Die Arbeiterklasse im Film

Hallo. Ist Euch mal aufgefallen, dass Helden in Filmen fast nie Teil der Arbeiterklasse sind? Entweder sind sie Politiker, Militärs, Ärzte, Architekten, Ingenieure, Wissenschaftler, Akademiker, Polizisten, Studenten oder Menschen aus dem Finanzsektor etc…

Und wenn mal dann doch jemand aus der Arbeiterklasse kommt, ist das dann auch direkt Thema des Films und wird als ein negativer Zustand dargestellt, aus dem die Charaktere ausbrechen müssen.
Oder es wird direkt komplettes Elend dargestellt.

Filme in denen ganz natürlich ein Held auch Maler, Maurer oder Gärtner sein kann, sind äußerst selten.

Mein Frage: Stimmt das oder ist das nur meine Wahrnehmung? Und warum ist das so (wenn es stimmt)? Weil Filmemacher selber aus einem akademischen Umfeld kommen? Weil sie keine anderen Millieus kennen?
Bieten die eingangs erwähnten Berufe die interessanteren Geschichten? Ist es glaubwürdiger oder traut man Arbeitern einfach nicht zu, Held zu sein?

In einer Welt, wo identitätspolitisch gerade alles abgeklopft wird, sollte man die soziale Frage nicht außer Acht lassen.

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Das ist ein dramaturgischer Trick. Arm und überarbeitet sind wir selbst, das wollen wir nicht während des Eskapismus sehen. Ausnahme ist hier der Held aus der Arbeiterklasse, der es nach ganz oben schafft.
Deswegen haben viele Protagonisten auch Wohnungen deren Größe ihr theoretisches Einkommen weit übersteigen sollten. Eine kleine Wohnung sehen wir 8h am Tag.

Im Hollywood- und Blockbusterkino wird viel idealisiert, um zum Eskapismus beizusteuern. Wenn man Filme über die Arbeiterklasse sehen will, gibt es ganze Genres, die sich nur darum drehen; nur halt nicht im Mainstream.

Zu nächst haben gebildete Menschen auch höhere Chance das ihr spezielles Wissen die Welt retten könnten.
Ein Maurer oder Gipser wird ja nicht den Supervirus entwickeln, den man dann in den Aliencomputer einschleusen kann.

Es gibt davon abgesehen viele Filme, in denen der Bildungsstand des Helden erst gar nicht näher erwähnt wird. Weil es auch nichts mit der Story zu tun hat.

Solche filme gibt es sind aber selten.

Vieleicht ein blödes beispiel aber hier…

  • Good Will Hunting (1997) - Will ist jedoch nicht bereit, das vertraute Hilfsarbeiterleben mit seinem Kumpel Chuckie gegen ein bürgerliches Dasein einzutauschen. Den entscheidenden Impuls, sein Leben zu ändern, bekommt Will allerdings von seinem besten Freund Chuckie, als dieser ihn dafür zur Rede stellt, dass Will aus seinen Fähigkeiten nichts macht („Du hast einen Lottoschein mit sechs Richtigen in der Tasche und bist zu feige, ihn einzulösen, das ist Schwachsinn!“). Chuckie sagt, ihn würde es am glücklichsten machen, wenn Will eines Tages einfach verschwunden wäre, ohne Abschied, um Größeres anzugehen.

Elysium (2013) - Vorbestrafter Arbreiter wird zum Held und stirbt dabei

Mir faellt dazu z.B. der italienische Neorealismus ein auf den ich selbst erst vor nicht allzulanger Zeit gestossen bin. Da ist es wohl ein Merkmal das die Filme in den aermeren Schichten und der Arbeiterklasse spielen:

Mir würde spontan Armageddon einfallen, dort sind alle Helden ja iirc Arbeiter einer Ölbohrinsel. Dass die Leute aus der Arbeiterklasse kommen wird glaube ich nicht besonders negativ dargestellt, eher noch wird ihre spezielle Erfahrung positiv dargestellt.
Gibt sicher noch mehr Filme aus der Richtung „Mensch aus der Arbeiterklasse outperformed Professionelle aufgrund von Erfahrung“.

