer alter Mann“ ist in dem Zusammenhang meist negativ gemeint und er soll in der Hinsicht aufzeigen, aber auch irritieren, im Sinne „so geht es uns übrigens in diesen Strukturen immer“.
Für mich persönlich ist die Reflexionsfähigkeit darüber auch wirklich ein Basic, den man für die Auseinandersetzung mit diesen Themen braucht, da er auch mir die Möglichkeit gibt, meine Argumente diesbezüglich zu reflektieren, sollte mir der Vorwurf mal entgegnet werden. Und da muss ich auch zugeben, dass ich noch nie das Gefühl hatte, dass mir diese Möglichkeit nicht zusteht oder verweigert wird. Man kann eigentlich immer nochmal abklopfen, aus welcher Perspektive heraus man grade argumentiert und ob man da noch sachlich ist oder sich gelernten Strukturen bedient. Und für den Schritt ist es eigentlich auch nie zu spät, egal wie weit man sich in der Diskussion schon verrannt hat.
Erst wenn man sich der Reflexion verweigert, bleibt man auf dem Gefühl der Beleidung hängen und dann wird es eben schnell unsachlich und das Thema verschiebt sich gerne hin zum Debattenklima selbst und ihrer „Verrohung“. Der Vorwurf von Reverse Racism oder Sexism lässt dann ja auch selten lang auf sich warten.

Ich möchte da aber keine falschen Konnotationen wecken, wenn ich von „Kampfbegriff“ spreche, da für mich für etwas Positives gekämpft wird und ich mir die Bezeichnung auch lieber kneife, statt negative Assoziationen zu verursachen.

Ich bin was meine eigene Verwendung des Verwurfes betrifft aber auch in den letzten Jahren zugegeben um Einiges milder geworden, da ich meist denke, argumentativ steht man eh besser da und das Bewusstsein wächst unaufhörlich. Zum Beispiel bei dem Text von Herrn Thierse (den ich übrigens zur Gänze gelesen habe und von der Lektüre abraten kann) und seinem Interview dazu, kann ich sachlich argumentieren, da er sich für mich auch einfach in seiner Argumentation relativ leicht selbst zerlegt. Wenn man schon selbst viele Perspektiven postuliert, muss man vielleicht auch langsam den Gedanken aufgeben, man selbst hätte alle Perspektiven.

Ich weiß aber auch, dass ich mich aus einer privilegierten Position heraus gegen den Begriff entscheiden kann und würde niemals nie eine andere Person verurteilen, die ihn benutzt.
Zumal „Weiß“, „männlich“ und „nicht behindert“ alles auf mich zutrifft und alt bin ich auch bald, also fühle ich mich auch bisschen albern ihn als Vorwurf zu verwenden. Der Vorwurf soll da lieber gegen mich verwendet werden, wenn ich mich mal wieder zu sehr auf meinen Privilegien ausruhe.

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Und was genau ist daran jetzt ein Argument für „alter weißer Mann“?

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Schaffe einen Begriff wie Black Fragility oder weibliche Fragilität und du erhältst genauso Abwehrreflexe von Schwarzen oder Frauen, weil sie sich über einem Kamm geschoren vorkommen, was dann praktischerweise gleichzeitig den Begriff bestätigt.

Weil die Leute kaum bis gar keine Erklärung von denen sie damit „beschimpfenden“ Parteien erhalten, dass es sich überhaupt um einen symbolischen Begriff handeln soll, teil’s dem geschuldet, dass die Leute, die diese „Symbolbegriffe“ nutzen, selbst nicht wissen, dass sie für was anderes stehen, als das dargestellte Wort.
Und wenn sie es doch erklärt bekommen, so bleibt dennoch die beabsichtigte Assoziation zwischen der oberflächlichen Wortbedeutung und dem hineinproijezierten Inhalt. Was problematisch ist, wenn das Symbol Hautfarbe oder Geschlecht beschreibt und Stereotype bzw. Vorurteile propagiert.

Wir wollen doch alle zusammen davon wegkommen, oder nicht? Wir wollen doch weder in ernsthaften Diskussionen noch im privaten Dinge sagen wie „sei mal nicht so wie ein junger, schwarzer Mann“, wenn wir gewalttätig und aufdringlich meinen oder „sei mal nicht so wie ein Jude“, wenn auf geizig oder hinterhältig abgezielt wird.

