Viele sehen halt nur diese „du hast 24/7 für dich und deiner Hobbies“. Was man nicht sieht, ist die Eingeschränktheit, ggf. das man sich in der eigenen Wohnung wie ein Gefangener fühlt, weil man nichts mehr hinbekommt. Und das man von den 24 Stunden am Tag über jeden Moment froh ist, der einen ein wenig aus diesem tristen Alltag rausholt und ablenkt.
Von daher kann ich verstehen, wenn man dann auch noch zu hören bekommt, dass man doch so viel Zeit für sich hat, dass man sich erst recht nicht mehr traut, auch mal positive Ereignisse zu teilen, weil man dann fürchtet direkt wieder zu hören, warum man dann nicht mehr macht. Was man oft nicht sieht ist eben, wie lange es gedauert hat, bis diese eine Stunde mal mal tolles gemacht zu haben, zustande kam.
This.
Dabei ist es unfassbar wichtig, dass man positive Ereignisse teilt, wenn man betroffen ist.
Da kann dann ein Waldspaziergang, so banal es für andere auch sein mag, wie ein Sechser im Lotto sein, besonders dann, wenn man es nicht mehr wirklich schafft das Haus zu verlassen. Oder ein Buch lesen.
Als depressive Person tanzt man häufig auf Messers Schneide: teilt man sein Leid mit, ist es häufig aus Sicht anderer Gejammer und man solle mal Urlaub machen und teilt man etwas Positives, dann geht es der Person plötzlich scheinbar zu gut und so schlimm kann das mit der Depression dann ja nicht sein. Es ist wirklich erschreckend, dass noch immer so viele Vorurteile herrschen, obwohl doch mehr und mehr Menschen betroffen sind.
Ich spreche da leider auch aus eigener Erfahrung. Habe hier im Forum ja auch gerne mal meine Momente, wo es gar nicht mehr geht und ich das dann mitteile (und mich hinterher furchtbar schäme ).
Was ich an dieser Stelle gerne empfehle: Erfahrungsberichte lesen. Sich schlau machen, wie man Betroffene als Angehöriger/Freund/whatever unterstützen kann. Man muss die Krankheit nicht verstehen. Das kann man nicht. Sie ist von Person zu Person einzigartig wie ein Fingerabdruck. Es gibt vll hier und da mal Ähnlichkeiten, aber am Ende ist es ein ganz eigenes Päckchen, das man da trägt. Das kann einem niemand abnehmen, aber zumindest mit Worten und Taten ein klitzekleines bisschen leichter machen.
Und selbst das Tolle ist eine Interpretationssache. Man weiß als Außenstehender nicht, weshalb da was gemacht wurde. Waldspaziergang wegen der hübschen Natur oder Waldspaziergang, weil man gerade emotional in einem sehr tiefen dunklen Tal lebt.
Es ist ja für die betroffene Person u.U. nicht mal ein positiver Nebeneffekt.
Meiner persönlichen Erfahrung nach war das bei mir so, dass ich mich zu Dingen gezwungen habe, um mich nicht den ganzen Tag zusammengerollt im der hintersten Ecke des Bettes zu verkriechen. Diese Dinge mussten eine möglichst geringe Hürde darstellen, allerdings waren sie trotzdem für mich extrem anstrengend und dabei Freude empfinden konnte ich überhaupt nicht.
Dann kam hinzu, dass ich selbst diese Dinge nicht anerkennen konnte, sondern sie in das Selbstabwertungsschema eingebaut habe „nicht mal das kannst du“ oder „aber dies/das hast du nicht geschafft“
Und wenn man dann irgendwo eingeladen ist und erzählt, dass man mehrere Stunden spazieren war, auch mal lacht und einen Witz macht, dann erntet man (offen oder hinter vorgehaltener Hand) „Wieso arbeitet der denn nicht?“ oder „Das Leben hätt ich auch gern“.
Ja dann vielen Dank auch für die nächsten 2 Wochen zusammengerollt in der hintersten Ecke des Bettes mit selbstverletzenden Kopfsalat.
