Thema: StudioCanal
Film: Erinnerungen an Marnie (Omoide no Mānī) von Hiromasa Yonebayashi
Erscheinungsjahr: 2014
Laufzeit: 100 Minuten
Wo gesehen: ProSieben MAXX
Meine Erinnerungen an Marnie sind nicht die Besten. Ein recht schwacher Hitchcockfilm sehr langatmig und technisch schon damals veraltet… Halt! falscher Film .
Erinnerungen an Marnie ist ein richtig toller Film. Ich habe letztes Wochenende die kostenlosen Tage von Anime on Demand etwas ausgenutzt und ein paar Filme gesehen, aber außer „Das Mädchen, das durch die Zeit sprang“ konnte mich kein Film dort so abholen wie Erinnerungen an Marnie. Ich denke, dass liegt nicht an den verklärten Erinnerungen an Studio Ghibli, sondern einfach daran, dass sie so toll Geschichten erzählen können:
Anna ist 12 Jahre alt und hat starkes Asthma. Ihr geht es physisch und psychisch immer schlechter, deshalb wird sie auf Sommerurlaub in die Provinz zu ihren Verwandten geschickt. Dort beginnt für Anna eine wundersame, phantastische, tragische aber auch hoffnungsvolle Reise ins Ich.
Wenn ihr mich fragt, hört sich der Anfangsplot so an, als könne das auch zu einem langatmigen und zähen Film führen.
Zuletzt zum Beispiel bei diesem Mirai no Mirai erlebt wo es um einen 4-jährigen Schreihals und seine kleine Schwester geht. Wunderbare Bilder und Aussagen aber zäh wie Kaugummi. Könnt man sagen, naja du hast halt kein Interesse und Erfahrung mit 4-jährigen Schreihälsen und kleinen Schwestern. Aber vor Marnie hätte ich auch nicht gesagt: Hey einen Film über ein 12-jähriges asthmakrankes Mädchen in der japanischen Provinz ist genau, dass was ich jetzt gewollt habe.
Dieser Film wird aber nie langweilig, er bleibt immer mystisch, ohne das ganz große Phantasiefeuerwerk, was uns Ghibli so oft gibt, abzubrennen. Wunderschön sind auch die Bilder, welche uns durch Träume aber auch japanische Provinzlandschaften gezeigt werden. Ich wusste schon nach der Spielplatzszene am Anfang und der anschließenden Zugfahrt durch Japan: Das wird einfach wieder ganz, ganz großes Kino. Da stört es auch nur wenig, dass Annas Charakter manchmal etwas unausgegoren wirkt (Extreme Schüchternheit, wechseln sich mit starkem Wagemut ab (Erkundungen im Moor)). Aber es verschmelzen eben auch viele träumerische Elemente mit der Realität in diesem Film. Die Musik ist schön, kommt für mich aber z.B. nicht an „Der Mohnblumenberg“ heran. Auch wage ich zu bezweifeln, wie so oft bei Ghibli-Filmen, ob der wohl für kleinere Kinder wirklich interessant ist. Richtig schön dafür für Erwachsene sind zahlreiche atmosphärische Anspielungen auf das melodramatische Kino, vor allem der 40er und 50er Jahre.
Wer Lust auf einen zutiefst traurigen,bewegenden aber auch hoffnungsvollen Anime hat, der sollte dieses Spätwerk von Ghibli gerne anschauen.
(Kleine Anmerkung: Hab mir ja jetzt auch dieses Letterboxd geholt. Und im Vergleich zu IMDb ist es einfach soviel schöner und übersichtlicher, hier zu schmöckern und nach Filmen zu schauen. Und auch ist die Community aktiv (und nicht wie bei IMDb seit gefühlt 10 Jahren nicht vorhanden) aber richtig viel Interessantes findet man trotzdem erst, wenn man die Reviews weit durchforstet und viele schöne „kleine“ Meinungen liest. Die „Top“ Bewertungen sind in gefühlt 80 Prozent der Fälle (bei etwas bekannteren Filmen aufwärts), von an einer Hand abzählbaren Leuten und sage wir mal von „fragwürdiger“ Qualität.
So ist auch dieser Ghibli, bei der Allgemeinheit noch gut bewertet aber die sehr schlechten und lauten Wertungen, sagen alle sie sind enttäuscht oder sauer, weil sie durch, die „Filmpropaganda“ dachten es geht hier um eine lesbische Liebesbeziehung, geht es aber nicht. Wie könne man die Leute nur so verarschen… Ich hab keine Ahnung ob mir Filmcover und -werbung im Durchschnitt zu egal sind,aber von mir aus kann man jeden Film mit einem halben Stern bewerten und seine Meinung dazu kund tun. Aber enttäuschte Erwartungen aufgrund einer nicht auftretenden Grundthematik in einem eigenständigen Film anhand des Covers? Verstehe ich 0 und riecht in Teilen schon nach Agenda. Vor allem bei so einem starken Film, der so viele wichtige Themen (und die Themen darf ja auch jeder zu manchen Teilen selbst hineininterpretieren) für alle anspricht und dabei eben ohne großes Tamtam aber genial von 90 % Screen Time und 95 % Sprechanteil nur von weiblichen Protagonistinnen lebt).
8 von 10 verhallende Ruderschläge im Moor