Artikel über einen (zukünftigen) AfD-Wähler
Patrick Roetzel und seine Frau, Anwalt und Zahnärztin, Ferienwohnung auf Mallorca. „Wir sind so ein Klischee“, sagt sie und lacht.
Er sagt: „Wie Sie sehen, ich bin nicht einer, der in Sachsen-Anhalt ums Überleben seiner Bäckerei kämpft.“
Vorweg sei gesagt: Er ist ein angenehmer Mann. Er redet nicht aufdringlich, eher leise. Er höhnt nicht. Er hält inne, sodass es ein Gespräch ist, kein Monolog. …
Aber warumwarumwarum die AfD? Diese Partei?
Patrick Roetzel und seine Frau sprechen darüber, was in Deutschland alles nicht funktioniert. Ihre Liste:
- Schulen, … Die ungleiche Vermögensverteilung. Unfassbare Reichtümer auf der einen Seite, Lebensmitteltafeln auf der anderen, Drastisch steigende Obdachlosigkeit, Die gesundheitliche Versorgung. …Und was war das bitte in Afghanistan? Nach 20 Jahren westlicher Intervention sitzen die Frauen da immer noch unter der Burka.
Interessant ist das warum
Ein Soziologe hat kürzlich in einem Interview gesagt, es gebe im Prinzip drei Motive, die AfD zu wählen.
„Erstens“, sagt der Soziologe, „spricht die AfD besonders Milieus an, die sich vom Abstieg bedroht oder im Abstieg befindlich sehen.“
das ist hier nicht der Fall
„Zweitens gibt es Wählerinnen und Wähler, die sich zu autoritären, chauvinistischen oder rassistischen Positionen bekennen.“
auch das hier trifft nicht zu
„Das Dritte ist: Es ist der AfD (…) gelungen, das fundamentale Nein zur Politik auf sich zu vereinen.“
das trifft wohl bei dem Interviewpartner zu. Er lehnt die gesamte Politik ab
Patrick Roetzel findet vor allem die Leute, die Politik machen, schlimm. Robert Habeck. Der sei sicher ein total netter Typ, aber als Wirtschaftsminister? Christine Lambrecht.
Doch Roetzels Kritik beschränkt sich nicht auf die Grünen und die SPD.
Jens Spahn, CDU: kauft sich eine Millionenvilla mitten in der Corona-Krise.
Christian Lindner, FDP: hat keine Ahnung von Steuern. Und heiratet auf Sylt. „Ich gönne es ihm, aber was ist das für ein Signal?“
Gut findet Roetzel Norbert Röttgen, Boris Pistorius. Früher Joschka Fischer und Gerhard Schröder. Weil sie nicht umfielen, wenn es schwierig wurde, weil sie für etwas einstanden und nicht lavierten.
aber warum dann die AfD wählen
Gut, ja, aber warum AfD? Erwartet er bei dieser Partei mehr Verantwortungsgefühl und Selbstkritik?
Überhaupt nicht. Sein Kalkül gehe so: Wenn die AfD groß wird, noch größer, fangen die etablierten Politiker mal an, nachzudenken. Mal wieder rauszugehen vielleicht. Sich ernsthaft die konkreten Probleme der Leute anzuhören.
und am Ende teilt er fast keine inhaltliche Position mit der AfD, aber will Zeichen setzen
Mit allen Parteien teile er inhaltliche Positionen, er findet, die Schuldenbremse müsse reformiert werden, sodass Investitionen in Straßen, Schienen, Verwaltung möglich sind. Er findet, dass das Vermögen ungerecht verteilt ist, weil das Beitrags-, Erb- und Steuersystem Reiche bevorzuge. Er findet, dass Greta Thunberg den Friedensnobelpreis verdient hätte, weil sie, ganz allein, es geschafft habe, eine Bewegung zu gründen (wenn sie auch derzeit kein gutes Bild abgebe). Das Thema Migration interessiere ihn nicht über die Maßen. Mit der AfD also, sagt Roetzel, die weder für Investitionen noch für eine andere Vermögensverteilung eintritt, verbinde ihn inhaltlich eigentlich nichts.