BoJack Horseman:
Die ganze Serie jetzt durch… je länger ich schaute, desto mehr fing ich an zu Bingen… denn diese Serie ist einfach fantastisch.
Ich ging völlig ohne Vorwissen rein. Meine Erwartungen waren eigentlich, dass das ganze eher etwas wie „South Park“ oder „Simpson“ ist: Einzelne Folgen, welche alle im gleichen Ort und mit den gleichen Charakteren spielt, vielleicht eine Handvoll Folgen hat, welche lose zusammen hängen, aber insgesamt einfach eine Reihe Folge, welche sich über Dinge lustig macht.
Was ich stattdessen erhalten habe ist etwas, was eher an „The Sopranos“ erinnert: Extrem tiefschürfende Charakterstudie, wo nicht unbedingt alle Momente aller Folgen zusammen hängen, aber man dennoch eine klare Geschichte hat, welche absolut Kontinuität hat. Und je länger die Serie geht, desto mehr kommt diese Kontinuität auch zu etwas zusammen, dass ich so wirklich eher selten gesehen habe, auch nicht in den grossartigen Serien welche das Golden TV-Zeitalter so ausschmücken.
Zwei Dinge machen diese Serie so stark.
Der erste Aspekt ist die Tatsache, wie sie langsam auf bestimmte Dinge aufbaut, und nichts einfach fallen lässt. Dinge passieren, und man ist nicht ganz sicher, wie relevant und schwerwiegend sie sind. Und dann brodeln diese Dinge oft im Hintergrund vor sich hin, bis es plötzlich wieder hervorbricht. Aber es ist nicht so, dass diese Dinge einfach nur in einigen Folgen vorkommen und zwischendurch vergessen werden. Sonst wäre es wie gesagt eher im Stil von „Simpsons“ oder so, wo gewisse Folgen einfach auf altes Zeugs zurück greift.
In dieser Serie sind aber all diese Dinge immer präsent. Die Charaktere tragen es mit sich rum, die Welt reagiert darauf und zieht Konsequenzen. Und deswegen, wenn dann eine Folge kommt, wo diese Dinge wieder aufgegriffen werden, und den Charakteren den Boden unter den Füssen weggezogen wird, dann fühlt man sich richtig in deren Schuhen, weil die Eskalation zwar aus dem Nichts kommen kann, aber das Set-Up die ganze Zeit da war.
Die Serie ist einfach fantastisch geschrieben. So viele Details, so starke Struktur.
Und die zweite Stärke sind die Charaktere und deren Entwicklungen… und die Authenzität.
Ich kann hier nur für mich sprechen, aber ich glaube dass genug Leute hier mit mir mitfühlen können: Die Serie macht es sehr einfach, sich in gewissen Problemen der Charakteren wieder zu finden. Depressionen, Angstzustände, Abhängigkeiten, Schuldgefühle, Trauma… Auch wenn man selber mental etwas stabiler ist, als es viele der Charaktere in dieser Show sind, so versteht man deren Ängste. Und sind wir mal ehrlich, auch wenn wir im Alltag vielleicht stabiler sind, so können wir uns zumindest vermutlich alle zumindest phasenweise in unserem Leben mit diesen Charakteren identifizieren.
Und die Serie hat einfach fantastische Dialoge.
Obwohl die Show als Komödie aufgezogen ist, und vor allem die erste Hälfte aller Staffeln oft viel zu Lachen gibt, so sind so viele Gespräche und Monologe dieser Serie voller Zeilen, welche einfach wunderbar zitatwürdig sind und hängen bleiben.
Ich hatte viele Momente, wo ich einfach Gänsehaut hatte. So viele Folgen, wo mich die Charaktere einfach mitfiebert, oder frustriert ist, oder sich ärgert, oder denkt „Du Arschloch“, aber dann auch einfach versteht, warum sie so sind wie sie sind. Und man wünscht sich, dass sie ihre Wege finden, aber man merkt auch mit der Zeit, dass manche Charaktere so tief in einer Abwärtsspirale stecken, dass man allmählich den Eindruck kriegt, dass das wohl nicht gut enden kann… und das erweckt dann diese Mischung aus Trauer und Frustration, aber auch Genugtuung, denn hey, die haben sich das alle selber eingebrockt! Und dann realisiert man, dass man sich so völlig in eine emotionale Investition für ein Paar billig gezeichnete Cartoon-Tiere und -Leute reingesteigert hat, dass man wirklich nur noch staunen kann.
Die Serie hat durchgehend eine hohe Qualität. Allerdings würde ich sagen, dass der Höhepunkt vermutlich so in der Mitte liegt, bei Staffel 3 und 4. Aber 5 und 6 sind auch extrem gut und entwickeln viele Dinge auf unglaublich gelungene Art, und vielleicht sehe ich einfach 3 und 4 etwas positiver, weil da der Überraschungseffekt noch grösser war.
1 und 2 sind definitiv gute Staffeln, aber da hatte man das Gefühl, dass die Macher noch nicht zu hundert Prozent Fuss gefasst haben und der „Plot“ besteht hier noch am ehesten aus eher unzusammenhängenden Folgen als wirklich einer kohärenten Story. Wer also erst die erste Staffel oder so gesehen hat, und denkt ich übertreibe es hier mit den Lorbeeren doch arge: Bleibt dran. Die ersten zwei Staffeln sind sehr gut… die kommenden Staffeln sind absolut brilliant.
Einzigen Kritikpunkt hätte ich an den Charakter von Todd.
Ich verstehe, dass sein Witz ist, dass er einfach von einem absurden Abenteuer ins nächste taumelt und dass es zu einem gewissen Grad Absicht ist, dass er so parallel zum Rest der Geschichte fährt… aber gerade in den späteren Staffeln kann das dann doch ab und zu dazu führen, dass seine Einlagen eher unterbrechend wirken, als wirklich parallel. Und dass man dann in der letzten Staffel mit ihm einfach plötzlich auch etwas Tiefgang erreichen wollte, mit seiner Hintergrundgeschichte und seinen Eltern… das landete für mich dann doch nicht so richtig. Die anderen Charaktere erarbeiteten sich ihre Emotionale Bindung zum Zuschauer einfach besser und funktionierten daher auch sehr viel gelungener, als Todd.
Sein Zeugs ist nicht zwangsläufig „schlecht“ und die Serie behandelt interessante Themen mit ihm. Aber er wirkt doch sehr viel oberflächlicher als der Rest des Castes.
Ansonsten wie gesagt, die Serie ist einfach ein unglaublich gelungenes Werk. Ich bin froh, dass ich es gesehen habe, die Show gab mir extrem viel, und so sehr ich immer wieder höre, dass sich manche Leute wünschten dass sie weitergeführt würde: Ich bin der Meinung sie endet an einem guten Punkt, und ich befürworte einen sauberen Schluss immer, und ziehe es einem ewigen Strecken deiner Serie vor.
Fazit: Ziemliches Meisterwerk. Sage ich selten, hatte aber auch selten eine derart intensive, emotionale Investition in einer Serie wie hier.