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Diese Ohnmacht die du beschreibst finde ich gut.

Es ist hier im Forum auch nicht lange her, dass jemand meinte: Ich dachte du würdest sagen meine Meinung als Mann zählt ja gar nicht. - Und dieses Gefühl, das muss sich bitte jeder merken, wenn das nächste mal diskriminierende Ressentiments hier besprochen und bedient werden und daraufhin irgendwer suggerieren möchte, das sei nicht so schlimm, oder nicht so gemeint, oder sollten wir es nicht einfach ignorieren. (den Kladderadatsch kennen wir im Thread hier zu gut) - Denn genau das wird einem ständig vermittelt, wenn man nicht die Norm ist: Deine Meinung ist nicht so wichtig in dieser Welt, hab dich mal nicht so.

Das ist leider ein Erfolg der Rechten. Sie sagen dir: Du bist wichtig, deine Meinung zählt, du bist deutsch und kannst stolz sein. Das machen auch allzu gern Konservative.
Die die andere Seite vermittelt: Du musst besser werden, das ist nicht gut genug, bei diesem Thema stehst du nicht in der ersten Reihe. Du musst dazu lernen. - Und ich glaube hier kommen wir ganz schön ins Strudeln und müssen so aufpassen, dass diese Ohnmacht nicht zu leicht instrumentalisiert wird.

Das jemanden alter weißer Mann stört, wundert mich nicht, es ist am Ende eine Fremdbezeichnung. Und wenn man sich gegen Fremdbezeichnungen wehren will, verdeutlicht das vielleicht auch gut wie es anderen in einer solchen Situation geht.

Ich würde mir auch wünschen, das wir als Basis eine selbstkritische Haltung erlernen und auch einen Umgang damit lernen, für was wir offen sein können. Wer sich einen Kanon gebildet hat und daran festhält, wird immer stecken bleiben.

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Ich verweise hier nochmal auf meinen Post von letztens:

Wie kann man nach all den genannten Inhalten hier jetzt immer noch durcheinander schmeißen, wann Sprache Teil von Selbstermächtigung und Emanzipation ist und wann nicht?

Von der Norm lösen und sie als solche infrage zu stellen, beinhaltet den auferlegten unterdrückenden und diskriminierenden Part etwas entgegenzustellen. Ich glaube nicht, dass sich alte weiße Männer gerade aus einer anderen Unterdrückung befreien müssten, als die, die sie selbst mit geschaffen haben.

Ich sehe Fragilität im ganzen Spektrum. Beide Seiten bezeichnen die andere ja genau deswegen als „Snowflakes“. Die „Trumptards“ und die „SJWs“. Und beide haben recht, denn der Mensch ist fragil.
„Ja aber die eine Fragilität stammt von priviligiertem Aufwachsen und die andere aus Unterdrückung“ Nee, die beide gibt es weil Menschen irgendwelche Privilegien zugesagt werden. Weil Menschen gesagt wird sie seien was besonderes aufgrund ihrer Rasse, ihres Geschlechts oder sonst was.
Wenn man Minderheiten so mit Samthandschuhen anfässt, mit Safe Spaces und Trigger Warnings, ihnen sagt alle die ihnen auch nur einen Funken Kontra geben sind -isten und -phoben, ist es ja kein Wunder dass sie fragil werden. So weit dass man sogar Wörter zensieren muss, weil die könnten ja ihre Gefühle verletzen. Klar verletzen diese Wörter dann ihre Gefühle, unabhängig von Kontext und Intention, wenn ihnen die ganze Zeit eingetrichtert wird sie sollen sich dann verletzt fühlen.
Ist ja einfach wieder ein Musterbeispiel wie Identitätspolititk über’s Ziel hinaus schießt und die Probleme nur weiter entfacht. Versucht Feuer mit Feuer zu bekämpfen, aber das eigene Feuer als Wasser bezeichnet.
Wenn alles als Gender-Dies und Rassen-Das angesehen wird anstatt einfach als „menschlich“, und wenn der Mensch an sich mit Etiketten zugeklebt wird, ist es doch klar dass die Gesellschaft rassistischer und sexistischer wird.
Und die Minderheiten sind die, die am meisten darunter leiden. Die Fortschritte der ganzen Bewegungen werden teilweise zunichte gemacht weil man neben Akzeptanz und Toleranz auch das Gegenteil predigt. Das gibt den rechten Munition, und die setzen sie geschickt ein um zu wachsen. Nur weil die Menschen bei diesem Diskurs immer in Extreme enden und emotional anstatt logisch handeln.

