Zusammenfassung
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AKT 01 „Those memories I can’t hold in my mind“
Miami/1985
Es schien als sänke die Sonne in ein Meer aus neonfarbenem Blut. Sanfte Wellen kräuselten sich als der warme Abendwind durch die Palmen strich. Diese Aussicht war eine Beruhigung für seine, von Alkohol und Gewalt, geschundenen Augen.
Der 25. Stock, laute Musik dröhnte hinter ihm aus einem Spalt der zugeschobenen Balkontür. Er kippte sich noch etwas nach, hielt sein Glas gegen die Sonne und suchte darin den Sinn.
Doch alles was er fand waren schmerzhafte und blutige Erinnerungen an falsche Freunde,
schnelle Wagen, schiefgelaufene Deals und dekadente Exzesse welche immer in exorbitanten
Designerdrogenparties gipfelten.
Früher, wie heute, der Champagner war wie seine Freunde. Je teurer man ihn einkaufte
desto erfolgreicher und zufriedenstellender war die Nacht…
Er warf einen Blick über seine Schulter ins Apartment, eine warme Windböe ließ sein nasses, schulterlanges Haar über seine verschwitzten Wangen streichen. Was er dort sah erinnerte ihn an alles was er jemals verabscheut hatte. Dekadente Apartmentparties, Kokain vom dreckigen Fußboden, Champagner direkt aus den Kartons gesoffen in welchen er von überteuerten Bringdiensten geliefert wurde. Billige Nutten tanzten Hand in Hand mit zugekifften möchtegern Zuhältern, angehenden Kartellbossen und drittklassigen Auftragskillern, während dem Rauchmelder, vor lauter Zigarrenqualm, schon lange der Saft ausgegangen war.
Wenn das sauberste in deinem Umfeld deine Unterhose ist, dann ist in deinem Leben etwas verdammt schief gelaufen.
Dieser Lifestyle hatte ihn damals begeistert, es war magisch gewesen. Doch irgendwann konnte er hinter die Fassade sehen, und alles was den Style ausgemacht hatte, war nicht mehr echt. Er sah wie eine ganze Generation versuchte sich an diesem Traum festzuklammern als es schon lange zu spät gewesen war. Er hatte alles gehabt, doch es war nie genug gewesen.
Angewidert drehte er sich wieder Richtung Sonnenuntergang, einer seiner einzigen Freunde der ihm noch geblieben war. Er wusste, der Sonnenuntergang und die Nacht, sie beide würden immer für ihn da sein. Kein Geld, keine Nutten, kein Koks von der abgeflexten Desert Eagle konnte sie beeinflussen. Auf einen abgefuckten Tag folgt auf jeden Fall die Nacht.
Angeekelt und ignorant schnippte er das 300 Dollar Champagnerglas den Balkon runter. Miami, ging ihm auf den Sack, sollte doch irgendein verjunkter Penner in der Straße die letzten Tropfen seines 2.000 Dollar Champagners saufen und an den Glassplittern verrecken. Er griff in seinen offenen Bademantel und zog eine Kubanische raus, zündete sie mit fünf 1.000 Dollar Scheinen an und warf diese, angewidert von seiner eigenen Dekadenz, auf das Polarbärfell, welches er auf seinem Balkon von unterbezahlten Mexikanern hatte verlegen lassen.
Ein tiefer Zug und ein Blick auf die verschwindende Sonne gaben ihm Kraft um auch diese Phase
irgendwie zu überstehen. Doch eines blieb ihm immer im Gedächtnis, diese eine Erinnerung an ferne Tage, die Glanzzeit seiner Dienstzeit. Wie er mit seinem besten Kollegen es geschafft hatte den übelsten und dreckigsten Kartelboss hinter Gittern zu bringen. Sie waren schon lange bei der Sitte, hatten Jahre gegen ihn ermittelt, Informanten ausgepresst und Fährten verfolgt. Es gipfelte in einer wilden Verfolgungsjagd durch ganz Miami und in einem Showdown, von dem sie heute noch sprachen. Halb Miami stand in Flammen, 43 unbeteiligte Zivilisten starben bei Explosionen oder wurden überfahren, 27 Cops wurden schwer verletzt, 26 davon tödlich, auch sein bester Kollege verlor sein Augenlicht und eine Hand bei einer Rangelei auf dem Schnellboot des Kartelbosses. Er selbst kam mit einem tiefen Schnitt über seine rechte Wange davon. Trotz allem konnten sie ihn einbuchten und einen Erfolg verbuchen. Miami’s Narben würden heilen, die Narben in seiner Seele würden immer sichtbar sein.
