Thema: John Williams
Film: The Long Goodbye von Robert Altman
Erscheinungsjahr: 1973
Laufzeit: 112 Minuten
Philip Marlowe ist Privatdetektiv. Und zwar genau diese Art Privatdetektiv, die man im Kopf hat, wenn man an diese 70er-Jahre-Crime-Filme denkt. Lässiger Typ, leicht chaotischer Lifestyle und immer einen frechen Spruch auf den Lippen. Eines Nachts „besucht“ ihn sein langjähriger Freund Terry Lennox und bittet ihn um eine Spritztour zur mexikanischen Grenze. So weit, so gut. Doch in den nächsten Tagen wird Marlowe damit konfrontiert, dass sein alter Freund a) seine Frau ermordet haben soll und sich b) in Mexiko anschließend selbst das Leben genommen hat. Doch Marlowe glaubt nicht ganz an diese Geschichte und kommt der Wahrheit über Umwege Stück für Stück näher…
The Long Goodbye stand (so wie ziemlich jeder Robert Altman-Film) schon länger auf meiner Liste und erfüllt so ziemlich alle Voraussetzung, um von mir einfach nur geliebt zu werden. Und es geht auch sehr gut los: Die Atmosphäre, die von diesen Filmen der New Hollywood-Ära ausgeht ist einfach ungebrochen. Ich verstehe zu 100% warum sich z.B. ein Tarantino so wohl in dieser Zeit fühlt, dass er sie für seinen neuesten Film in übertriebener Kleinarbeit nachgebaut hat.
Und in genau diese Richtung ist mein Gehirn auch des öfteren abgeschweift: Referenzen. Beispielsweise gibt es eine Szene, in der Nina van Pallandt in ihrem Cabrio abends durch die Stadt fährt und es sieht sowohl vom Kamera-Winkel als auch den Reflexionen in der Frontscheibe 1:1 aus wie Margot Robbies Autofahrten in „Once Upon A Time…“. Auch die Katzenfütterung zu Beginn des Films erinnert sicher nicht zufällig an Cliff Booth und die Liebe zu seinem Hund.
Abgesehen davon möchte ich noch einen brillanten Moment hervorheben, der mich komplett geflasht hat. In einer Szene befindet sich Marlowe bei seiner Auftraggeberin Eileen Wade und ihrem stark alkoholisierten Mann Roger. Es kommt zum Streit. Roger wirft seiner Frau an den Kopf, dass sie förmlich „eine Mauer um sich herum“ aufgebaut habe und er gar nicht mehr zu ihr durchkäme. Und genau in dieser Streitszene wird eine erstmal komisch wirkende Montage verwendet: Über das drinnen stattfindende Streitgespräch werden Aufnahmen von Marlowe gelegt, der sich gerade am Strand „die Beine vertritt“ und das Paar in ihrem Konflikt alleine lässt. Dadurch legen sich die Umrisse der Markisen mit eckigem Wellenmuster vor dem hellen Strand über das Streitgespräch und lassen das Ehepaar so wirken als wäre es - von einer hohen, weißen Mauer umgeben. (Für alle, denen diese Beschreibung zu kryptisch ist: Die Szene findet man hier ab 3:05!)
Es sind Momente wie dieser, die ich vom Film mitnehmen werde. Der Score von John Williams umfasst grob gesagt nur einen Song bzw. Thema: Das namensgebende „The Long Goodbye“. Elemente dieses Songs tauchen über den Film verteilt immer wieder in unterschiedlichster Form und musikalischer Gestaltung auf und werden je nach Situation anders vertont. Ob ganz nebenbei über das Supermarkt-Radio oder von einer Mariachi-Band während Marlowes Nachforschungen in Mexiko. Das ist natürlich kaum vergleichbar mit den riesigen Scores, für die Williams heute größtenteils bekannt ist, trägt aber sehr zum Charme des Films bei.
Dennoch hatte ich (auch wenn es jetzt nur einen geringen Teil des Textes einnimmt) größere Probleme mit der Struktur und Erzählweise des Films. Zwischendurch wurde es mir immer wieder viel zu wirr und durcheinander. Ich finde man merkt schon ganz gut, wenn ein Film z.B. sinnvolle Schauplatzwechsel einführt und wann der rote Faden wirklich verloren geht. Letzteres war m. M. nach stellenweise der Fall und hat sogar dazu geführt, dass ich trotz ziemlich hoher Aufmerksamkeit (siehe: die ganzen unnötigen Kleinigkeiten, die diese Review so lang gemacht haben) einige Clues, die einen auf das Ende vorbereiten könnten, komplett falsch gedeutet und zusammengesetzt habe. Generell geht mir das gegen Ende dann alles viel zu schnell und ohne ausreichende „Vorbereitung“.
Fazit: Ein stimmungsvoller 70s Neo-Noir-Thriller, der mich direkt mit seiner Prämisse () und dem charmanten Elliott Gould in der Hauptrolle bekommen hat. Leider kommt er nicht ohne deutliche erzählerische Schwächen aus, sodass am Ende ein gewisses unrundes Gefühl bleibt.
7/10 …meiner Zehen würde ich für Philip Marlowes Wohnung opfern. (Spaß)