Gentrifizierung - Fluch oder Segen?

Wir hatten die Diskussion ja schon mal im Aktuellen Tagesgeschehen angerissen, aber kürzlich habe ich mich nochmal damit beschäftigt und ich verstehe die negativen Effekte der Gentrifizierung noch immer nicht so ganz.

Zunächst einmal eine kleine Umfrage zur Meinung und der Erfahrung bzgl. Gentrifizierung.

  • Ich halte Gentrifizierung grundsätzlich eher für etwas schlechtes und habe selber negative/positive Effekte durch Gentrifizierung erfahren.
  • Ich halte Gentrifizierung grundsätzlich eher für etwas schlechtes, habe aber selber keine negative/postive Effekte durch Gentrifizierung erfahren.
  • Ich halte Gentrifizierung grundsätzlich eher für etwas gutes und habe selber positive/negative Effekte durch Gentrifizierung erfahren.
  • Ich halte Gentrifizierung grundsätzlich eher für etwas gutes, habe selber aber noch keine positive/negative Effekte durch Gentrifizierung erfahren.

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Ich persönlich halte Gentrifizierung für etwas grundsätzlich gutes, würde aber gerne verstehen, was genau das Problem ist und darüber gerne diskutieren.

Ich machs kurz. Bei mir im Ort geschieht das seit ein paar Jahren. Es war mal ein gemütlicher kleiner Ort wo man sich kennt und war eine kleine aber feine Gemeinde.
Durch den Wohnungsmangel und steigende Grundstückspreise ziehen hier unfassbar viele Junge Familien mit nicht grade wenig Geld her. Das führ im Ort dazu das sich das Stadtbild erheblich ändert indem sehr moderne Einfamilenhäuser gebaut werden und den Charakter des Ortes stark verändern. Weiter wird alles immer teurer und die alten Einwohner können sich keine Häuser, Wohnungen und Grundstücke mehr leisten. Das wohnen hier wird auch immer und immer teurer, egal ob Wohnen selber oder Lebenshaltungskosten.
Wenn die Konjunktur mal wieder abebbt werden viele wieder hier weg ziehen und der Ort verfällt.

Ok also der negative Effekt in deinem Fall ist also, dass im Falle eines Neueinzugs/Neuerwerbs die Preise gestiegen sind und der Ort seinen ursprünglichen Charakter verloren hat?
Inwiefern sind die Lebensunterhaltskosten gestiegen?
Kann man die Veränderung des Charakters des Ortes auch als positiv beschreiben oder hat sich die Lebensqualität grundsätzlich verschlechtert?

Die Lebenshaltungskosten in dem Sinne das neue Geschäfte aufmachen und die Preise teurer werden weil eben zahlungskräftigere Kundschaft da ist. Negativ auch weil wir mittlerweile 4 Kindergärten haben die hoffnungslos überfülllt sind und keine Plätze mehr da sind. Die alteingesessenen Bewohner so kaum noch ihre eigenen Kinder unterbringen können. Das Stadtbild änndert sich auch in dem Sinne zum negativen weil der Ort eben einen Charakter durch seinen Baustil hat der durch sehr morderne viereckige und schnörkellose Würfel mit Glasfronten verunstaltet wird. Das ändert das komplette Bild des Ortes was ich persönlich sehr negativ auffasse.

gentrifizierung ist für mich etwas grundlegendes schlechtes und ich erfahre das ganze in berlin täglich selber. ich selbst kann mir als student nur eine wohnung am rande der stadt leistung und muss deswegen ewig zu uni fahren, weil es in der innenstadt nur noch hochpreisige wohnungen für besserverdiener oder eigentumswohnungen gibt. dazu werden durch gentrifizierungsmaßnahmen wie unnötige luxussanierungen oder die umwandlung für “eigenbedarf” viele alte bewohner aus ihren wohnungen verdrängt und müssen sich dann auch weiter außen ansiedeln.

gentrifizierung ist also die für mich der inbegriff der entwicklng einer region für wenige auf kosten der meisten.

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Haben die alten Geschäfte zugemacht? Ich meine bspw. Aldi kostet doch überall gleich viel.

Luxussanierungen sind ja grundsätzlich nicht zulässig, wenn der Bewohner sich die Mieterhöhung nicht leisten könnte.
Kenne grade auch keinen konkreten Fall, der vor Gericht keinen Erfolg hatte.