Er strich sich über die mittlerweile gut verheilte Narbe, aber er erinnerte sich auch an seinen Kollegen welcher sich 2 Wochen danach das Leben nahm. Ohne Augenlicht zu leben war scheisse! Aber ohne Augenlicht und mit nur einer Hand zu leben war zuviel für ihn. Er soff sich in einer warmen Miami Nacht zu Tode.
Wäre er damals nicht auf diesen verfluchten Deal eingegangen! Ja, dieser Deal brachte ihm Ruhm, Geld, alle Frauen die er wollte, alle Drogen die er konsumieren konnte. Die heißesten Parties in den
angesagtesten Clubs, vorgefahren in den schnellsten und exklusivsten Autos. Er hatte viele Freunde, er bezahlte sie alle. Sie waren so lange Loyal wie die Scheine auf Vollmast flatterten, aber dafür gingen sie auch in den Tod. Diese Loyalität nutzte er auch aus wenn er sich im zugekoksten Vollsuff mit den abgefucktesten und gefährlichsten Gestalten der Nacht anlegte, nur um danach seine bezahlten Killer wie Hunde auf sie zu hetzen. Was machten in einer Stadt wie Miami schon ein paar Leichen mehr aus, morgen würden korrupte Drecksbullen wie er wieder Beweise fälschen und Päckchen zuschieben, und die Sache war vom Tisch.
Es musste ein Ende haben, er stand auf, nahm noch einen tiefen Zug und schnippte die, fast neuwertige, Kubanische von Balkon. Er schaute runter, sah seinen Ferrari Testarossa in der Einfahrt zum Hotel und wie die letzten Sonnenstrahlen über den weinroten Lack blitzten. Ein Griff in seinen Bademantel, eine Sekunde später, die Sonnenbrille saß perfekt auf seiner Nase. Nachdenklich aber bestimmend fuhr er sich mit der Hand durch die nassen Haare. Er würde sich nun seinen besten Anzug anziehen, in sein Auto steigen, die Waffen lagen im Kofferraum bereit, die Musik aufdrehen, und ein letztes blutiges Wort mit dem Kartelboss sprechen, den er damals, ein paar Wochen nach dessen Festnahme, befreite, im Austausch für dieses Leben von dem er nun nicht mehr wusste ob es ein Segen oder ein Fluch war.
Er wartete nur noch auf ein Zeichen…
Die Sonne verschwand komplett hinter dem Meer und es wurde Nacht…
Ein schiefes Grinsen durchzog sein Gesicht und er ging zügig zurück in sein Apartment, im 25. Stock.
AKT 02 „There is nothing they can take away“
Miami/1982
Die Stadt lag pulsierend und energetisch in einer Trance aus niemals endendem Hochgefühl. Es waren die goldenen Zeiten. Reichtum, Wohlstand, Unbekümmertheit… zumindest auf der gesetzesfernen Seite. Das Gesetz hatte die Kontrolle verloren, ganze Bezirke waren in fremden Händen, und diese wrangen sie aus bis auch der letzte schmutzige Dollar zu Boden fiel.
Es war die Zeit des Kokainhandels, der Kartelle und jeder der nicht nach deren Pfeife tanzte wurde vor eine Wahl gestellt: Entweder du bist Verkäufer, oder Konsument… beides führte früher oder später sechs Fuß tief in kalte Erde. Kurz gesagt, die Aussichten waren beschissen!
Es waren Kriegszustände und jeder Cop der eine Familie zu versorgen hatte oder mehr von seinem armseligen Leben wollte, lies sich schmieren. Die aufrechten Cops waren eine aussterbende Rasse, die genug Naivität und übertriebenen Gerechtigkeitssinn mitbrachten um ihr aussichtsloses Ziel nach einer besseren Welt verfolgen zu können.