Vielleicht noch der Film, in dem ein Zug unkontrolliert auf eine Kleinstadt zurast.

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Das fünfte Element :smiley:
Oder bei den meisten Western. Beispielsweise Spiel mir das Lied vom Tod. Hier entsteht ein Kampf gegen einen kaltblütigen Geschäftsmann.

unter anderem hats damit zu tun, dass die genannten berufe mit gewissen ideen für stories schon automatisch verknüpft sind (wenn du nen polizisten hast, wird das denk ich mal mindestens in 90% der fälle direkt aus der story an sich zwanghaft hervorgegangen sein, bei polizisten auch, bei wissenschaftlern - akadamikern entsprechend.) da stand also zuerst die idee für eine geschichte, und dann stellte sich die frage nach dem beruf gewisser hauptfiguren schon gar nicht mehr, da die unumgänglich so und so sein mussten für die geschichte. arbeiterberufe sind halt mit weniger krassen, interessanten story-ideen von natur aus verknüpft (was sich anhand der ausführungen weiter unten schön zeigen lässt:)

generell gelten arbeiterjobs als nicht sehr… interessant, würde ich mal sagen. du kannst, wenn du nen bürojob darstellst, zumindest interessante akten auftauchen lassen, mit krassen informationen, oder wenn man nen beruf mit personenkontakt darstellt, humor bezüglich der dummen kunden einbauen. aber was willste halt über nen maler und dessen alltag erzählen? klar, der ist auch mal bei anderen leuten. aber das ist dann auch so das beste, woran man ne szene aufhängen könnte, was mir so auf die schnelle einfällt.

ich glaube, dass sogar überwiegend vergleichsweise reiche leute in filmen und geschichten dargestellt werden. (historisch vor allem dadurch zu erklären, dass man kaum überhaupt autor sein oder im mittelalter generell schreiben konnte, wenn man nicht wohlhabend war. geschichten der vergangenheit werden ja auch tendenziell zu klassikern, wenn sie dann noch dieses und jenes thema berühren, was dann auch tatsächlich oft von autoren stammte, die zugleich die zeit und das geld und von haus aus die vorbildung hatten, sich mit vielem zu beschäftigen, viel zu lesen, oder gar selbst zu forschen (goethe hat sich meine ich sogar als naturwissenschaftler identifiziert))
generell gilt aber: reichere figuren bieten einfach mehr optionen für stories, bzw. dramaturgie: du kannst die interessantere hobbies haben lassen, mehr gegenstände haben lassen (die handlungsrelevant sein können) sie haben zusätzliche fallhöhe (geld, karriere, prestige, generell kann man mit mehr geld näher am „ideal“ vom trauten heim und mehr oder weniger „traum“-familie stehen, ergo kann man auch eher all das in einer story verlieren) und sie haben einfach berufe, die in vielfälltigerer hinsicht abwechslung bieten, ergo kann da einfach mehr passieren, sie haben auch mehr verantwortung (entscheidend für dramaturgie und fallhöhe) ihre berufe werden denke ich auch eher über das treffen von entscheidungen definiert als über das grobe einhalten von regeln, die schon im voraus klar sind und für alle kollegen identisch wären.
wenn du dann noch kreative berufe hast (nicht nur künstler, auch architekten, journalisten, sogar akademiker brauchen kreativität), kommt noch der faktor des kreativen genies und generell das einzigartige in jedem kreativem werk hinzu. und die persönlichkeit drückt sich im werk aus.
für stories brauchst du viele wichtige entscheidungen, die der charakter trifft, die zeigen, wie er denn nun ist, und die am besten auch mit potenziell dramatischen konsequenzen einhergehen.
nimmst du also nen bauarbeiter, hast du jemanden, der eher einem protokoll folgt, nicht viel verantwortung im vergleich zu vorgesetzten trägt, und in dessen beruflichen entscheidungen sich wohl auch nicht so sehr seine persönlichkeit ausdrücken wird.

insofern macht es SEHR viel sinn, dass die arbeiterklasse in filmen weniger vertreten wird.

aber als gegenbeispiel: armageddon.

