Gerade bei so Themen, wo sich jemand gerade einfach mal auskotzen oder beschweren will, hilft „radikale Ehrlichkeit“ sicherlich überhaupt nicht.
Es geht da ja nicht darum, die große Lebenslüge aufrecht zu erhalten, oder jemandem zu sagen „Ja, ist ne Spitzenidee, dafür 10k€ auszugeben, mach doch mal!“, sondern eher um die Kleinigkeiten, wo man vielleicht anderer Meinung ist / Sachen anders sieht, aber in dem Augenblick einfach weiß, dass die Person gegenüber diese Aussage nun wirklich nicht braucht.
Es wäre zB nie gut, jemandem zu sagen, dass sein Baby hässlich ist. Wenn man gefragt wird, dann ist es natürlich ein süßer Fratz, das niedlichste Baby auf der Welt und nichts anderes.
Die Braut sieht an ihrem großen Tag auch immer hübsch aus. Egal, was man eigentlich denkt.
In solchen Fällen die Wahrheit zu sagen bringt überhaupt nichts außer schlechte Laune. Lügen sind in nem gewissen Rahmen also schon wichtig und nötig.
Ich denke, das würde meine Beziehung verbessern. Ich neige dazu, oft „weiß nicht“ zu antworten, wenn eigentlich eine konkrete Antwort gewünscht wird. Wenn ich das nicht mehr sagen könnte, würde da ein Diskussionspunkt schonmal wegfallen, bzw. wenn ich’s dann sage, wäre auch klar, dass es mir wirklich egal ist
Dachte ich mir auch, dass gerade ja Politiker dann einen guten Vorsprung haben, weil sie sich alles zurechtschwurbeln können, ohne irgendwas eindeutiges zu sagen
Spätestens in Fragerunden mit eindeutigen Ja/Nein-Fragen würde man dann zumindest besser erkennen, wer schweigt und vermutlich was zu verbergen hat.
Vor allem die zwischenmenschlichen kleinen Alltagslügen wären vermutlich eher ein Problem.
Doch wenn sich dadurch auf globalwirtschaftlicher und -politischer Ebene etwas verbessert, über die Zeit mehr Transparenz entsteht, könnte das für eine globale Weltgemeinschaft schon zuträglich sein.
Ein Jahr ist dafür sicherlich zu wenig. Dennoch würde man wohl Effekte sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung beobachten können, nehme ich mal an.
Das was der Gesellschaft vielleicht derzeit am meisten fehlt, ist ein ehrliches „ich weiß nicht“.
Das einfach mal ganz laut ausprechen und an Wände sprayen.
Stattedessen werden allerorts Antworten auf Fragen angeboten und herumgeplärrt, auf die man (derzeit) keine Antwort hat. Im Kleinen für sich selbst, wie im Großen halt global-gesamtgesellschaftlich.
Alle haben Angst ohne Antwort dazustehen und so wird sich mit heißer Nadel eine Antwort ersponnen, weil man lieber irgendetwas sagt, als gar nix und dann vermeintlich für „dumm“ gehalten wird.
Sagt ihr bei Anfragen oft „(ich) weiß nicht“ oder vergleichbare Unentschlossenheitsantworten, auch wenn ihr zumindest eine tendenzielle Neigung zu einer der Möglichkeiten hättet.
Beispiele wären was ihr zum Essen bestellt/kocht oder ob/wo ihr zu einer Unternehmung/Aktivität hingehen möchtet.
In einer Welt, in der Schweigen eine Option ist, finde ich das nicht. Nehmen wir das Baby-Beispiel: Ich würde nicht zu einem Baby, dass ich, warum auch immer, abgrundtief hässlich finde, sagen, dass ich es super süß finde. Ich würde aber auch nicht sagen, dass ich es hässlich finde.
Naja, aber das Schweigen kann man ja dann auch entsprechend interpretieren.
Wenn man beim Beispiel „Findest du das Baby auch so niedlich?“ bleibt und statt nichts zu sagen einfach schweigt (vor allem in dem Wissen, dass jeder nur die Wahrheit sagen kann), weiß man ja eigentlich auch, dass die ehrliche Antwort negativ ausgefallen wäre.
Aber grundsätzlich ja, manchen würde mehr schweigen gut tun…
Ich sage meistens „ich weiß nicht“, weil ich tatsächlich keine Neigung habe. Essen ist mir z.B. 99% der Zeit ehrlich egal. Kann auch gerne auf warme Mahlzeiten verzichten. Mein Mann kann das nicht nachvollziehen und denkt, ich will mich nur nicht entscheiden
Ich vermute aber, dass ich bei manchen „ich weiß nicht“ Antworten vielleicht doch eine (leichte) Präferenz habe, sie mir aber nicht wichtig genug ist und ich nicht ernsthaft drüber nachdenke
Naja, aber deshalb wirst du jetzt sauer? Die höfliche Variante ist zu Schweigen und doch nicht zu lügen
Zumal du ja auch eine ehrliche, aber ausweichende Antwort geben kannst, die die Frage nicht beantwortet. Indem du bspw. andere positive Eigenschaften des Kindes hervorhebst, die über das Aussehen oder Niedlichkeit hinausgehen