Anders ging es zwei aufstrebenden, jungen Cops, versetzt aus der härtesten Ecke Brooklyns. Sie sollten in Miami für ruhige Straßen sorgen. Ihre Ideale waren Rein, ihr Kenntnisse und Begabungen umfassend und vor allem waren ihre Westen weiß… Heldentum lag beiden fern, denn sie hatten realistische Ansichten und wussten das es immer der „Easy-Way-Out“ war sich auszahlen zu lassen, doch es verlangte einem Mann alles ab sich und seinesgleichen treu zu bleiben. Niemand hatte gesagt es würde einfach werden.
Beeindruckende Verhaftungen, lupenreine Ermittlungen und hohe Erfolgsquoten zeichneten Traynor und Honey aus. Sie sollten dort eingesetzt werden wo andere versagten, bei keinem geringeren als dem übelsten Stück Scheisse das Miami jemals in seinem verpesteten Leib heranreifen ließ: Karl de Rown, der mächtigste Kartellboss der Westküste.
Miami/1985
Die aufblitzenden Farben der Neonreklamen spiegelten sich in Traynors Carrera Sonnenbrille als er mit 120 m/ph über den Asphalt brannte. Er gab seinem Ferrari Testarossa die Sporen, der 12 Zylinder heulte auf, er prügelte den nächsten Gang rein, wieder durchbrach das aufheulen des Motors die schwüle Miami Nacht. Seine Hände verkrampften am Lenkrad, sein Blick versteinerte sich. Um diese Zeit waren die Straßen überraschend leer, als wäre dies ein Zeichen, das ihm jetzt nichts mehr im Weg stehen würde. Vermutlich würde er diese Nacht nicht überleben, scheisse, er war sich verdammt sicher das er sie nicht überleben würde, aber das gab ihm nur noch mehr Entschlossenheit. Er würde das für alle Cops tun, die wegen diesem Drecksack drauf gegangen waren, für seinen Partner Honey, für ganz Miami, aber er machte sich etwas vor… vor allem machte er es für sich selbst. Kein Gesetz der Welt konnte Karl de Rown vor seinem Hass retten. Es ging nicht mehr darum das Gesetz zu vertreten, es war persönlich, es ging nur darum ihn zu töten. Keine Erlösung für die Narben die sich stark in Traynors Seele und Körper gebrannt hatten, er würde sich danach nicht besser fühlen. Doch der Selbsthass half ihm das Feuer der Rache anzuheizen bis alles auf seinem Weg in Flammen stand.
Kupplung, Gang rein, Gaspedal und Traynor schoss durch die Nacht, durch die Straßen, vorbei an dem Leben das er bereit war aufzugeben. Alles was ihm blieb war der von Alkohol und Drogen verschleierte Tunnelblick durch seine Carrera Sonnenbrille im Porsche Design.
Miami/1982
Die Bassline wummerte. Traynor und Honey drängten sich durch die zahlreichen Club Gäste die Treppe runter, hinein in das Moloch aus Geltungsbedürfnis und Statussymbolen. Der benzingeschwängerte Gestank der Straße mischte sich mit dem Zigarettenqualm, Schweiß und Pisse des Clubs. Irgendein armer stockbesoffener, süchtig nach Aufmerksamkeit, hatte sich auch diesen Abend bestimmt schon in die Hose geschissen und versuchte trotz allem noch Anklang bei Edelnutten zu finden. Und auch dieses mal wird dieser jemand an den falschen geraten und vermutlich in irgendeiner dreckigen Gasse nicht mehr aufwachen. Denn hier traf sich die Creme de la Creme des organisierten Verbrechens. Quatsch die falsche Nutte an und du wirst von breiten Anzügen aus dem Club entfernt deren Geduld für Betonschuhe nicht ausreicht. Wenn dir der Club gehört und du alles erreicht hast benimmst du dich auch als ob du zu Hause in deiner 5 Sterne Villa bist. Karl de Rown hatte alles erreicht, und somit war er leicht auszumachen. Er saß in seinem 5.000 Dollar Trainingsanzug am größten Tisch, umgeben von leichten Mädchen, Champagnerflaschen und Bodyguards. Während bemitleidenswerte Möchtegern-Gangster versuchten eine Audienz zu bekommen oder sich als wichtig aufspielten und versuchten die Blicke auf sich zu ziehen, warf de Rown mit Dollars um sich und kümmerte sich einen Scheissdreck um alles was keine Titten hatte. Das war auch seine Schwäche und nach dieser Unachtsamkeit konnte man die Uhr stellen. Traynor und Honey nutzten die Gunst der Stunde und mischten sich unerkannt unter den feiernden Pöbel.
