Das mag bestimmt auch so zutreffen, aber Netflix hat ja ganz offensichtlich seit Jahren kaum ein Interesse an wirklich langen Erzählungen sprich mehr als 1-3 Staffeln pro neuer Serie (falls sie das Interesse überhaupt jemals hatten).
So kann man mit entspr. Marketing neue Subscriber abgreifen, die sich für eine neue Content-Idee interessieren (möglichst ausdifferenziert möglichst viele Nischen/Zielgruppen abdeckend, anstatt auf einzelne Serien mit maximaler Breitenwirksamkeit), aber wenn man die erstmals hat als Abonnenten, kann man eine Serie gerne mal wieder absägen.
Fast jede Serie, die einen höheren Production Value hat mit der 1., bekommt mit der 2. schon deutlich weniger Geld und nicht selten heißt es dann quasi automatisch, dass es zwangsläufig weniger Zuseher gibt. Natürlich eine feine ‚Ausrede‘, dass man die gleich mal absetzt und in das nächste Projekt investiert… Paradebeispiel wäre u.a. Altered Carbon.
In gewissem Sinne scheint hinter dieser Selbst-Kannibalisierung ein Konzept… Und dass der Fokus von einer neuen Serie auf eine andere neue Serie stets verschoben wird aka laufend neuer Content geliefert wird selbst wenn es das mehr oder weniger gezielte Killen von altem Content bedeutet, bindet ja zudem das Interesse bestehender User während eben neue User parallel generiert werden…
Ein paar längere Prestige-Formate wie Orange is the New Black oder House of Cards behält sich Netflix hie und da mal, aber das ist gewiss die absolute Ausnahme.
So gehypten Rennern und Überraschungs-Hits, die nicht unbedingt gänzlich mit der Soap Opera-Formeln fast beliebig weitergesponnen werden können, gehen wie im Falle von Stranger Things dann ohnehin schnell mal die Ideen aus und hastig hintergeworfene Staffeln recyceln im Wesentlichen die bekannten Storylines…
Ich glaube kluge Serien-Produzenten haben das schon länger kapiert und legen Serien per se für nicht mehr als zwei bis drei Staffeln überhaupt an (z.B. Dark oder Love). damit man quasi dem Geschäftsmodell entspricht und einer mehrstaffeligen Durcherzählung nicht zu früh der Saft abgedreht wird.
So sehr Netflix auf das Medium Serie setzt, so sehr arbeitet es paradoxerweise wiederum dagegen an, weil die lange Erzählung bzw. das nachhaltige commitment wie für Sopranos, The Wire, Breaking Bad, Game of Thrones, The Tudors oder auch sowas wie Full Metal Alchemist im Anime-Bereich Netflix kaum interessiert, außer die Zuschauer-Zahlen und der Hype gehen wirklich durch die Decke.
Echte Hit-Serien mit wirklich langen Erzähl-Konzepten (u.a. sowas wie Babylon 5 mit dezidiert geplanten 5 Staffeln samt allem Worldbuilding, Charakter-Entwicklung usw.) mögen zwar ohnehin schon immer eher die Ausnahme denn die Regel gewesen sein, aber ich unterstelle mal Netflix, dass die eher an milder Ablenkung mit abwechslungsreichem, auf möglichst viele verschiedene Zielgruppen orientierten Content als tatsächlich am Medium selbst interessiert sind, selbst wenn das Durschnitts-Niveau ein gewisses Maß an Qualität selten unterbietet und zumindest für eine 1. Staffel immer wieder mal eher riskante und durchaus mit Leidenschaft produzierte Projekte finanziert werden (u.a. Dark Crystal)…
Procedurals nehme ich ohnehin von alledem aus, weil das ist imho nur 2. Liga was dieses Medium betrifft…
Dass Netflix ansonsten nicht einfach dezidiert auf Miniserien-Formate wie HBO setzt (und da gibt’s ne lange Reihe an fantastischen Beispielen wie Show Me A Hero, Tschernobyl oder Sharp Objects) neben den zumindest für mehrere Staffeln geplanten ‚Hauptserien‘, erkläre ich mir einfach mal damit, dass man bei den Nutzern möglichst lange die Illusion aufrecht erhalten will, dass ihre jeweilige aktuelle Lieblingsserie, wegen der sie die Subscription überhaupt gemacht haben, weiter fortgesetzt wird. Quasi eine kleine Kniff bei der PR…
PS: weil es letzten bei Kino Plus hieß, Netflix würde nur ein paar Zahlen interessieren und zählen, nämlich wenn einer 2 min in was reingeschaut hat, dann zählt das schon quasi als Quote… Genau solche Firmen sitzen ähnlich wie Google oder Online-Spielefirmen auf einem Berg an Daten und die wissen ganz, ganz genau was ihre User machen und was diese wie lange und wie oft konsumieren und mit der entspr. Auswertungen werden diverse Entscheidungen getroffen was Marketing. User-Interface, Freigabe von Produktions-Mitteln, aber auch Themen-Setzung, Darsteller-Appeal usw. betrifft. Man sollte da an keinem zu naiven Eindruck hängen bleiben…
Ich bin mir fast sicher, dass Netflix bereits via Alogrithmen zusammengeschusterte Serien/Film-Testballons gestartet hat, die sich genau aus diesen Daten speisen, wobei ich mir genauso sicher davon ausgehe, dass die allesamt eher mies sind…^^
Wobei das alles ändert nichts an der Tatsache, dass für mich Netflix noch immer der beste Streaming-Anbieter ist, aber man im Gegensatz dazu an HBO sehen kann (früher eher noch als heute muss man sagen), wie ein echtes Commitment für das Medium und eine bewusste Weiterentwicklung dessen aussehen könnte…