Das ist dieses typische Kollektiv-Denken. Gäbe es eine ernsthafte Unterdrückung gegen sie, dann wären sie ja „selber schuld“, und man würde es damit rechtfertigen. So wie Unterdrückung immer gerechtfertigt wird.

Sorry, das ist schön dahin schwadroniert, aber stichhaltig ist es nicht.

Wenn es um Sensibilisieren für Sprache geht oder welche Konventionen gelten sollten (zum Beispiel keine sexistischen Witze auf einem Parteitag, liebe Grüße an Lindner) - dann geht es hier nicht um „Samthandschuhe“. Und es geht schon mal gar nicht darum, dass sich eine „politische korrekte Seite“ über die andere erheben wollen würde.
Es geht um Grundrechte, die nett auf dem Papier stehen, aber nicht umgesetzt
werden. - Das auf Twitter die Leute so oder so drüber sind, lassen wir mal so stehen.

Wenn man sich für marginalisierte Positionen einsetzt, geht es nicht um Samthandschuhe. - Also was ist das mit „beide Seiten“ - Trumptards? Mal im Ernst.

Nach deiner Logik gibt es ja keine assysmetrischen Machtachsen - ökonomisch und kulturell. Die gibt es aber und die muss man analysieren können. Und solche Phrasen von „menschlich“ sind so dermaßen an den Problemen vorbei, dass einfach nur die blinden Flecken deutlich macht. Safer Spaces sind kein „Nice to have“ - sie sind notwendig. Ne banale Soße umbenennen ist nicht Nice to have - es ist notwendig. Und es sind viele kleine Stellschrauben, an denen man arbeiten muss. Und unmenschlich, ist die Situation die wir haben.

Du hast auch ziemlich viel Historie unterschlagen, als ob all die Rechte die wir hätten, nett auf dem Papier stehen, die ganze Zeit da gewesen wären und nicht Menschen dafür gekämpft hätten. Also was, um Himmels Willen, willst du mitteilen, außer das „Gender-Dies und Rassen-Das“ obsolet und nur Etiketten seien?

Wir sind alle Menschen - ja, bahnbrechende Erkenntnis. Es werden aber nicht alle Menschen gleich behandelt. Von allein passiert dagegen nichts.

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Ziemlich böse, aber auch gute Doku über Klau von Kulturen (laut Theorie). Beide Seiten ein Wort geben und sich dem Shitstorm aussetzen. Aber auch sagen, warum dieser Klau stören kann, aber auch alltäglich passieren kann. Halt wie sensibel das Thema ist.

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Ich habe die Befürchtung, dass ich die etwas entgleiste Diskussion hier mit meinem Kommentar zu dem Interview von Emilia Roig (das echt toll ist, bitte lesen) etwas verursacht habe.
Ich versuche sie mal einzufangen.

Das bleibt ja die Krux an der Debatte. Um über Privilegien zu diskutieren, über Rassismus, Sexismus oder Diskriminierungen gegenüber Behinderungen und um dabei möglichst sachlich zu argumentieren, muss man dieses von der Norm oder der „dominanten Mainstream-Perspektive“, wie es im Interview heißt, Abweichende benennen. Es ist dabei unverzichtbar auf Hautfarbe, Geschlechter oder spezifische Behinderungen einzugehen, da sie direkt mit der Problematik in Verbindung stehen und eben grade das Abweichen von „Weiß“, „männlich“ und „nicht behindert“ die Probleme verursacht.
Grade um Strukturen zu analysieren, die in der Gesellschaft Diskriminierungen begünstigen, muss man diese Perspektiven einnehmen und verstehen, damit etwas verändert werden kann, da in der Vergangenheit diese Perspektiven ausgegrenzt, unterdrückt oder unsichtbar gemacht wurden.