Beschwingt durch das Feeling der Nacht, die Musik und getarnt durch Versace Anzüge und Sonnenbrillen observierten sie Karl de Rown und versuchten ihn mit anwesenden und bekannten Gesichtern in Verbindung zu bringen. Er schaute nur selten von seinen Begleiterinnen auf, denn er hatte Leute die sich um die Geschäfte kümmerten und so sah man sie kommen und gehen. Handschlag, Kuss auf die Wange, zustimmendes Nicken, akzeptierende oder ablehnende Blicke. Karl de Rown musste sich nicht mehr mit den Belanglosigkeiten beschäftigen, er hatte für jede Handbewegung einen Affen, der ohne Probleme durch einen anderen ersetzt werden konnte sollte das Geschäft nicht nach seiner Zufriedenheit gelaufen sein. Doch einmal blickte er tatsächlich auf, streifte Traynors Gesicht und schwenkte dann über zu einer Frau. Auf den ersten Blick schien er sehr konzentriert zu sein und vergaß das sich mindestens 10 hübsche Häschen neben ihm räkelten. Diese Frau schien eine Bedeutung für ihn zu haben, gleichzeitig wirkte sie sehr zerbrechlich und passte so garnicht in dieses Szenario. Als sie sich von de Rown abwandte konnte Traynor einen flüchtigen Blick auf ihr Profil erhaschen und starrte ihr wie gebannt hinterher, als sie durch eine Tür im hinteren Teil des Clubs ging. Sie hatte etwas besonderes, etwas was er noch nie zuvor an einer Frau entdeckt hatte. Sie strahlte eine Unschuld aus und gleichzeitig konnte sie in diesem Milieu bestehen. Unruhig und sich seiner Selbst unsicher, beschloss Traynor ihr zu folgen und schälte sich durch die Massen an schwitzenden Körpern und zuckenden Bewegungen, stets fokussiert auf die Tür im hinteren Teil des Clubs. Mit einem Nicken gab er Honey, welcher an der Bar an einem Tequila Sunrise nippte, zu verstehen, dass dieser seine Position beibehalten solle.
Die Tür entpuppte sich als Zugang zu einem riesigen Balkon, umsäumt von Palmen mit Blick auf Miami und den Ozean. Eine kühle Briese strich ihm durch das verschwitzte Haar und kühlte seine Stirn… dort sah er sie stehen… an das Balkongeländer gelehnt, den Blick auf das Meer gerichtet. Traynor nahm ungläubig die Sonnenbrille ab. Es war als wäre er in in eine Art Blase eingetreten, eine Aura aus Frieden und Schönheit. Vergessen waren der Dreck der Straßen und die sich ständig verändernde Stadt, das Pulsieren, die Nacht Clubs, die Kriminalität, das Dezernat und auch sein Partner. Eine Intimität machte sich in ihm breit. Im Hintergrund nahm er das gedämpfte Wummern des Basses wahr… doch es war sein Herzschlag. Vor ihm bot sich ein Gemälde von absoluter Schönheit und der Schleier der Dunkelheit bedeckte Miami wie eine Decke. Palmen rahmten Sie ein, vereinzelte Neonreklamen und Lichter in der Ferne signalisierten Leben, und ihr Körper schmiegte sich mit jeder ihrer faszinierenden Rundung an das Geländer. Angestrahlt von den dezenten Lichtern des Clubs erschien Sie durch in rotes Party Kleid in mysteriösem und dunklem violett. Eine Zigarette in der linken Hand, aschte sie gedankenverloren ab, in einen Aschenbecher aus Elfenbein. Das war der Moment in dem Traynor sich bewusst wurde das Sie nicht nur anders war, sie gehörte hier nicht hin. Sein Instinkt hatte ihn nicht getäuscht. Noch immer konnte er Menschen wie ein Buch lesen, ein Talent das ihm nie abhanden gekommen war. Auch das war ein Grund für seine zahlreichen Festnahmen, niemand konnte ihm etwas vormachen. Ihre schwarzen langen Haare bewegten sich leicht im Wind, ihr etwas dunklerer Teint verriet das sie vermutlich mexikanische Wurzeln hatte.
