Was passieren wird (sollte Artikel 13 kommen), ist schwer zu sagen, da das ganze ja noch in nationales Recht umgesetzt werden muss. Selbst hier wird es noch Widerstände geben (wenn es mit geltendem nationalem Recht oder der Verfassung kollidiert; die schwammigen Formulierungen lassen noch so viele Rechtsfragen offen, etc). Bis das dann tatsächlich Gesetz würde und alle Steine aus dem Weg geräumt sind, würde es noch eine Weile dauern (locker 1-2 Jahre).
Panikmache ist natürlich nie gut, da man nur mit Verstand den Tatbestand verstehen, analysieren und bewerten kann. Fakt ist aber dass die Bedenken gegen Artikel 13 auch nicht vollkommen unbegründet sind und durchaus Angst machen können, weil das ganze so unfassbar schwammig ist.
Auch wenn das Wort „Uploadfilter“ nicht direkt genannt wird, impliziert der Text diesen. Es ist auch die einzige technische Möglichkeit den Vorgaben von Artikel 13 gerecht zu werden und aus der Haftung bei User Generated Content (im großen Stil) zu kommen.
- […]
( b ) made, in accordance with high industry standards of professional diligence, best efforts to ensure the unavailability of specific works and other subject matter for which the rightholders have provided the service providers with the relevant and necessary information, and in any event
( c ) acted expeditiously, upon receiving a sufficiently substantiated notice by the rightholders, to remove from their websites or to disable access to the notified works and subject matters, and made best efforts to prevent their future uploads in accordance with paragraph ( b ).
Dann fordert der Artikel 13, dass die Plattformbetreiber Lizenzen einholen sollen (sie also autorisiert sind (alle möglichen?) Werke nutzen zu dürfen):
- […]
( a ) made best efforts to obtain an authorisation
Man merkt hier schon, dass das unter Umständen sehr umfangreich sein kann aber gleichzeitig sehr sehr schwammig formuliert ist.
Was genau „best efforts“ bedeutet ist nicht klar und auch nicht von wem man alles eine Autorisierung bekommen soll (schätze YT kann auch mehr für „best effort“ leisten, als ein kleines Startup, aber das wäre schon meine Interpretation). Da ich meine Hand photographieren kann und damit schon ein urheberrechtlich geschütztes Werk generiert habe, müsste auch mit mir eine Lizenz geschlossen werden. Ist das aber noch „best effort“? Man weiß es nicht. Ich nutze ja YT, also kennen könnten sie mich.
Angenommen das Gesetz ist dann am Ende in Deutschland und co. auch so schwammig, dann sind YouTube/Google/Alphabet, Facebook/Instagram/etc, Twitter, etc gezwungen entsprechend streng zu filtern (an „Konkurrenz“, die ihnen ein Strick draus drehen wollen, wird es nicht mangeln). Die großen Social Media Konzerne sind ja dann auch nur daran interessiert Urheberrechtsverstöße bestmöglich zu meiden, nicht daran irgendwelche Freiheiten und Zitatrechte der Nutzer zu berücksichtigen oder zu gewährleisten (das sind rein ökonomische Entscheidungen). Sie müssen sich nicht um Zitatrecht und ähnliches kümmern, nur dass sie nicht verklagt werden können. Sie werden das Gesetzt auf ihrer Plattform also noch strenger auslegen. Und genau hier wird es problematisch.
All das muss zur Folge haben, dass sich einiges ändert, besonders beim Umgang mit Bildern, Fotos, Videos, etc. Und Video Hosting mit Uploadfiltern ist etwas was nur ganz wenige Unternehmen auf der Welt im großen Stil anbieten können. Wo lädst du jetzt dein kleines Video hoch? Dein Foto, etc?
Du kannst dir Webspace mieten und dann evtl. selbst deine Videos hosten, was natürlich die volle Bandbreite an technischen Problemen mit sich bringt (spielt das Video nicht ab, Bots haben den Link gefunden und verursachen unnötig Traffic, etc) und deine Reichweite reduziert. Die Frage ist dann aber auch: wer haftet hier bei Urheberrechtsverletzungen? Der Webspace Betreiber und Du? Oder nur Du?
online content sharing service provider’ means a provider of an information society service whose main or one of the main purposes is to store and give the public access to a large amount of copyright protected works or other protected subject-matter uploaded by its users which it organises and promotes for profit-making purposes.
Vielleicht fällt der Webspace-Anbieter auch unter die Ausnahmen, die im nächsten Absatz angegeben sind (wobei es ein hosting provider wäre und kein electronic communication service provider, damit wäre er nicht Teil der Ausnahmen; ich müsste nochmal in die Direktive 2018/1972 schauen).
Wenn der Webspace Betreiber nun auch haften sollte, dann haben wir wirklich ein Problem, weil er dann selbst Uploadfilter benötigt und dann kann das Internet nur noch sehr schwer im Europäischen Raum mit Bildern und Videos bestückt werden. Du kannst eben nicht davon ausgehen, dass jedes Video, jedes Bild, etc urheberrechtlich einwandfrei ist und hängst sehr leicht in der Haftung (Kläger finden sich immer). Angenommen du beziehst dich aufs strenge Zitatrecht in deiner öffentlich zugänglichen, fiktiven Filmanalyse in Videoform (verdienst 20 Mark damit und bist 3 Jahre im Geschäft), hast aber dein Zitat doch etwas zu lang gewählt (z.B. Fehler beim Schnitt und es nicht gemerkt, etc) was dann (wenn es einen Kläger gibt)? Wer haftet? Wäre dem Hoster das Risiko Wert bei 10000den Geschäftskunden Video Uploads zu erlauben?
