Thema #25: Bunte Farben
Film: Antiporno
Regie: Sion Sono
Erscheinungsjahr: 2016
Laufzeit: 77 Minuten
Wo gesehen: Amazon Video (Leihe)
Okay, eine Zusammenfassung der Handlung schenke ich mir großteils - das hat @boodee schon so gut gemacht, wie es geht. Es geht um Künstlerinnen, Jungfrauen, Hunde, Huren, Menschen.
Aber holy fuck, Sion Sono liefert mal wieder ab. Ich weiß nicht, ob ich je so eine faszinierende Kritik am japanischen Umgang mit Frauen, Sexualität und/oder Pornographie gesehen hab.
Antiporno ist bunt. Die Musik ein grandioser Kontrast. Das Set-Design ist fantastisch, die Ebenen vielschichtig, und es werden einfach Dinge gesagt, die viel öfter und viel mehr im Mainstream auch gesagt und gezeigt werden müssten.
Denn Japan hat ein Problem. Ein Sex-Problem. Die Jugend ist gefangen zwischen einem Übermaß an Sex in den Medien, und sozusagen erzwungener Enthaltsamkeit im echten Leben, weil alle zu verklemmt sind, einen Partner zu finden oder Nähe zu suchen. Der Film sagt es recht deutlich (und soweit zu Anfang, dass ich das nicht als Spoiler empfinde) - Sex ist schmutzig, die vermeintliche Freiheit ist gar keine. Gerade Frauen werden be- und verurteilt, siehe den berühmten Madonna/Hure-Komplex und das klassische Bild der Yamato Nadeshiko in Japan.
Also kurz gesagt - mir als ehemaliger Japanologie-Studentin, die sich relativ viel mit dem Thema Geschlechterrollen in Japan beschäftigt hat, ist bei dem Film im Laufe der Zeit einfach das Herz aufgegangen.
Dabei nimmt der Film kein Blatt vor den Mund und keine Kleidung vor die Darsteller. Es fühlt sich nicht verkehrt an, wie die Frauen reagieren - egal wie abgedreht es erscheinen mag. Der Film schafft es ganz gut, mit klassischen japanischen Frauenrollen zu brechen.
Am meisten am Film gestört hat mich die sehr kurze Laufzeit, ich hab das Gefühl, da wäre noch etwas mehr drin gewesen (wenn jemand daran zweifelt - Sion Sonos „Love Exposure“ geht 237 Minuten und ich liebe jede einzelne davon).
Eins noch, am Ende ist es ein wenig schade, dass es ja wieder der „male gaze“ ist, der hier Frauen und ihre Sexualität zeigt - aber andererseits ist es eben auch schwer vorstellbar, dass eine Frau in Japan überhaupt in die Lage kommt, einen solchen Film zu machen.
4/5