Squid Game - Staffel 2:
War sehr, sehr unsicher, als die Staffel rauskam. Sie war für mich unnötig und vor allem, wie so oft bei solchen Fortsetzungen, sie muss fast zwangsläufig Stellung beziehen dazu, was das Ende der ersten Staffel bedeutet.
Für mich war das Ende der ersten Staffel immer schon sehr genial. Auf extrem subtile Art wird uns gezeigt, dass Seong Gi-hun dem System nicht entkommen kann, sondern wieder drin endet… diesmal aber von einer anderen Perspektive. Eine der letzten Szenen dieser Staffel zeigt ihn, jetzt reich und mächtig, zusammen mit einem anderen reichen, mächtigen Mann, hinter einer Glasscheibe stehend, auf einen armen Bettler runter starrend und eine Wette über dessen Leben abschliessen. Seong war zu dem Zeitpunkt bereits auf der anderen Seite des Spieles, er hat es nur noch nicht realisiert. Und wie wir von der Rolle des „Front Man“ wissen: Sieger des Spieles enden oft wieder im Spiel verwickelt, aber mit einer neuen Ansicht über das Spiel. Das man jetzt gerne wieder mitmacht, denn jetzt wo man reich ist und nicht mehr vom Geld abhängig ist, kann man im Spiel involviert sein ohne die Risiken auf sich zu nehmen. Dafür stand Spieler 001: Er macht ein bisschen Armutstourismus, spielt mit… aber wirklich in Gefahr ist er nicht, er wird nur fake-getötet. Es war der finale Kommentar der Serie zum Kapitalismus: Die Leute die das Geld und die Macht haben ändern nichts, denn sobald man mal in der Position ist, führt man Spiel von der anderen Seite weiter.
Das war zumindest meine Interpretation des Endes der ersten Staffel. Ob das „gewollt“ war oder nicht, keine Ahnung. Die Bildsprache deutete für mich darauf hin, dass das beabsichtigt war, aber unterm Strich ist das eine Frage der Interpretation.
Deswegen wollte ich aber auch keine zweite Staffel. Denn die zweite Staffel kann mir nur entweder sagen, dass ich mit meiner Interpretation falsch lag… und das würde mir dann etwas kaputt machen, was ich an der ersten Staffel sehr genial fand.
Oder aber, die zweite Staffel kann mir zustimmen und zeigen, dass meine Interpretation korrekt war. Aber dann macht man Subtext zu Text, was nie den gleichen Effekt, die gleiche Schlagkraft hat. So oder so, mit Fortsetzungen gibt es diesbezüglich oft keine gute Variante.
Dennoch wollte ich die Serie trotzdem weiterschauen. Denn die erste Staffel war so gut, so gelungen und vor allem aber auch so verdammt spannend, dass eine weiterführung des Plotes durchaus Potential hat, auch wenn er bezüglich des Symbolismus und der Interpretationsmöglichkeiten vermutlich weniger Möglichkeiten haben wird.
Und unterm Strich habe ich genau das gekriegt, was ich erwartet habe:
Die Serie bleibt nach wie vor extrem spannend und packend und vor allem einfach gut geschrieben. Die Idee des Spieles ist extrem gut gelungen und die neuen Regeln die eingeführt wurden (z.B. dass man jetzt nach jedem Spiel abstimmt und genau sieht, wer wie gestimmt hat) kreieren neue, spannende Situationen.
Die Spiele selber sind wieder sehr gelungen und sorgen für unglaubliche Anspennung bei den Spielern und bei den Zuschauern, weil sie unglaublich perfide kreiert werden und diese geniale „Alle gegen einander und miteinander, wenns sein muss“ Situationen formen.
Die grösste Schwäche sehe ich hierbei im Protagonisten. Seong Gi-Hun verhält sich einfach nicht wirklich glaubwürdig. Ja, er warnt die Spieler vor den nächsten Spielen… aber er füttert ihnen immer nur häpchenweise die Information. Immer nur, was nach seiner Erfahrung unmittelbar als nächstes passieren könnte. Stattdessen wäre die logische Handlung gewesen, gleich bei der ersten Abstimmung zu erklären, was für perfiede Spielchen da noch auf sie Zukommen. Zum Beispiel hätte er alle warnen können, dass die Spiele ab einem gewissen Punkt Leute gegeneinander hetzt, und dass du vor den Spielen nie wissen kannst, ob am Ende des Spieles deine Gruppe gewinnt, oder du innerhalb der Gruppe deine Partner auslöschen musst…
Ich habe definitiv den Eindruck, dass mehr Details darüber, wie sehr die Spiele psychologische Kriegsspiele betreiben und Freunde gegeneinander ausspielt die Entscheidungen vieler Spieler hätte beeinflussen können, und dennoch fällt das unserem Protagonisten nie ein einfach mal zu erklären, was bei seinen Spielen damals passiert ist.
