Nur um diesen zitierten Paragraphen in Kontext zu setzen: eigentlich zielt der Paragraphen gegen Streamen und der Download von Musikdateien sowie das Kopieren von längeren Textpassagen. Und auch die 155 Rechtsfälle die sich auf dejure.de zu dem Paragraphen finden, beziehen sich auf Streaming/Filesharing.
Gerade bei der Überführung von Texten in Videoausschnitten gibt es leider einen gewissen Graubereich, wann und wie Texte übernommen werden (dieses schöne Wort Schöpfungshöhe).
Es ist jedenfalls keine wissenschaftliche Arbeit, mit dem sich die Person einen akademischen Titel „erschlichen“ hat. Würde den Fall eher mit den Plagiatsvorfällen gegen Annalena Barboeck vergleichen:
Etwa in Bezug auf die Formulierung „Wer immer nur von der Gegenwart aus denkt, verharrt in der Kurzfristigkeit und verliert an strategischer Tiefe“ in Baerbocks Buch. Der letztere Satzteil stammt offenbar aus einem Aufsatz der Politologin Florence Gaub, in dem es heißt: „Wer ständig in Krisen denkt, verharrt in der Kurzfristigkeit und verliert an strategischer Tiefe.“
Nach Prof. Rieble sei die übernommene Formulierung zwar recht kurz, was gegen eine Rechtsverletzung spreche, doch einige Gerichte könnten durchaus zu dem Schluss kommen, die Formulierung sei originell genug, um urheberrechtlichen Schutz zu bejahen.
[…]
Rechtsanwalt Harro von Have konstatiert: „Würden alle Textübernahmen aus einem Werk stammen, würde man als Anwalt des Betroffenen ein Unterlassungsbegehren empfehlen. Die Übernahmen stammen aber aus unterschiedlichen Quellen. Auch wenn sie teilweise Rechte verletzen, sind die einzelnen Eingriffe so untergeordnet, dass man darüber in der Regel keinen Rechtsstreit führen würde.“
Unabhängig von der juristischen Bewertung sieht Rechtswissenschaftler Prof. Volker Riebel die neuen Funde auch in Sachen Redlichkeit als deutlich problematischer an. Da es nicht mehr nur um Übernahme von faktenbasierenden Formulierungen, sondern auch um gedankenbasierender Formulierungen gehe, sei eine „Irreführung der Leser“ nun greifbar.
Will nicht sagen, dass das Verhalten weniger vorwurfsvoll ist (und insbesondere angesichts des doch inzwischen aufgekommenen Ausmaßes, das es eben kein Einzelfall ist, wo die Zitierung leider vergessen wurde, sondern es leider eine gewisse Systematik hat) - und eindeutig gegen den Ethos von Journalisten verstößt:
Aus dem Ehrenkodex der österreichischen Presse:
2.2. Durch Anführungszeichen gekennzeichnete Zitate müssen so weit wie möglich den Wortlaut wiedergeben. Eine lediglich sinngemäße Wiedergabe darf nicht unter Anführungszeichen gesetzt werden. Anonyme Zitierungen sind zu vermeiden, sofern es nicht um die Sicherheit der zitierten Person oder die Abwehr eines anderen schweren Schadens von dieser geht.
3.1. Für die Leserinnen und Leser muss klar sein, ob es sich bei einer journalistischen Darstellung um einen Tatsachenbericht oder die Wiedergabe von Fremdmeinung(en) oder um einen Kommentar handelt.
Aber auch nicht vergessen:
2.3. Beschuldigungen dürfen nicht erhoben werden, ohne dass nachweislich wenigstens versucht worden ist, eine Stellungnahme der beschuldigten Person(en) oder Institution(en) einzuholen. Handelt es sich um die Wiedergabe einer öffentlich erhobenen Beschuldigung, ist dies deutlich kenntlich zu machen.
(was wahrscheinlich der Grund war, warum die Redaktion und auch die Moderation so „langsam“ vorgeht).