Frag sie mal was für Medikamente sie bekommt, die will ich auch
Ich kann verstehen, dass es für Leute, die sich damit beschäftigt haben und ggf. betroffen sind befremdlich sein kann, wenn jemand sowas sagt. Aber wenn man halt „nur“ jmd kennt, der betroffen ist, man nicht weiß, ob man die Person fragen kann, oder ob das unangenehm wäre etc. und nur die reinen Erzählungen kennt, ohne das was dahinter steckt, finde ich kann man einfach nicht alles wissen. Und da finde ich die Lösung hier zu schreiben, wo viele Menschen auch offen mit ihrer Erkrankung umgehen, eigentlich eine gute Lösung. Um ggf. das Verständnis zu bekommen und aus erster Hand erklärt zu bekommen, was was es bedeutet.
Aber man kann sich ja nicht einfach entscheiden, nicht neidisch zu sein. Das Gefühl ist doch einfach da.
Ich kann sogar verstehen, das man auf diesen Aspekt „viel Freizeit“ Neid empfinden kann. Das ist ja an sich erstmal nur die Info, das man ich mit meiner eigenen Freizeitsituation möglicherweise nicht zufrieden bin.
Die Emotion macht da ja keine genaue Situationsanalyse. Die müssen wir nach erkennen der Emotion ja immer noch selber vornehmen. Und können dann feststellen, das dieses Gefühl in der konkreten Situation nicht sinnvoll ist.
(Oder ist das nicht normale und nur mal wieder meine etwas verquere Wahrnehmung?)
So wichtig, dass ich’s nochmal hervorheben möchte.
Ich finde es eigentlich sehr beeindruckend, wie es die geschilderte Person schafft, ihren Alltag so zu strukturieren und solchen Aktivitäten nachzugehen. Denn dieses „im Bett liegen und zerbrechen“ ist leider oft die Realität.
Ich weiß nicht, ich kann da keinen Neid empfinden, weil ich das alles nicht ausgeblendet bekomme.
Nein, aber man kann versuchen dieses Gefühl zu verstehen und daran arbeiten, es nicht immer zu empfinden. Denn das macht das eigene Leben nicht schöner. Und wenn man weiß, wen man beneidet (was hier der Fall ist), sollte man sich hinterfragen, warum eigentlich und ob das ein Faktor ist:
Ja klar, sie einordnen und so ist ja unerlässlich.
Die Emotion macht da ja keine genaue Situationsanalyse. Die müssen wir nach erkennen der Emotion ja immer noch selber vornehmen.
Aber nur weil ich weiß, woher ein Gefühl kommt und was die Ursache ist, oder warum es in Situation x unangebracht ist, geht es doch nicht weg
Ich kann lernen es zu ignorieren, aber es bleibt doch da
(Wie gesagt ich und Emotionen verstehen uns nicht gut, vllt ist meine Wahrnehmung da anders)
Ich denke, du verstehst mich falsch.
Emotionen sind da. Punkt. Aber man kann daran arbeiten, wie man mit denen umgeht und warum man da Neid empfindet. Und wenn man für sich raus hat, warum man neidet, beneidet man Ende vielleicht nicht mehr jemanden, der aufgrund von Erkrankung Arbeitsunfähig ist. Es wird erkannt, was dahinter steckt und was der Preis ist. Dadurch wird diese erworbene Freizeit plötzlich sehr unattraktiv für die Person und der Neid verschwindet.
Ich meine, beneidet ja nicht alle und jeden 24/7. Beneidet man den schwerbehinderten, dass er nicht arbeiten geht? Vermutlich nicht. Beneidet man den reich Erbenden, der nicht arbeiten geht? Vermutlich eher.
Mir geht es wirklich darum zu reflektieren, warum man kranke Menschen wirklich beneidet. Sie bieten sowieso keine Vergleichbarkeit, woraus ja Neid oft kommt.
Denke mal, dass das mehr schaffen als man zunächst glauben mag.
Es gibt auch noch Dysthymie. Chronische depressive Verstimmung mit starken Tiefphasen.
Ich vermute mal, es hilft das die Person viel family support hat und sich um vieles (Strom, Wohnung, viele einkäufe etc) keine Gedanken machen muss, das hilft enorm.
