Dazu hat Ciesek auch was gesagt:
[Ciesek:] Ja, im Moment gibt es gar keine Empfehlung für die dritte Impfung, weil es einfach keine Daten gibt. Und wir haben ja schon mehrmals besprochen, dass es bei Vektor-Impfstoffen zu einer Immunität gegen den Vektor kommen kann. Natürlich spielt das eine Rolle und umso länger der Abstand ist, umso weniger sollte das eine Rolle spielen.
Studien zur dritten Impfung fehlen
Aber das sollte zumindest wirklich mit Studien begleitet werden, dass man irgendwann weiß, welches ein ideales Schema für diese Patienten ist. Bisher ist mir nicht bekannt, dass es in diesem Fall eine dritte Impfung gibt. Ich kriege auch viele Anfragen von Patienten, die zweimal geimpft sind und irgendwie immunsupprimiert sind und die sich dann Antikörper bestimmen und fragen: Ja, wie ist das jetzt? Ich habe keine Antikörper, kann ich eine dritte bekommen? Also mir ist nicht bekannt, dass das schon erfolgt ist, weil man einfach keine Daten hat. Und weil man ehrlicherweise auch sagen muss, dass die Antikörper, die wir messen, ja nur ein Teil sind. Also wenn man trotzdem vor einer schweren Erkrankung geschützt wäre, auch ohne entsprechende Antikörpernachweise im Labor, dann wäre das auch schon viel wert und wahrscheinlich ausreichend. Wir haben auch schon mehrmals besprochen, dass es einfach mehr gibt als Antikörper und da auch die T-Zell-Antworten eine Rolle spielen. Da gibt es einfach noch viele Fragezeichen. Man lernt sozusagen jede Woche dazu. Aber das ist einfach noch abschließend zu klären.
Wir wissen ja auch nicht, welche Höhe von Antikörpern mit Immunität korreliert oder ob es da überhaupt eine Korrelation gibt. Deswegen glaube ich, dass es Sinn ergibt, wenn man weiß, dass die eine dritte Impfung bekommen müssen und dass das einen guten Effekt hat. So lange man das nicht weiß, wird es die Menschen eher verunsichern und nicht wirklich zum Erkenntnisgewinn beibringen. Da fehlt einfach wirklich weitere Forschung und weitere Studien, um das beantworten zu können. Im Grunde genommen ist es im Moment für viele ein bisschen auch ein Hobby, die Antikörperspiegel zu bestimmen. Je mehr man hat, umso besser. Aber klinisch und rein labortechnisch wissen wir gar nicht richtig, was das bedeutet, wenn man ehrlich ist. Diese Tests sind auch nicht vergleichbar. Es gibt ganz unterschiedliche Antikörpertests mit ganz unterschiedlichen Zahlen, die da rauskommen. Das ist einfach nicht vergleichbar. Wir wissen es einfach nicht genau. Natürlich ist es gut, wenn da ein Wert rauskommt. Das heißt aber auch nicht, dass man zu 100 Prozent vor einer Infektion geschützt ist und anders herum. Deswegen ist das schwierig bis kontraproduktiv, das jetzt im großen Maßstab zu messen, wenn man gar nicht weiß, was man genau misst.
Hennig: Sie sagten jetzt gerade, ob es überhaupt eine Korrelation zwischen Antikörper-Titer und Immunität gibt. Davon geht man aber doch grundsätzlich schon aus, wenn ich Antikörper habe, dass es einen Hinweis auf einen Schutz gibt?
Ciesek: Genau, vor allen Dingen neutralisierende Antikörper scheinen da ja eine Rolle zu spielen. Aber wirkliche Neutralisationstests machen nur wenige Labore, meistens Virologien, weil man auch noch ein S3, ein Hochsicherheitslabor der Sicherheitsstufe 3 braucht. Die sind sehr aufwendig.
Cut-off-Wert fehlt
Klar, das korreliert natürlich schon. Aber es gibt nicht diesen berühmten Cut-off-Wert, bei dem ich zum Beispiel sage: Sie haben 20, damit sind Sie immun. Das gibt es ja bei anderen Viruserkrankungen. Das gibt es bei SARS-CoV-2 in dem Fall nicht. Der Wert ist ja auch nicht stabil, der verändert sich. Wenn Sie wahrscheinlich alle vier Wochen messen, kriegen Sie jedes Mal einen anderen Wert, der tendenziell abnimmt. Und wie gesagt, das ist auch nicht immer 100 Prozent sicher, dass man, wenn man da eine Zahl hat, keine Infektionen bekommen kann. Genauso ist es gut möglich, dass da vielleicht kein Antikörper nachweisbar ist, man aber vor schweren Verläufen trotzdem geschützt ist, weil doch das Immunsystem einen gewissen Schutz aufbaut und das sieht man zum Beispiel bei den Grippe-Impfungen.
Die sind ja nicht so erfolgreich oder haben nicht so hohe Effizienz wie die Impfung gegen SARS-CoV-2. Wie gesagt, von 90 Prozent würden wir träumen. Trotzdem habe ich in den schweren Grippesaisons, in denen ich im Krankenhaus gearbeitet habe, nicht gesehen, dass jemand einen schweren Verlauf hatte, wenn er geimpft war. Das waren wirklich die Ungeimpften. […]
Hennig: Haben Sie in der Forschung mittlerweile denn eigentlich mehr Anhaltspunkte, unter welchen Bedingungen Antikörper auch neutralisierende Antikörper sein können? Also wann und wie viel da durch die Impfung zustande kommen können? Und was die dazu macht? Oder ist auch das noch eine ganz weit offene Frage?
Ciesek: Wir haben da nur begrenzt Daten selbst erhoben. Ich sehe da im Moment noch kein wirklich schlüssiges Muster, wer jetzt vor allen Dingen neutralisierende Antikörper macht. Was man grob gesehen hat, war, dass die, die eine Infektion hatten und dann eine Impfung bekommen haben, nach Infektion deutlich besser neutralisiert hatten als die, die nur geimpft wurden.
@Sodis