Eine Entwicklung die mich in den letzten Jahren wirklich sehr nervt und die ich als problematisch für den Journalismus im Allgemeinen sehe. Es wird vermehrt über Themen berichtet, die eigentlich keinen echten Informationsgehalt bieten, aber eine besonders anlockende Überschrift haben und nur dazu da sind um Klicks zu sammeln. Teilweise sind Überschriften auch bewusst irreführend oder provozierend und der Artikel dahinter letztentlich vollig inhaltslos und man fühlt sich richtig verarscht. Selbst früher “renomiertere” Magazine wie Spiegel, Focus, Zeit etc. entwickeln sich zum Negativen. Die Gründe sind offensichtlich: Der Untergang des Printmediums und der Erfolg des Internets, wo die Währung nunmal Klicks sind. Hier mal eine Sammlung “anlockender” Schlagwörter in Überschriften, die mir fast täglich begegnen:
…die Bilder zu Katastrophe XXX
…das passierte wirklich…
Was sie bei XXX tun müssen…
…so sehen die Stars aus XXX heute aus.
…So machen sie es richtig!
Tipps, wie man im Bett besser wird (Sex sells halt auch im Netz)
Dazu kommen natürlich noch viele individuelle Formulierungen, die sich nicht durch Schlagwörter kennzeichnen lassen.
Die Frage ist jetzt: Ist das schlimm, dass es vermehrt solche Artikel gibt? Ich gebe zu, häufig juckt es mich natürlich auch in den Fingern und ab und zu klicke ich auch mal drauf. Ich habe schließlich nichts zu verlieren, ein Klick kostet mich nichts (außer evtl. ein paar Sekunden Zeit und etwas Datenvolumen). Die Folge ist aber, dass Artikel zu gunsten von Klicks nur noch auf Masse produziert werden, immer kürzer werden und häufig schlecht recherchiert und nicht gegengelesen werden (auffallende Rechtschreib oder Grammatikfehler). Der Informationsgehalt im Allgemeinen sinkt, wirklich wichtige Nachrichten werden zu Gunsten des kurzen Belohnungskicks verdrängt und auch das Interesse an echtem Journalismus seitens des Verbrauchers sinkt. Ich für meinen Teil achte seit einigen Monaten bewusst auf solche Artikel, und verkneife mir auf die Artikel zu klicken, obwohl es mir manchmal schwer fällt.
Wie seht ihr das? Ist das vielleicht alles nur halb so wild? Wie geht ihr mit solchen Artikeln um? Klickt ihr drauf? Kennt ihr noch mehr “Schlagwörter”, die solche Artikel entlarven? Wie lässt sich guter Journalismus im Internet vernünftig finanzieren? Muss man zurück zum Bezahlmodell wie früher beim Print und lässt sich das “Rad” überhaupt noch erfolgreich zurückdrehen? Mich würde auch interessieren ob ihr generell bereit wärt, für gute Informationsquellen zu zahlen. (vllt kann hier jemand einen Poll einfügen, ich weiß nicht wies geht ;-))
Das wird nicht erst seit gestern gemacht, sondern seit es Medien gibt. Typisches Angebot/Nachfrage Verhätnis. Das per se wäre nicht das Problem, eher der Rückgang des seriösen Journalismus im Allgemeinen. Ist halt schwieriger, teurer und undankbar. Zumal eine Website auch weitaus schlechter bezahlt wird als ein Printmagazin.
Und: Worüber willst du derzeit im Westen seriös berichten, dass gleichzeitig interessant ist? Wir leben in einem Gebiet, dass seit 70 Jahren vom Krieg verschont geblieben ist, in das so unverschämt reich ist, dass es nicht so sehr viel zu klagen gibt. Da sind allenfalls Großereignisse wie G20 (und die dazugehörigen Ausschreitungen) noch interessant genug, um genug Leser zu ziehen.
Aber worüber würdest du beispielsweise diese Woche berichten wollen? Wenn du nicht immer wieder die gleichen Themen behandeln willst, die ja durchaus Daseinsberechtigung haben (Integration, Frauenrechte, Diskrimminierung), musst du in der Zwischenzeit halt leeren Bullshit bringen, um deine Mitarbeiter bezahlen zu können.
Yahoo ist da auch richtig schlimme. Immer wenn ich meinen einem Mail-Account checke, komme ich auch über die Startseite. Und allein jetzt gerade in diesem Moment lese ich:
Auf diesem Bild geht alles schief
Was war das denn wieder, Donald Trump?
Jeder starrt ihr nach - aus gutem Grund.
So ein Welpen haben Sie noch nie gesehen.
Ich rege mich eigentlich nur darüber auf, aber ein Klick gibt es nicht. Denke da eher nicht, dass der Informationsgehalt so riesig ist.
In den Printmedien - bzw. in Gala, Bunte etc. - gehört das auch schon lange dazu. Es gab am Anfang des Jahres mal einen Artikel auf einer Seite, die sich mit den Titelstorys und dem eigentlich Inhalt auseinandergesetzt haben. So als Test für den Leser. Leider habe ich den Link nicht mehr.
Aber auf dem Cover steht dann auch immer mysteriöses (dunkle Geheimnis, übersteht es die Liebe…) und am Ende im Hauptartikel ist es einfach nur lächerlich.