Es ist denke ich ein großer Unterschied ob man zusätzlich zur depression noch von dem bisschen was man an Krankengeld und co kriegt noch wohnung und alles bezahlen muss bzw mit sozialhilfe und co noch papierkrieg führen muss.
Plus Familienmensch mit viel Family in der Gegend und viele Kinder in der verwandschaft, so dass sie da viel involviert ist und oft Leute besucht.
Oder man erkennt es einfach an, dass es die Person von selber geschafft hat.
Aber keine sichere Sache und Heilmittel. Oft ist so eine Konstellation gegeben und Leute dennoch so schwer depressiv, dass jede einzelne Aktivität Wochen an Kraft kostet. Das eine kann was verbessern, muss es aber nicht. Wichtig ist es zu betonen und zu honorieren, wenn sich die Person überwunden hat (und das kann sie immer nur selbst), dass sie es tat.
Aber das hab ich doch selber, wenn auch deutlich kürzer, auch geschrieben.
Und du sagst ja selber
Wenn ich jetzt dadurch festgestellt habe, dass ich Person A z.B nicht in Bezug auf den Aspekt Freizeit beneiden muss, weil es halt viel mehr ist. Dann bleibt das Gefühl evtl. Aus, weil diese Situationsanalyse bereits mit ihm verknüpft ist.
Aber dann kann es doch trotzdem wieder passieren, dass ich Neid empfinde, wenn mir Person B von einem schönen langen Waldspaziergang erzählt, den ich auch gern mal wieder machen würde. Das kann ich wieder reflektieren und feststellen, dass es aufgrund der Situation eigentlich nichts zu beneiden gibt.
Ich kann mir halt nicht vorstellen, dass es funktioniert Emotionen für einen bestimmten Personenkreis einfach auszublenden. Das Reflektieren, Einordnen, Ignorieren geht schneller/automatischer. Aber die Emotion ist trotzdem da.
Ich weis nicht. Kommt doch schon stark darauf an, was den Neid auslöst, oder?
Auf die tollen langen Haare kann ich doch auch Neid empfinden, wenn die Person eine Erkrankung hat (die nicht die Haare beeinflusst).
Und ohne Wald in der Nähe kann ich auch auf den Waldspaziergang neidisch sein. Aber halt auf den Aspekt, du hast nen Wald in der Nähe, ich nicht.
Also um es kurz zu fassen, ich denke Emotionen sind zu komplex um sie pauschal auszuschließen oder zu unterdrücken. Was wichtig ist, ist wie ich damit umgehe!
Ja und nichts weiteres wollte ich damit aussagen. Ich hoffe, du hast das nicht so verstanden, dass man sie unterdrücken soll. Mir geht es ganz stark darum, dass man diese für sich analysiert.
Aber du hast bereits so weit reflektiert, dass du inne hältst und es ihr vielleicht nicht mehr ins Gesicht sagst. Irgendwann ist man dann so weit, dass man einfach weiß, woher das Gefühl kommt und vielleicht schafft, dass man nicht mehr so empfindet. Es gibt ganze Therapieansätze, die so ablaufen.
Weil man nichts ausblendet, sondern verarbeitet.
Ich hatte es so verstanden, das die Emotion halt einfach nicht mehr auftritt.
Ich werde hin und wieder schon für meine Vorteile beneidet und ganz ehrlich ich kann es verstehen.
Im best (idealistischen) case tut es das irgendwann und geht in eine Kontextualität über. Gefühle sind natürlich, es gibt aber einen Raum für Variation und Ausprägung, an dem gearbeitet werden kann. Wenn man z.B. zu Wutausbrüchen neigt, wäre es doch schön, wenn man nicht wegen jeder Situation hochgeht, oder? Wenn man den Kontext kennt, kann man dahingehend „Strategien entwickeln“.
Bei dir hat es sich so gelesen, als sei es ein fester Teil der Persönlichkeit, der auf gar keinen Fall verändert (ungleich nicht geändert) werden kann. Wenn jemand aber stark dazu neigt, zu neiden, seine eigentliche Lebensqualität darunter leidet, ist es sinnhaft, daran was zu ändern.