Herr der Ringe, der Held ist ein einfacher kleiner Hobbit.

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Seh ich komplett anders und ich gehe zusätzlich davon aus, dass der abwertende Grundton in deinem Beitrag unbewusst geschah.
Zum Thema empfehle ich unbedingt die Doku Workingman’s Death:

welcher abwertende grundton?

wenn irgendeine meiner ausführungen falsch wäre, wäre es auch meine konklusion (die du zitiert hast)
wenn meine ausführungen aber alle stimmen, dann kann man schwerlich die konklusion aus diesen leugnen.
also gibt es einen PUNKT meinerseits, dem du widersprichst?

Schon, aber lass mal.

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wenn du mit „sinn“ meinst, dass es „gut“ ist (was ein wenig schwammig wäre - da „güte“ schwammig ist - aber nachvollziehbar), dann kann ich dir ja zustimmen, aber ich meine mit „sinn machen“, dass es sehr nachvollziehbar ist, dass es so passiert, anhand guter gründe. (der gründe, die story-schreiber nunmal bezüglich der kunst des story-schreibens beachten)

„aber lass mal“

sehr schade.

Weil man einfach viel besser spannende Dinge zeigen kann in einem Film und der Held auch die Fähigkeiten dazu hat.

Der Cop ermittelt dann eben mithilfe seiner Polizeikontakte und kann schiessen.

Der Anwalt kann eben gegen den großen Konzern kämpfen (Erin Brokovich)
der Gärtner würde in dem Fall einfach nur neben seinem Anwalt sitzen.

noch dazu wissen die Schreiber eben, bei bestimmten Berufen wie man sie interessant gestaltet, bei einem Gärtner oder Buchhändler
müsste man sich eben was neues einfallen lassen.

Beim Cop oder Soldat ist alleine schon der „Arbeitsalltag“ interessant für den typischen Kinogänger.
Beim Maler, Gipser,Büromensch und co könnte man das höchstens für ein paar Minuten zeigen, aber dann müsste der Maler eben was anderes machen, weil „der Alltag eines Malers etc“ eben langweilig ist.
Sprich es ist eben einfacher eine Story zu schreiben, in der der Cop den Killer jagt, als in der der Gärtner zufällig da reingezogen wird und man dann für den Rest des Films das „gärtnern“ ignoriert, weil man den Gärtner ja irgendwie auf interessante Art, ohne das die Polizei alles macht, mit der Handlung vorranbringen muss.

Plust Storyschreiber sind teilweise faul.
Wenn ein Interessanter Verbrecher erfunden wurde, ist es viel einfacher ihnen einen interessanten Cop gegenüberzustellen, als einen Gärtner der dann wieso auch immer an der Polizei vorbei, die Verfolgung aufnimmt.

normale Jobs kommen eben dann meist eher bei Sozialdramen, komödien etc vorher.

normale Jobs

Folgende Filme / Filmreihen fallen mir als Gegenbeispiel ein, in denen (aber) auch die Entwicklung von Personen dargestellt wird.

  • Herr der Ringe (Sam ist sogar Gärtner :sweat_smile:)
  • The wolf of Wolfstreet - hier sieht man ja den Aufstieg zum Finanzler
  • Knive Out - Pflegekraft
  • Divergent - Wechsel von der sozialen “Kaste” in die Abenteuer/Militärkaste

In keinem wird der Hintergrund als negativ dargestellt.

Sooo richtig viele sind es auch nicht geworden die mir eingefallen sind, aber sehe auch denHintergrund bei den Storyschreibern und dem fehlenden Feld.
Ein Pinselschwingender Superheld der mit Farbeimer nachts die Verbrecherjagd funktioniert vielleicht sehr gut als lustiges Taschenbuch, aber denke viele würden bei nem Blockbuster eher eine Augenbraue hochziehen.