Ach Leute, wegen reißerischer und Zielgruppen-optimierter Titel geht der Journalismus nicht unter, der geht unter, weil die Menschen sich keine Zeit mehr nehmen lange Artikel zu lesen und jedwede Journalistische Einordnung als ‚nicht objektiv‘ flamen.
Das trifft exakt den Punkt. Aber wird einem das Interesse an leerem Bullshit damit nicht auch irgendwie anerzogen? Stichwort: Volksverdummung
Genau, aber was war zuerst: Die kurzen Artikel, an die man sich mittlerweile gewöhnt hat oder die Abneigung lange Artikel zu lesen? Ich meine, die Artikel werden natürlich automatisch kurz, weil der Journalismus heute viel aktueller ist. Alle 5 Minuten gibt es auf den News-Seiten neue Artikel. Da muss man logischerweise erfinderisch werden um das Tempo halten zu können.
Einfach nur grausam Klatschpresse gab es ja schon immer, aber es nimmt finde ich auffällig Überhand.
Ich will auch garkeine Untergangsszenarien hervorbeschwören (die Threadüberschrift war natürlich genauso reißerisch und ein Clickbait ;-)), ich finde nur man sollte irgendwie bewusst konsumieren. Wenn man die Klicks auf die wenigen guten Artikel verteilt, kann man den Journalismus auch irgendwo steuern. Wenn ab morgen keiner mehr auf Katzenvideos klickt, sind die auch keine News mehr wert.
deine beispiele finde ich ehrlich gesagt fürchterlich gewählt, weil eben die das gegenteil von neu sind.
es gibt ein schlimmer werdendes phänomen, das du so aber hier nit präsentierst.
beispielsweise werden immer mehr artikel in blogs oder sonstwo in form von listen erstellt. die leider sehr oft nur blödsinn enthalten.
ich sehe des öfteren im netz “psychologisches” , gar “psychologische fakten”, welche nichts anderes als tiefsinnig klingende bullshit-sprüche sind, die mit wissenschaft oder wahrheit wenig bis gar nichts zu tun haben…
Ach, wenn ich nur gewußt hatte, wie das endet.
Wobei: Ich denke, einige Medien nehmen sich inzwischen wieder etwas zurück.
Wenn ich bedenke, die etwa die Startseite von Focus Online vor einem halben Jahr aussah und jetzt aussieht.
Grundsätzlich würd ich Clickbaiting eher in der Yellow Press Ecke verorten und als temporäres Phänomen sehen, das für den seriösen Journalismus ohnehin keine Rolle spielt.
Und wenn man sowas sieht, kann diese Kacke nicht schnell genug verschwinden: http://www.bildblog.de/69070/krebserkrankung-als-clickbait/
Habt ihr nicht mittlerweile eine gewissen Toleranz gegen Clickbaits entwickelt?
Ich für meinen Teil werde gerade bei Youtube sehr misstrauisch wenn ich sowas sehe.
Aber das sind bei auch 17 Jahre Erfahrungen mit dem Internet verbunden.
Für mich ist der ganze Quatsch von wegen Hatespeech, Fakenews, Clickbaits ein alter Hut.
Clickbaiting finde ich nicht so schlimm, wenn die physischen Zeitungen weniger verkauft werden, müssen halt die Verlage im Online Bereich durch marktschreierische Artikel ihr Geld reinholen.
Mich nervt mehr, dass für jeden M… eine Eilmeldung erscheint. Wer eine Ettape bei der Tour de France gewonnen hat ist keine Eilmeldung wert, dass es auf der A2 30km Stau gibt wegen Ferienbeginn wäre auch keine Eilmeldung wert.
Sie sollten Ereignissen vorenthalten bleiben, die wirklich Einfluss auf das Weltgeschehen haben, z.B. falls Merkel irgendwann den Flüchtlingspakt mit Erdigan beenden sollte.
Mittlerweile werden sogar Werbungen in der Optik von Eilmeldungen angezeigt, vorallem auf der Seite der Rheinischen Post.
yahoo würde ich auch gar nicht erst als (ernsthafte) Nachrichtenseite bewerten. Ist halt ne Müllseite, voll mit Klatsch-Zeug, unter denen stehen Kommentare die vom Niveau her YouTube Konkurrenz macht, einer Suchfunktion die bereits auf bing umgestiegen ist und nur noch eine Daseins-Berechtigung hat, weil man seine E-mail-Adresse vor Jahren dort angelegt hat.
clickbait ist ehrlich gesagt das kleinste problem von journalismus, wichtig ist das was im artikel steht. und wenn man artikel mit den überschriften wie der op als beispiele bringt liest brauch man sich auch nicht beschweren.
ich finde allmählich spürt man eine besserung beim journalismus, da das niveau aber wirklich wirklich tief war (mit dem tiefpunkt zur ukraine und flüchtlingskrise) ist er immernoch weit entfernt vom soll zustand.
Früher hat man den Titel gelesen und dann den Text gelesen, weil man wissen wollte was die Hintergründe sind. Heute liest man den Titel und guckt in den Text, weil man wissen will worum es überhaupt geht, Hintergründe werden im Text eh nicht zu finden sein.
Im TV sind es Reaktionen und Emotionen statt Fakten und Daten. Von Schlussfolgerungen brauchen wir erst gar nicht reden.
Echten Qualitätsjournalimus zu finden egal ob im TV, Print oder im Netz ist gar nicht mehr so einfach. Selbst die “großen” Nachrichten haben mittlerweile einen Haufen Blödsinn drin.