Der Anwalt Christian Solmecke (wurde auch schon hier im Thread verlinkt) hat in seinem letzten Video ein interessantes Beispiel gebracht (https://youtu.be/G2RdT5fQkXg?t=939):
Er betreibt eine Foto-Datenbank-Seite auf der Fotografen Bilder unter einer der Creative Commons Lizenzen veröffentlichen können (die Seite ist älter als 3 Jahre). Er führt aus, dass er die Seite unter Artikel 13 schließen müsste, da er nicht aus der Haftung bei Urheberrechtsverstößen kommen kann. Er müsste ja Lizenzen mit allen Menschen der Erde, die digitale Bilder machen können, abschließen und auch noch entsprechend Verstöße filtern, was faktisch unmöglich ist. Es könnte irgendwer (mit oder ohne Absicht) ein Bild hochladen, dass nicht sein eigen ist und Herr Solmecke haftet automatisch mit. Ihn schützt evtl. nur die Formulierung:
best efforts
Würde mich jetzt nicht ruhig schlafen lassen.
Diese Richtlinie ist nicht wirklich zu Ende gedacht, unsauber und schwammig formuliert, ignoriert technische Durchführbarkeit und ist nur dazu da um marktwirtschaftliche Machtverhältnisse zu verändern ohne die Konsequenzen zu verstehen.
Zur Erklärung: Bertelsmann, Axel Springer, etc erzeugen oft Werke neu oder haben halt die Lizenzen, weil sie zu den größten Playern in Europa gehören → Klassiche Medien, wie TV, Radio, Print → kein User Generated Content
Im Kontrast stellen die Social Media Konzerne (YT, Facebook, Twitter, etc) eine Plattform für User Generated Content. Hier gibt es viele Kleine (wenn man bedenkt, dass Bertelsmann 17 Milliarden+ Umsatz im Jahr macht, ist selbst Pewdiepie klein), die Inhalte erstellen und da kommt es natürlich leicht zu Urheberrechtsverletzungen. Gleichzeitig sind sie unfassbar beliebt und laufen den klassischen Medien den Rang ab. Es etablieren sich gerade hier auch neue transformative Werke, die weil die Schöpfer „Klein“ sind, ohne Lizenzen auskommen wollen (und bisher funktioniert das oft auch in so einer Art Grauzone, die durch eine permanente Pattsituation/Symbiose erzeugt wird; Let’s Plays sind ein gutes Beispiel).
Artikel 13 soll das jetzt verändern (nicht die LPs, sondern alle möglichen Urheberrechtsverletzungen) und das ist auch dessen primäre Aufgabe. Deshalb steht da auch nicht drin was passiert, wenn die großen Rechteinhaber mal etwas fälschlicherweise Löschen lassen. Z.B. wer leistet denn dann wie viel Schadensersatz? Man sollte ja meinen, dass so etwas auch in einer Urheberrechtsreform streng geregelt wird…
Es ist so bizarr. Der Kern der Richtlinie (alle Uploads nach irgendwas filtern) ist eine komplette Katastrophe, die vermutlich nicht einmal Verfassungskonform wäre. Deshalb hat man ganz viele Ausnahmen eingebaut, damit das auch nur im entferntesten Sinn ergibt und erträglich ist (ohne die Ausnahmen würde man so etwas mehr in Nordkorea erwarten). Im Grunde ist es wie eine Art Spaghetti Code. Bei diesem treten dann auch immer wieder ganz komische Interaktionen und bugs auf. Das wird auch bei dieser Richtlinie nicht anders sein, da man so etwas weitreichendes und ethisch fragwürdiges nicht mit nur genug Ausnahmeregeln zu etwas gutem Verwandeln kann, da man niemals alle Eventualitäten vorhersehen kann (das ist so als wenn Diebstahl legal wäre und man baut 200 Ausnahmen, ein wann es doch nicht legal wäre).
Ich finde man sieht schon eine deutliche Handschrift in der Richtlinie und die Verantwortlichen haben diese nicht zu Ende gedacht oder verstanden. Der Federführer heißt auch Axel
Je mehr ich über das was da drin steht nachdenke, desto baffer werde ich, dass es überhaupt durchgekommen ist und teilweise auf Zustimmung trifft. Und das ist nur Artikel 13. Es gibt ja noch Artikel 11 (selbst die Internationale Journalisten Föderation hat mittlerweile erkannt, was dieser für ein Quatsch ist und die waren vor ~4 Monaten noch dafür).
Wie dem auch sei, die Welt wird auch dadurch nicht untergehen, aber ich denke, es ist nicht verkehrt, wenn wir uns bemühen, Artikel 13 und 11 erstmal auf Eis zu legen und nochmal gründlich drüber nachdenken. Panik bedarf es nicht, aber eine gesunde Skepsis sollte bei Ideen der großen Deutschen Medienkonzernen und ihren CDU/CSU Freunden doch immer vorhanden sein (die SPD bekleckert sich auch nicht gerade mit Ruhm, bis auf ein paar Ausnahmen). Das Urheberrecht benötigt eine Reform, aber besonders diese 2 Artikel (11 und 13) sind aus meiner Sicht einfach nur „Rückschritte“ (ich glaube das Urheberrecht war schon mal besser (im Kontext der entsprechenden Zeit), also ist „Rückschritt“ nicht das richtige Wort, so schlecht wie in dieser Richtlinie war es seit seiner Existenz vielleicht noch nie).