Thema #30: Film aus dem Jahr 2024
Film: Kinder im Spitzensport – Siegen um jeden Preis (Futurs champions, le prix de la gloire) von Pierre-Emmanuel Luneau-Daurignac
Erscheinungsjahr: 2024
Laufzeit: 91 Minuten
Wo gesehen: arte-Mediathek
Eine Dokumentation, pünktlich zu Olympia in Frankreich, die sich mit dem Thema der Jüngsten im Spitzensport beschäftigt, die immer jünger zu werden scheinen.
Eine in meine Augen wirklich richtig starke Doku, mit vielen direkten Einblicken, ganz unterschiedlichen Quellen, einer Menge Universitätsstudien und doch sehr aufrüttelnd und emotional. Der gleiche Regisseur hat zu Tokio 2020 schon eine Dokumentation zu Machtmissbrauch im Sport herausgebracht, jetzt über die jüngsten Sportler, wobei da ja Machtmissbrauch auch eine große Rolle spielt.
Verschiedenste Sportarten werden betrachtet, verschiedenste Länder, verschiedene Zeiträume – alles in über 90 Minuten auch recht ausführlich. Die Doku duckt sich auch recht wenig weg, wir sehen gelungen Widerstand gegen Missstände aber auch Wege, die bisher noch ins nichts geführt haben. Die Doku bei dem Thema bespricht natürlich auch, inwiefern diese Kinder immer nur den Vorstellungen von Eltern, Nationen und Publikum hinterherlaufen – was sich dann vielleicht später bei denen wo es „gelungen“ ist ändert, bei denen wo es aber nicht so war wird die „Zerstörung“ nie wieder thematisiert.
Neben typischen Themen auf dem Gebiet – es weiß ja im Grunde jeder, dass wir selbst bei den außergewöhnlicheren Sportarten immer höchstens 0,1 Prozent der Sportler in der Öffentlichkeit haben, gibt der Film auch ein paar konkrete Beispiele. Wie sich im Kalten Krieg dieser olympische Gedanke zum Beispiel zu so einer richtigen Schlacht zwischen Ost und West entwickelt hat (Ansätze ja heute wieder zu sehen) und viel durch die Politik beeinflusst war. Unmenschliche Methoden, die da vor allem in der Sowjetunion Einzug gehalten haben – und wir dann später teilweise schön kopiert haben, denn hat ja Erfolg gebracht. Besonders erschütternd fand ich da, diesen Sieg von Kerri Strug 1996 – die USA schlägt zum ersten Mal die Sowjetunion im Turn-Team. Was musste sie dafür tun? Die Minderjährige musste dafür lediglich im 2. Versuch, verletzt ihr Übung turnen. Jeder hat es gesehen, jeder hat es gewusst. Turnwettbewerb hat das Mädchen damals nie wieder einen gemacht. Die Verletzung blieb, der ruhmreiche Sieg von West über Ost aber auch. Damals wie heute eher Ehrerbietung kommt man zu dem Schluss: Nichts anderes als Kindesmisshandlung die hier vor Millionen von Menschen sattfand und bejubelt wurde.
Nehmen wir andere Bereiche der Gesellschaft und diskutieren wir über Kindesmisshandlung, wir hätten (wohl zu Recht) den wütenden Mob toben; im Sport herrschen andere Gesetze. Gerade die Lücken im juristischen Bereich im (Kinder-)Sport zeigt der Film auch immer erschütternd.
Auch Verbesserungen, gerade im kulturellen und gesellschaftlichen Bereich werden angesprochen, die halten sich meist im Gleichschritt die Waage mit den Verschlechterungen im kapitalistisch-wirtschaftlichen Bereich. Auch hier wird eindrucksvoll gezeigt, was für Maschinerien da mittlerweile dahinterstehen und wenn die erfolgreichsten Sportler und Sportlerinnen jetzt auch in Randsportarten sehr gut verdienen, dann schlägt sich das im positivsten Bereich noch auf die jeweilige Infrastruktur durch, im negativen Bereich leider auf unmenschlicher werdende Anforderungen. Sehr viele ambivalente Probleme zeigt der Film hier stark.
Persönlich fand ich auch die Aufnahmen von Dreijährigen, die schon hart trainieren und mit vier dann teilweise anfangen die Pokale zu gewinnen, in meiner Welt befremdlich und wohl auch in vielen Welten von anderen. Nicht in der Welt des Spitzensports.
Doch sehr starke Dokumentation, besser vielleicht nicht jetzt während Olympia anschauen, man könnte ja fast noch leicht den Spaß verlieren.
Dokus wie immer keine Punktewertung aber die fand ich schon sehr gut.