Sowas ähnliches ist ja in Kickass dargestellt. Aber hier ist der Held eben auch ein Schüler :thinking:

Edit:
The Secret Life of Walter Mitty - Fotoentwickler bei einer Zeitung :green_heart:
Wahrscheinlich ein Film der tatsächlich viele Augenbrauen hochgehen lassen würde, wenn man zwischen den atemberaubenden Bildern Zeit hätte darüber nachzudenken wie realistisch die Flugerreichbarkeit und Kostenübernahme sind :joy:

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Ich würde vermuten es liegt daran, dass man den Job der Protagonisten direkt mit der Handlung verknüpft oder es ein Job sein muss der viel Freiheit erlaubt. Journalist, Künstler oder Student sind alles Dinge bei denen man potentiell viel rumkommt und sich Zeit selbst einteilen kann.
Hat der Hauptcharakter jetzt einen normalen Bürojob muss ich als Schreiberling erst einmal einen Grund finden warum die Person in die Handlung involviert ist und ob sie dann einfach normal am Tag 8-10 Stunden arbeiten geht oder dier Arbeit schwänzt oder oder.
Das wirft alles erst einmal Hürden in den Weg.

Generell würde ich der Aussage aber auch nur bedingt zustimmen, da es auch sehr Genreabhängig ist

Scarface? Oder ist der schon wieder unter der Arbeiterklasse als Einwanderer? Wobei man jetzt natürlich streiten könnte ob Tony Montana überhaupt ein Held ist.

Hier ist doch auch die Katharsis des Films der Ausbruch aus den Umständen. Will ist zwar Teil der Unterschicht, aber doch eigentlich etwas „Besseres“, der seine Potenziale nur nicht ausschöpft.

Dallas ist zwar Taxifahrer, aber auch Ex-Militär. Was übrigens ein sehr beliebtes Mittel ist, weil es erklärt, warum der Held mit Waffen umgehen kann.

Wie du ja schon schreibst: Hier geht es um den Aufstieg zu Reichtum, um eben nicht mehr in der Arbeiterklassse sein zu müssen. Das ist besonders in „Knives Out“ deutlich, wo das Happy End eben ist, dass die Heldin nicht mehr als Pflegerin arbeiten muss.

Das sehe ich komplett anders. Walter Mitty ist ja in seinem Job kein glücklicher Mensch. Er will ausbrechen und tut das ja mit Tagträumen. Erst der Künstler - der Fotograf (Sean Penn) - muss ihm offenbaren , wo die kleinen kreativen und künstlerischen Dinge sind, an denen er sich in seinem grauen Alltag erfreuen darf.

Dass Du Walter Mitty bringst ist ziemlich lustig, weil ich das tatsächlich für einen der abfälligsten Filme gegenüber den „einfachen“ Menschen halte.

Den Punkt kann mann tatsächlich machen.

Es mag vielleicht kein besonders guter Film sein, aber bisher gefällt mir am besten das Beispiel „Armageddon“ :smiley: Es werden zwar auch ein paar Witze auf Kosten der Arbeiter gemacht - z.B. als man die Truppe einsammelt und sich alle ziemlich Asi benehmen -, aber eigentlich ein schönes Plädoyer dafür, dass handwerkliche Arbeit auch etwas wert ist und manchmal das Hirn eben nicht weiter hilft. Andererseits dürfen die dann aber auch Astronauten sein und verlassen theoretische ihre „Klasse“.

Und generell: Ich gebe dem Tenor des Threads grundsätzlich recht, dass die Storys durch das Verwenden von gewissen Jobs plausibler werden und teilweise in den Berufen schon die Story liegt.

Trotzdem würde ich mir mal einen Film wünschen, in dem jemand in der Arbeiterklasse glücklich ist, darin bleibt und trotzdem der Held ist.
Außerdem wird etwas übertrieben, indem man sagt, dass der Maler dann mit Farbeimer und Pinsel die Welt retten muss. Das sind ja keine Superheldenfähigkeiten , die er verwenden muss. Er kann ja auch eine Waffe benutzen oder Computer benutzen oder Action machen. Gerade letzteres wäre vielleicht sogar plausibler, als wenn das ein Anwalt oder Finanztyp macht, weil der Maler wenigstens körperlich arbeitet und fit sein muss.

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