Ich meine Einzelhandelsgeschäfte wie Cafes, Restaurants, Möbel usw.

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das ändert nichts daran, dass wohnungen für die unteren gesellschaftsschichten extras erhalten, wie eine bodenheizung oder sogar nur ein versteckter spülkasten, die dann dem vermieter eine drastische mietpreiserhöhung ermöglichen, die die alten bewohner nicht mehr zahlen kann. durch gentrifiezierung findet ein weitreichender austausch des klientiels in den entsprechenden stadtvierteln vor, dafür braucht man in berlin nur mal in den prenzlauer berg oder nach neuköln gehen.

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Kennst du persönlich Fälle, in denen eine Person, die bereits in der Wohnung lebte und sich eine Mieterhöhung aufgrund von einer Sanierung nicht hätte leisten können vor Gericht gegangen ist und es nicht zu seinen Gunsten entschieden wurde?
Meines wissens gibt es solche Fälle nämlich nicht.

brauchs ja nicht, es reicht ja, wenn der mietvertrag vom vermieter einfach gekündigt wird (innerhalb der fristen) sich hier alleine auf den schutz vor luxussanierungen zu berufen reicht bei weitem nicht mehr aus um die bestandsmieter zu schützen.

hier mal ein paar eindrücke für dich, wie sich das ganze in berlin auswirkt:

Denn die Hausverwaltung hat auch seine Wohnung in Prenzlauer Berg gekündigt. An der Schönhauser Allee lebt Roellofs mit seiner Frau seit 15 Jahren. Sie haben vier Kinder zwischen 8 und 16 Jahren und zwei Hunde.

Der Brief der Hausverwaltung kam im Februar 2017. Eine fristlose Kündigung. Es geht um Mietschulden von über 10000 Euro. Roeloffs widerspricht. Er habe keine Mietschulden. Die Wohnung sei unsaniert, habe etliche Mängel. Die Heizung war kaputt, Wasser fehlte, da habe er weniger Miete gezahlt. Aber später wieder mehr. Doch es gibt kaum Belege.

Roeloffs schickte Beschwerden an seine Vermieter, aber nicht als Einschreiben. „Ich war naiv und habe die taktischen Spiele nicht begriffen“, sagt er heute. Es ist ein komplizierter Fall. Anwälte streiten seit Monaten darüber. Mitte Dezember entscheidet das Gericht.

– Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/29000530 ©2017

Wäre der Vertrag verlängert worden, hätten sie wohl die neue Miete nicht mehr zahlen können im Freien Neukölln, so sehen Antje Borchardt und Matthias Merkle das. Und selbst die Preise anheben, das hätten sie nicht gewollt. Es war Teil ihres Konzepts, dass das Bier günstig ist und die Lust, lange um einen Tisch herum zu debattieren, groß. – Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/481156 ©2017

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Bevor ich mir die Links anschaue:
Wer einen befristeten Mietvertrag unterschreibt muss sich nicht wundern, wenn dieser gekündigt wird.
Ein unbefristeter Wohnraummietvertrag kann dagegen nicht grundlos gekündigt werden.
Mietschulden i.H.v. 10.000€ wie von die zitiert sind natürlich ein Grund zur Kündigung, der man natürlich widersprechen kann. Ist natürlich dumm wenn man einfach die Mietzahlung einstellt/mindert, ohne entsprechend anzukündigen und Beweise zu sichern.

richtig. nur sorgt das ja eben dafür, dass die alten mieter raus müssen um neuen, wohlhabenderen platz zu machen.

Ja, aber dann ist man wie gesagt selber schuld. Ein befristeter Mietvertrag ist nicht ohne Grund befristet und wer einen solchen schließt braucht keine Hoffnung haben, über die befristung hinaus in der Wohnung bleiben zu können.

Habe mir jetzt auch die Links angeschaut…
Ja ist natürlich nicht geil, wenn man von den Vermietern “rausgemobbt” wird. Das hat aber nicht nur etwas mit Gentrifizierung zutun. Das gibt es überall, kann aber eben auch rechtlich eingestellt werden.