Traynor steckte die Sonnenbrille in die Innentasche seines Anzugs und ging auf sie zu. Er konnte fühlen das sie ihn bemerkte, doch es schien sie kalt zu lassen. Mit einem gespielt selbstsicheren Annäherungsversuch schwang er seine Arme auf das Geländer und stützte sich lässig in die Ellbogen womit er seine breiten Schultern besser zur Geltung bringen konnte. Sein Blick, verschmitzt, auf die flackernden Lichter in der Ferne gerichtet. Seine Art, kühl kalkulierend und sich seines Auftretens bewusst. Seine Worte, wie Seide an einer Spindel, wohl gewählt und weich wie Samt.
„Es ist ein bisschen schattig hier draußen…“ ohne sie anzuschauen „… ihr Freund würde nicht wollen das sie sich erkälten, doch andererseits ist es eine Wohltat aus diesem Lärm und Gestank rauszukommen. Ich kann verstehen das sie ihren Blick lieber in die Ferne schweifen lassen während das Leben in ihrem Nacken pulsiert.“
Schweigen… Er war verblüfft, keine Regung. Normalerweise hatte er jetzt bereits eine Hand im Schlüpfer seiner Eroberung und zog sie an sich heran. Traynor spürte plötzlich einen Adrenalinstoß wie er ihn Jahre nicht mehr gespürt hatte. Nervosität machte sich in ihm breit. Im Augenwinkel sah er wie sie unbeeindruckt abaschte. Er musste jetzt alles auf eine Karte setzen.
„Das letzte mal… als ich das wahre Leben spürte, hatte ich kalten Stahl in meinem Nacken. Es war eine Desert Eagle mit .357er Kaliber…“ Traynor atmete tief aus „… genau zu dieser Zeit war ich gefesselt auf einem Balkon hoch über Miami. Ich sah das Meer, auch ich, wie sie, ließ meinen Blick schweifen. Ich hatte in diesem Moment abgeschlossen, mit allem! Ich erinnerte mich an alles was mir jemals wichtig war… und ich erinnerte mich an meine Frau und an das letzte Telefonat… Wir sprachen so lange… über alles… ich hatte sie verletzt. Mein männlicher Stolz hatte einen Keil zwischen uns getrieben, ich war noch in der gleichen Nacht, mit meinem Ford Mustang der 3. Generation, raus in die Nacht gefahren und hatte mich unmenschlichen Alkoholexzessen hingegeben. Doch ich wusste, das kann es nicht gewesen sein. Will ich alles wegwerfen? Für nichts? Ich musste mit ihr sprechen…“ Traynor bedeckte mit der rechten Hand theatralisch seine Augen und spannte dabei seinen enormen Bizeps an, das Jackett spannte sich über seinem Arm.
„Ich fand eine Telefonzelle und wählte ihre Nummer… als sie abnahm wusste sie bereits das ich es war. Sie fragte mich ob es echt war… Ja verdammt, es war echt! Das war das erste mal in meinem Leben das mir eine Träne das Gesicht runterlief… doch… noch im gleichen Moment hörte ich einen Schuss… einen Schuss aus genau dieser Desert Eagle, mit .357er Kaliber, die ich wenige Stunden später auch in meinem Nacken spürte. Ich wusste es war vorbei, die Kugel musste ihr das Gesicht zerfetzt haben, alles was ich noch hörte war ihr blutspuckendes Röcheln. Vermutlich lebte sie noch ein paar Sekunden… was danach passierte ist Geschichte.“ Er atmete tief ein und aus, ließ seinen Kopf hängen. Doch dann drehte er sich plötzlich um und lehnte sich mit den Ellbogen auf das Geländer während er sie durchdringend ansah. Sein eng anliegendes Hemd ließ keinen Raum für Spekulationen denn es schmiegte sich gnadenlos über seine enormen Brustmuskeln.
„Was ist ihre Geschichte?“ Sein Blick durchbohrte sie mit einer Mischung aus Begierde und Verruchtheit. Er sah zum ersten mal ihr Gesicht, ihr Profil in der Neon Schrift des Clubs, der Qualm langsam aus ihrem Mund aufsteigend. Sie drehte sich ihm zu… es schien ihm als würde alles in Slow-Motion ablaufen. Traynor spürte nun erneut das Leben, von dem er sich einst bemühte es zu vergessen. Ihre Augen, ihre Nase, ihr Mund, der Qualm entweichte und rahmte sie wie ein Ölgemälde ein. Auch dieses mal war es Echt!