Das klingt erstmal vermutlich wieder nach viel Blabla, aber ich Versuche das mal anschaulich an dem Fall Thierse zu machen (ich habe mich auch noch nicht genug an ihm abgearbeitete, dafür, dass ich seinen ganzen Text gelesen habe).

Herr Thierse hatte sich öffentlich wohl für Blackfacing und das M-Wort-Schild ausgesprochen. Woraufhin er euphemistisch gesprochen auf seinen privilegierten Status hingewiesen wurde, also vermutlich direkt Bezug zu „Weißer Mann“ und das seine Meinung dazu nicht zähle. Vielleicht auch „Rassist“. Woraufhin er, wie heutzutage üblich, einen beleidigten Text über Cancel Culture in der FAZ schreiben durfte und zu Interviews eingeladen wird.
Ich persönlich würde zwar sagen, dass Herr Thierse auf jeden Fall eine Meinung zu der Schild-Problematik haben kann und diese auch äußern darf, nur geht es bei dem Schild direkt um die Problematik der Diskriminierung gegenüber Schwarzen Deutschen, weshalb es relevant im Bezug zu Thierses Meinung ist, dass er Weiß ist. Er hat dabei die Perspektive eines von der Diskriminierung nicht Betroffenen.

Ein Vergleich verdeutlicht diese Problematik vielleicht. Hätte sich Herr Thierse statt gegen die Umbenennung des Schildes, gegen die Barrierefreiheit der Station an der das Schild hängt ausgesprochen, wäre es auch relevant, dass er nicht im Rollstuhl sitzt und eine Treppe keine Barriere für ihn darstellt.
Der Vergleich funktioniert, glaube ich, da Diskriminierungen gegen Schwarze auch als Barrieren in unserer Gesellschaft verstanden werden können. Vielleicht nicht so direkt wie eine Treppe für Rollstuhlfahrer*innen, aber indirekt in der Funktion einer Barriere ähnlich. Und Herr Thierse würde dann nicht nur als „Weißer Mann“ argumentieren, sondern auch als „nicht behindert“.
Was wiederum nicht heißt, er dürfe nicht sachlich mitdiskutieren, nur ist im Zuge einer pluralistischen Debatte die Perspektiven-Vielfalt wichtig und eben grade im Bezug zu Diskriminierung auch die Perspektive der Betroffenen. Und der Hinweis darauf ist erstmal noch sachlich, aber man muss dann „Weiß“, „männlich“ und „nicht behindert“ auch aushalten und seine Argumente auch mit Akzeptanz dieser vertreten können.

Was Herr Thierse paradoxerweise selbst so empfindet, „Ein pluralistischer Diskurs muss Unterschiedlichkeiten zu Wort kommen lassen“. Nur meint er dabei merkwürdigerweise sich selbst als das Unterschiedliche.

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Also ganz ehrlich:
Diese „kulturelle Aneignung“ ist für mich ein totaler Witz.
Wenn es auf einmal unter Türken normal wird einen Zylinder zu tragen, unter Griechen einen Turban und unter Deutschen einen Bergère, dann ist da doch nichts Schlechtes dran.
Ich finde das Beharren darauf, dass etwas mir und meiner Ethnie gehört und niemand außerhalb das nutzen darf eher bedenklich.

Zu sagen eine deutsche weiße CIS Frau sollte kein Vogue tanz lehren, weil die Ursprünge im Afroamerikanischen liegen, ist nicht viel anders als zu sagen ein Schwarzer sollte kein Fahrlehrer sein, weil das Automobil ja von den Weißen erfunden wurde.

Da ist halt schon wieder so viel Abschottung drin.
Das (kulturelle Etwas) ist MEINS! Das soll auch meins bleiben. Dabei wäre es doch schön, wenn man viel gemeinschaftlicher Denken würde.

Wenn ich etwas sehe, was mir gut gefällt und es dann auch für mich umsetze, dann ist das doch auch mit Respekt verbunden.
Wenn ich sage „Wow, die Japaner haben so eine schöne Architektur, wirklich beeindruckend.“ und mein Haus dann auch so designe, dann ist das doch eher eine Verbeugung und Anerkennung anstatt eine Aneignung.

Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren, aber für mich ist das ein völlig absurdes Thema.