Wer sich nicht allzu dumm anstellt ist in Deutschland gut abgesichert, was Wohnraummietverträge angeht.

natürlich ist diese aggressive austauschpolitik eine der hauptauswirkungen der gentrifizierung. wenn ich meinen eigentumswert steigern möchte, da stören nun mal zahlungsschwache mieter und müssen weg. ob es dann mit mobbing, eigenbedarfserklärungen (die übrigens kaum rechtliche hürden hat), getarnten luxussarnierungen oder auch einfach nur über reguläre mieterhöhungen passiert ist dabei nebensächlich. es ist schlicht und ergreifend die weit verbreitete parxis, die dazu geführt hat, dass sich stadtviertel innerhalb von berlin in wenigen jahren völlig gewandelt haben und nichts mehr ist wie früher.

klar gibt es begrenzte rechtliche mittel gegen einige dieser praktiken, jedoch musst du auch bedenken, dass das ganze vor allem die unteren schichten der gesellschaft trifft die weder zeit, noch geld, noch die kraft für einen langwierigen rechtsstreit mit mächtigen vermietern und investoren besitzen.

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Ok verstehe ich. Glaube ich habs ganz gut verstanden. Bleibe aber gespalten was die Gentrifizierung angeht.
Grundsätzlich denke ich ist Gentrifizierung etwas gutes, denn dadurch werden leblose und abgewohnte Gegenden wieder attraktiver und lebendiger.
Was natürlich stimmt ist, dass es insbesondere die einkommensschwächeren trifft, wenn große Investoren/Vermieter ohne Rücksicht auf Verluste versuchen ihre Interessen durchzusetzen.
Ich glaube auch nicht, dass es wünschenswert ist, dass einkommensschwächere Personen zwangsweise aufs Land ziehen müssen um sich Mieten leisten zu können.
Gentrifizierung hat also positive aber auch sehr negative Auswirkungen.
Ne Lösung ist es allerdings M.E. nicht die günstigen Gegenden aus Angst vor den negativen Folgen einer Gentrifizierung bewusst schebbig zu Halten oder investitionen grundsätzlich

Aber was hat das mit Gentrifizierung? Wohl eher was mit falscher Planung

Ich finde Gentrifizierung wenn sie in bestimmten Rahmen und langsam abläuft ist etwas gutes. Gute Infrastruktur und angenehme Wohngegenden sorgen eben auch dafür das Arbeitsplätze entstehen durch neue Läden, Kitas, überhaupt Firmen.

Aber natürlich wird das ganze auch genutzt um bestimmte schichten aus Viertel oder gar der Stadt zu drängen, das darf man nicht klein reden und da muss der Staat versuchen regulierend einzugreifen.

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Die Leute ziehen schneller her als gebaut werden kann. damals hat ein Kindergarten gereicht, heut sind 4 nicht genug.

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Leben hier in einer Gegend die sehr Ländlich ist, aber ein paar ganz große Firmen und Marktführer in Ihrem Bereich haben (Würth zb), Gleichzeitig ist durch teilweise fast schon zu gutes Touristikmanagement die Gegend auch bei Leuten aus Stuttgart und Co teilweise ins Bewusstsein gerückt.

Das führt nun dazu, dass der Grundpreis für Häuser die halbwegs nett aussehen (schönes schmuckes altes Haus) oder eine tolle Lage haben, einfach mal 100 000 plus ist, wo man vor 10 Jahren dafür nur 60k gezahlt hätte, einfach weil inzwischen zb im Nachbarort 10 von 120 Häusern durch Stuttgarter besessen werden und auch bei uns wurde letzt ein schönes Haus in der Dorfmitte durch irgend jemand aus dem Stuttgarter Raum gekauft.
In der nächsten Kreisstadt ist sind die Hauspreise sogar in den letzten 5 Jahren um ca 50% gestiegen, einfach nur pervers

Das Problematische ist nicht nur, das es den Einheimischen bzw Ihren Kindern schwer gemacht wird Wohnungseigentum zu erwerben, sondern dass diese Leute die Häuser hauptsächlich am Wochenende benutzen und dem Ort dadurch schaden, da unter der Woche niemand da ist, es kaum Sozialkontakte gibt und es natürlich heftigen Sozialen Unfrieden gibt.
Da kommt dann eben Freitag Abend die neue Oberklasse Limousine oder “Pseude GEländewagen” angefahren, teils die Lebensmitter vom Spezialitätenladen mitgebracht.

Am Anfang dachte man ja noch, diese Leute würden zumindest den Geschäften helfen, aber man merkte recht schnell das bis auf ein paar teure Restaurants in denen die Einheimen zb kaum sind, diese Leute sehr wenig hier einkaufen, ausser es sind Mitnahmeeffekte bei Veranstaltungen oder Mitbringseleinkäufe.