Angelina war die Tochter von Karl de Rown. Doch ihre Liebe zu Traynor war echt. Sie wusste nichts von den Geschäften ihres Vaters. In den Armenvierteln von Miami half sie tagsüber in Suppenküchen mit und arbeitete bei Nacht im horizontalen Gewerbe, sie brauchte das Geld für ihr Lebensprojekt, das Waisenhaus. Als Tochter einer italienischen Nonne war sie in Tijuana zur Welt gekommen und lernte sich in den Drogenkriegen unauffällig zu bewegen. Ihre Mutter nahm sie im Alter von 10 Jahren mit nach Amerika und versuchte ein neues Leben aufzubauen während ihr Vater in Mexiko sein Kartell begründete. Sie hatte nie viel von ihrem Vater gehabt, ihre Mutter sprach nie über ihn und die Jahre vergingen. Karl de Down konnte mit seinem dreckigen Business in Amerika Fuß fassen und versuchte auch wieder Kontakt zu Angelina aufzubauen. Angelina war ein gutes Mädchen, sie glaubte an das gute im Menschen und so wollte sie sich ihrem Vater wieder annähern. Doch Karl de Rown war das gleiche Stück Scheisse das er gewesen war als er seine Frau und Tochter vor die Tür gesetzt hatte. Er wird immer ein Stück Scheisse bleiben, dessen war sich Angelina sicher… und als sie die Blumen auf das Grab ihrer Mutter legte schwor sie sich das sie alles tun würde um sich von ihrem Vater zu lösen.
Miami/1985
Seine Faust hämmerte auf das handgefertigte Lederlenkrad des Testarossa. Seine Gedanken, angereichert durch zahlreiche Drogen, explodierten in Mordfantasien und Vergeltung. Zähneknirschend riss er sich die Carrera Sonnenbrille aus dem Gesicht und warf sie gegen die Windschutzscheibe. Sie zerplatzte und verteilte sich über dem ganzen Amaturenbrett. Traynor riss die Augen auf und stierte wie besessen auf die vor ihm hinrasende Straße. Ampeln und Häuser flogen im Fast Forward an ihm vorbei. Der Anblick der fliegenden und hypnotisch wirkenden Straße erfüllte ihn mit einem klaren Gedanken. Durch all den Smog aus Kokain, Methadon, Crystal Meth gemischt mit Dom Perignon, Moskovskaya und Dalmore, konnte er ein Licht wie einen Rettungsanker fassen. Bullen wie er waren der Grund warum auf dieser beschissenen Welt vieles den Bach runter ging. Abschaum wie de Rown machten die Angebote und spannen danach die Fäden. Traynor war ein Teil dessen warum Kartelle solche Macht erhielten. In all der Zeit seines Lebens hatte er sich für einen guten Menschen gehalten. Moral, Gewissen, Rechtschaffenheit waren wichtige Grundpfeiler seiner Erziehung gewesen. Wenn stark gefestigte Gutmenschen wie er diesem Leben verfallen konnten, dann war niemand davor sicher.
Ein Zeichen musste gesetzt werden, für alle die Folgen würden. Ja, er hatte einen massiven Fehler begangen, er hatte auf alles geschissen, und am schlimmsten, er hatte sich selbst verraten. Sein Angesicht ekelte ihn an. Aber es war nicht zu spät, Arschlöcher wie Karl de Rown starben niemals eines natürlichen Todes und dafür würde er sorgen. Dafür würden die Desert Eagle mit .357er Kaliber, die Merkel Doppelflinte, die Uzi und das Rambo Messer sorgen. Er wird dieser Welt etwas zurückgeben und nach dieser Nacht wird es eine bessere Welt sein. Angelina hatte sich von ihm abgewandt, er liebte sie noch immer… er würde es auch für sie tun, auch wenn sie nichts davon wusste.
Der Blick verdunkelte sich, der Tunnel verdichtete sich, sein Herz schlug von innen gegen seinen Brustkorb und drohte ihn zu zerbersten. Sein Griff festigte sich, sein Fuß drückte das Gaspedal während sein Bein sich verkrampfte. Der 12 Zylinder Ferrari Testarossa in weinrotem Lack schoss über nassen Asphalt, vorbei an Neon, rein in die Dunkelheit.