Abgesehen davon ist die Serie aber trotzdem nach wie vor toll.
Vor allem die Charaktere sind halt sehr gut geschrieben und interessant. Die Dynamik zwischen den Spielern und innerhalb und zwischen den Gruppen ist einfach toll und immer gut eine Konsequenz der Persönlichkeiten die den Charakteren gegeben wird.
Die zweite Staffel hat im Gegensatz zur ersten zwar ein Paar Nebencharaktere, die sehr blass bleiben und kaum wirkliche Relevanz haben (die komische Priesterin zum Beispiel scheint einfach nur da zu sein um einen Charakter der ersten Staffel zu kopieren) aber die Charaktere die genug Zeit erhalten sind extrem toll geschrieben und man zittert wirklich mit ihnen mit. Und unterstützt wird das alles von wirklich hervorragenden Schauspielern. Vor allem Lee Jung-Jae in der Hauptrolle und sein Gegenspieler gespielt vom Koreanischen Mads Mikkelsen Lee Byung-Hun tragen all ihre Szenen unglaublich gekonnt.
Was ich aber absolut nicht mochte war das Finale.
Ich kaufe es der Serie einfach nicht ab, dass ein so offener Krieg zwischen Spielern und Spielleitern möglich wäre. Die Spielemacher haben einfach zu viele Werkzeuge und Vorteile um die Spieler gar nicht erst in so vorteilhafte Situationen kommen zu lassen. Himmel… ich wäre jede Wette eingegangen dass der Schlafsaal vermutlich Möglichkeiten hätte Schlafgas zu sprühen, wenn man für Ruhe sorgen will. Aber nein, trotz aller Kontrolle welche die Spielemacher sonst haben, wenn die Spieler plötzlich an Waffen kommen und Amok laufen, hat man keine andere Methode mehr als ihnen Wellen von Soldaten entgegen zu werfen… welche dann auch nur gewinnen können, weil den Spielern die Munition ausgeht? Sorry, die ganze letzte Folge war für mich sehr unglaubwürdig. Immerhin hat man vorher etabliert, dass die Spieler trainierte Soldaten hatten, also immerhin ein bisschen eine Erklärung, warum sie so weit kamen, aber trotzdem, das war dann doch des guten zu viel. Ich hätte mir etwas cleverers erwartet. Zum Beispiel dass der Protagonist bei einem Spiel „verliert“, dann aber im Zuschauerraum zu sich kommt und realisiert, dass er (wie 001 in beiden Staffeln) gar nicht mehr wirklich ein Spieler ist oder sowas. Stattdessen kriegen wir eine Menge Action und ein Ende, welches sich nach etwa 30 Minuten in die letzte Folge sehr abzeichnete und vorhersehen liess…
Aber ich muss natürlich hier auch ehrlich sein, dass das Finale nicht das „Finale“ ist. Da wird noch eine weitere Staffel kommen und ich erwarte bei dem, dass das Finale dann doch etwas vernünftiger und mit weniger unnötigem (und unglaubwürdigen) Spektakel auskommen wird.
Die zweite Staffel hat für mich die Serie auf jeden Fall nicht kaputt gemacht, sondern hat ähnliche Qualitäten wie die erste Staffel. Die erste Staffel ist um einiges besser und runder, und bisher finde ich nicht, dass es die zweite Staffel brauchte, aber immerhin lässt sie mich nicht mit einer Enttäuschung zurück sondern mehr mit einem Schulterzucken und einem: „Nun… das war noch immer sehr gut“.
Fazit: Bin noch nicht ganz überzeugt, dass es die Staffel wirklich brauchte, aber das was wir gekriegt haben ist von SEHR guter Qualität. Mit einem etwas enttäuschenden und unglaubwürdigen Finale.