Thema: Liste eingereichter Filme des Top-Intros/Outros-Turniers
Film: Falling Down von Joel Schumacher
Erscheinungsjahr: 1993
Laufzeit: 107 Minuten
Ich bin gestern Abend beim ersten Versuch den Film zu schauen eingeschlafen, deshalb jetzt meine Gedanken nach dem vollendeten zweiten.
Handlung: Falling Down begleitet den in jeglicher Hinsicht gescheiterten Mittelständler William Foster auf dem Weg zum Kindergeburtstag seiner Tochter. Nur ist er dort nach einem erwirkten Kontaktverbot durch seine Ex-Frau nicht gern gesehen und auch ansonsten in keiner sonderlich guten Verfassung. Aus einer Autofahrt im Stau wird ein mürrischer Fußweg, Randale in diversen Geschäften und schließlich eine Spur des Terrors durch die halbe Stadt.
Meinung: Alllllso. Ich will hier echt keine „Joker-Debatte“ wiederbeleben oder dem Film und seinen zahlreichen Fans irgendetwas aus der Luft gegriffenes vorwerfen, aber es ist mir ziemlich schwer gefallen, Falling Down einzuordnen. Das ist erstmal ein gutes Zeichen, da es sich der Film offensichtlich nicht gerade einfach macht. Er kann so komplex gedeutet werden, wie es die von ihm angesprochenen gesellschaftlichen Probleme selbst sind.
Was mich aber unangenehm berührt hat, ist, dass er es anscheinend nicht stark genug zu vermeiden wusste, auf problematische Art und Weise gelesen zu werden. Gemäß meiner Befürchtungen hab ich jede Menge Kommentare und Reviews gefunden, die Empathie mit William Foster entwickelt haben und ihn als eindeutiges Opfer des Ganzen hinstellen. Und ja, wenn man Falling Down als Kapitalismuskritik liest, ist er natürlich eines der zahlreichen Opfer dieses Systems. Jedoch war nicht jede Rezension auf Wolfgang M. Schmitt-Niveau, sondern ließ sich teilweise auf „der arme Typ will doch nur seine Tochter sehen, aber seine hYsTeRiScHe Frau verbietet es ihm“ runterbrechen. Ein Eindruck, den der Film zum Teil auch provoziert. Warum zum Beispiel diese Szene, in der der Polizist die offensichtlich ängstliche Ex-Frau nicht ernst nimmt, weil sie (noch) nicht körperlich von William attackiert wurde, aber seine psychotische Seite sehr gut kennt? Oder das kurze Telefonat gegen Ende, bei dem der „gute“ Charakter Robert Duvalls dafür abgefeiert wird, dass er seiner manisch-depressiven Ehefrau sagt, sie solle „die Schnauze halten“ und das Essen vorbereiten?
Versteht mich nicht falsch, nicht jeder Film benötigt eine sympathische Hauptfigur, mit der man sich identifizieren kann. Und vielleicht sind manche der Szenen einfach furchtbar schlecht gealtert, aber für mich ist Falling Down weder „eine unterhaltsame schwarze Komödie, bei der ich mich totgelacht hab“, noch die super krasse Gesellschaftskritik, die mit feinem Skalpell die Missstände unserer Welt aufdeckt. Manchmal hatte ich das Gefühl, der Film weiß nicht genau gegen wen oder was er gerade schießt, Hauptsache es kommt eine zitierfähige, kultige Szene dabei raus.
Again, ich unterstelle anhand dieser Szenen oder z.B. dem Umgang mit Minderheiten im Film niemandem, dass man das Handeln Fosters in ein positives Licht rückt. Es gibt nur aus heutiger Sicht dieser ganzen Anti-PC-Welle unfassbar viel Material, an dem sie sich ergötzen und den mittelständischen weißen Mann als Opfer darstellen können, anstatt die vermutlich von Schumacher intendierten Zusammenhänge zu betrachten. Und das hat bei mir einfach für ein mulmiges Gefühl gesorgt.
Jetzt wo dieses Geplänkel aus dem Weg ist: Filmisch ist Falling Down echt toll umgesetzt. Die kleinen Bilder und Übergänge, die Joel Schumacher teilweise findet, könnten nicht besser auf den Punkt sein. „Was sucht ein weißer Mann in Hemd und Krawatte in diesem Bezirk?“ → Schnitt zu einem riesigen aufgemalten Burger auf dem Parkplatz des Restaurants. Duvall schlägt seinen Macho-Kollegen in die Torte → Foster sieht sich alte VHS mit dem Geburtstagskuchen seiner Tochter an. Auch die Intro-Sequenz, wegen der dieser Film überhaupt in der Liste gelandet ist, hinterlässt direkt einen starken Eindruck. Quasi das Gegenstück zur Stau-Eröffnungsszene von „La La Land“ - nur am komplett anderen Ende der emotionalen Skala.
Fazit: Inszenatorisch der wohl beeindruckendste Film von Joel Schumacher, den ich bis jetzt gesehen hab und auch eine tolle Performance von Michael Douglas. Wie konstruiert die Handlung des Films dann teilweise ist („Oh, ich will nicht in der Schlange vor dem Bus warten - also muss ich den ganzen Weg laufen!“) und meine ausführlich geschilderten Hintergedanken, haben das Erlebnis dann aber etwas getrübt.
7/10
P.S.: Wieviele Versuche haben sie wohl gebraucht, damit der geworfene Apfel des Bettlers genau vor Michael Douglas’ Füße rollt?