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So einfach ist es aber nicht. zu einem wird damit sehr viel Geld verdient und das kommt am ende eben nicht bei dem Künstler an, der sich das Muster o.ä. ausgedacht hat. Sondern bei Firmen die einfach irgend wohin gefahren sind, sich Sachen gekauft haben und diese dann einfach weiternutzen.

Dann ist es eine Form von gering Schätzung, Firmen reisen in die Welt, nehmen sich einfach Dinge aus Trachten und vermarkten diese weiter. Nicht nur geht der Hintergrund verloren, es wird oft nicht mal Thematisiert wo etwas überhaupt herkommt.

Und natürlich dürfen dann Leute sagen, das ist meine Kultur, (häufig auch) mein Glaube, das trägt man nicht einfach so. Das als lächerlich hinzustellen ist ignorant und überheblich.

Den Dritten Punkt darf man auch nicht vergessen, häufig trifft es Kulturen (Südamerika, Afrika) die sehr stark unterdrückt wurden, die es geschafft haben unter schweren Bedingungen als Volk mit ihrer Kultur weiter zu leben. Hier wird dann eben sehr emotional reagiert wenn sie sehen, das das letzte was sie haben um sich als ein Volk abzugrenzen, auch einfach vereinnahmt wird.

Und selbst bei Kulturen wo man denkt ‚denen ist das doch egal‘, gibt es Leute die es weniger gerne sehen wenn Kulturen aus dem Kontext gerissen werden. Einfach mal zum Oktoberfest auf der Oide Wiesn die Leute dort fragen was sie von Dirndl bei KiK halten.

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Ich bin da zwiegespalten. Wenn ich das Beispiel Elvis Presley aus der Doku sehe, dann ist die Argumentation, dass Elvis als Weißer mit einer Art Musik zu machen erfolgreich wurde, die aus der afroamerikanischen Szene kam.
Welche Erwartung resultiert nun daraus? Sollte es einen Patentschutz für Musikstile geben? Dürfen die Erfinder die Nutzung ihres Stils verbieten oder sollten sie finanzielle Ansprüche haben?

Hier geht es ja nicht darum, dass ein konkreter Song ungefragt gecovert wird, sondern um eine Art zu singen und eine Art zu tanzen. Das ist kein Plagiat.

Ich kann den Grundgedanken verstehen, aber ich weiß einfach nicht was die Erwartung ist.

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Was ist denn jetzt die Konsequenz daraus? Worauf willst du hinaus?

Zu einem brauchen Künstler eine Anlaufstelle wo sie Ansprüche gelten machen können und mind. entlohnt werden.

Also Konsument kann ich versuchen mich zu informieren, woher kommt das was ich trage, hat es eine Bedeutung. Kann ich es auch anderes Erwerben, direkt in den Ländern der Völker oder bei Personen die hier Leben und sich auch zu dieser Gruppe zählen. Kann ich verzichten wenn ich erfahren was etwas bedeutet.

Wie schon gesagt, informieren, reflektieren und sich überlegen was man wie konsumiert.

Am ende ist aber der wichtigste Punkt, jeder darf Konsumieren was er will, tragen was er will, tun was er will, hören was er will. Aber man kann von Leuten den das nicht passt, nicht verlangen das sie das nicht kommentieren und das passiert eben.

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Naja, aber bei kultureller Aneignung geht es ja nicht darum, dass sich ein Künstler beschwert, dass er seine Royaltys nicht bekommt.
Ich glaube nicht, dass sich Dreadmuth Lockermann, der Erfinder der Dreadlocks beschwert, dass der weiße Junge von nebenan seine Frisur trägt ohne dafür zu zahlen.

Hilft aber auch nicht gegen kulturelle Aneignung.
Selbst wenn ich nach Japan fahre und mir in der ältesten Kimonoschneiderei einen Kimono kaufe, dann darf ich ihn trotzdem nicht tragen, weil es kulturelle Aneignung wäre.

Und genau das ist in meinen Augen das absurde dabei.
Es geht nicht darum, dass jemanden etwas weggenommen wird, es wird niemand um sein Einkommen geprellt und es werden auch keine religiöse Symbole missbraucht.
Natürlich kann es sein, dass so etwas vorkommt. Aber das ist dann eine andere Baustelle und eine andere Beschwerde, nicht der grundsätzliche Vorwurf der kulturellen Aneignung.

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