Thema: Irrfan Khan
Film: Lunchbox von Ritesh Batra
Erscheinungsjahr: 2013
Laufzeit: 105 Minuten
In Mumbai, der Millionenmetropole und größten Stadt Indiens, herrscht reges Treiben. Unter den unzähligen Menschen, die dort tagtäglich unterwegs sind, befindet sich auch eine ganz besondere Berufsgruppe: Die Dabbawalas. Sie bringen den Büroangestellten der Stadt in kleinen, mehrteiligen Behältern ihr Mittagessen und transportieren diese anschließend zurück nach Hause oder eben dorthin, wo die Mahlzeiten frisch zubereitet werden.
Leider kommt es auch in diesem perfekt getakteten Liefer-System mal zu Fehlern. So landet das hingebungsvoll zubereitete Essen, mit dem Ila die Liebe ihres Mannes wiederbeleben möchte, stattdessen bei Saajan Fernandes (Irrfan Khan). Während die Ehe immer weiter kriselt, entwickelt sich zwischen Ila und Saajan eine Brieffreundschaft, die über ausgetauschte Zettel in der Lunchbox stetig wächst.
Meinung: Was für ein toller Film! Ich liebe dieses Gefühl, komplett unvorbereitet in etwas hineinzugehen und zwei Stunden später mit völlig neuen Eindrücken und Perspektiven wieder rauszukommen. In Bezug auf Lunchbox sind das natürlich erstmal die indische Kultur und die mir vorher gänzlich unbekannte Form der Essenszustellung, aber auch einige Dialogzeilen, die bei mir wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen haben.
Mein erster Gedanke, als dieses Liefersystem in der Einleitung des Films vorgestellt wird, war lustigerweise: Das KANN doch in einer Millionenstadt einfach nicht fehlerfrei funktionieren. Und obwohl ich diesem überaus präzisen Berufsstand damit sehr unrecht getan habe, entpuppte sich genau das schließlich als Prämisse () des Films.
Das aus dieser Verwechslung entstehende Verhältnis der beiden Hauptfiguren wird auf ebenso liebevolle Art und Weise dargestellt wie die Zubereitung der Mahlzeiten. Ich hab mich sooft mit einem Grinsen im Gesicht erwischt, angesichts dessen, wie sich dieses ungewöhnliche Paar zwar mehr öffnet und „näher kommt“, aber dennoch unbekannt bleibt. Alles strahlt so eine hauchzarte Romantik, aber auch tiefe Freundschaftlichkeit aus, die einem einfach sympathisch sein muss.
Doch auch die düsteren, unangenehmeren Themen wie Vergänglichkeit, Älterwerden, Isolation und Einsamkeit werden mit einer solchen Leichtigkeit in diesen Film eingewoben, dass es nie zu hart oder gar unerträglich wird. Immer gibt es den rettenden Hoffnungsschimmer am Horizont. Und, um mal kurz persönlich zu werden, besonders ein Zitat hat mich sehr bewegt. Es ging sinngemäß darum, dass man Erinnerungen und Erlebnisse, die man mit niemandem teilen kann, schlicht und ergreifend vergisst. Ich habe (unabhängig von Corona und auch Monate davor) eine Zeit hinter mir, in der ich mich einsam und isoliert gefühlt habe. Ein Gefühl, das ich zu einem gewissen Grad eigentlich sogar schätze und nicht abschreckend finde. Jedoch hatte ich zuletzt häufiger das Gefühl, mich an kaum etwas aus dieser Phase erinnern zu können. Als wär die Zeit einfach so vergangen und ich hätte nicht wirklich in ihr gelebt. Das stimmt zwar ganz und gar nicht, bringt mich aber wieder zurück zum Zitat aus Lunchbox: Jeder Mensch braucht den regelmäßigen Austausch und ein festes soziales Umfeld - und sei es nur, um das Gefühl zu haben, das Leben und die gewonnenen Erinnerungen mit jemandem teilen zu können.
Abschließend möchte ich noch erwähnen, dass ich bisher kaum ein offenes Ende erlebt habe, das so gut funktioniert! Obwohl nicht genau gezeigt wird, was sich nach dem Abspann wohl ereignen wird, hat man irgendwie bereits seinen Frieden damit gemacht. Ich möchte natürlich nicht genau darauf eingehen was passiert, aber selten hat sich ein offen gelassenes Ende doch so geschlossen angefühlt. Und für alle ungeduldigen Rätselfreunde hinterlässt der Film trotzdem ausreichend Hinweise, mit denen man sich alles ungefähr zusammenreimen kann - wenn man denn möchte.
Fazit: Ein sehr leichter, warmherziger Film, der trotz seiner zarten romantischen Andeutungen immer mit beiden Beinen auf dem Boden der Realität bleibt. Zu charmant für unsere Welt. Zu ehrlich, um kitschig zu sein.
8/10