Vorübergehend ist ein gutes Wort, was hier aber eine unbekannte Größe ist. Wenn man sich die Situation so anguckt, dann gibt es anscheinend keinen großen „Gegenspieler“ im Land, der tatsächlich die Stirn bieten könnte. Nicht umsonst fällt nun alles in sich zusammen, vielleicht hält man Kabul länger. Die BBC hatte mal zusammengefasst, warum auch die afghanischen Sicherheitskräfte halt auf dem Papier gut klingen, aber in der Realität auch viele Probleme haben:
The Afghan army and police has a troubled history of high casualties, desertions and corruption - with some unscrupulous commanders claiming the salaries of troops who simply didn’t exist - so called „ghost soldiers“.
In its latest report to the US Congress, the Special Inspector General for Afghanistan (SIGAR) expressed „serious concerns about the corrosive effects of corruption… and the questionable accuracy of data on the actual strength of the force“.
Die Taliban sind nicht nur DIR Taliban, sondern wird in dem Artikel so beschrieben: „the Taliban is closer to a coalition of independent franchise holders loosely - and most probably temporarily - affiliated with one another“. Ein Kern von 60.000 Kämpfern, die mit anderen Millizen und Unterstützern auf 200.000 anwachsen könnte.
Nicht zu vergessen, überall wo die Sicherheitskräfte nun geschlagen werden, gibt es natürlich noch mehr Waffen, die man einnimmt. Aber so ist das halt, ist bei allem was einnimmt.
(https://www.bbc.com/news/world-asia-58187410)
Von daher würde ich vorübergehend als längere Zeit bezeichnen, wenn sie ihren islamistischen Staat aufbauen, solange sich nicht ein neuer Bin Laden in den Bergen versteckt oder man einem Nachbarland auf die Füße tritt, sollte es auch kein Problem geben. Wie man auch schon jetzt in Berichten liest, gibt es viele andere Länder, die dieses Machtvakuum auch gerne füllen würden. Die chinesische Regierung stellt sich mit Taliban-Gesandten in den letzten Wochen auch ganz gut bzw. es gibt öffentliche Bilder.
Die Taliban hatte schon in vielen Gebieten ihre parallelen Schattenregierungen, wo man sich um viel gekümmert hat und auch nicht wenig Geld einnahm:
According to Taliban members and a UN committee, they make close to $1.5bn a year (PDF).
They have also earned revenue from partnering with local and regional mafias in the regional drug trade. Last year, they made millions from mining and trading minerals, and even producing methamphetamine (a stimulant widely used as a recreational drug) in partnership with regional mafias.
They also have their own tax collection system and receive funding from abroad – although suspected sources, like Pakistan and Iran, deny it.
In dem Artikel heißt es noch, dass man kein Bürgerkrieg will und das man auch niemand was weg nehmen will, jeder kann zur Schule oder Universität, etc. Solang ihr System und Regeln eingehalten werden. Was das dann am Ende heißt, sieht man ja später.
(https://www.aljazeera.com/news/2021/7/25/the-taliban-explained)
Aber auch in anderen Regionen hörte man so etwas ja immer von den Freiheitskämpfern und Rebellen, die dann das Land befreien. Am Ende sitzen da dann Leute, die halt genauso morden, foltern und Menschen verschwinden lassen. Ggf. nur die anderen Gruppen, die einen im Wege stehen. Überrascht sollte man halt nicht sein.
Mit Sicherheit gibt es Menschen, die auch unter einer erneuten Taliban-Herrschaft in Afghanistan gut und gerne leben können. Es gibt auch viele Menschen, denen es nicht so gehen wird und ggf. auch um ihr Leben fürchten.
Welche wären es? Aktuell hört man nun auch nichts mehr zu Myanmar, da ist es still geworden, haben unsere Sanktionen etwas bewirkt oder nicht und hat sich die Lage geändert?
Der Ausnahmezustand wurde bis August 2023 verlängert und dann soll es auch Neuwahlen geben. Was auch immer das dann heißen mag, da das Militär ungern an Macht und Einfluss verliert. Da hinter denen China und Russland stehen, ist man bei uns im Westen lieber etwas ruhiger. Man möchte ja kein Fass aufmachen.
Wie gesagt, alles nicht einfach. Was soll man machen, was soll man tun. Was ist richtig, was ist falsch. Was würde die Mehrheit der Bevölkerung tun, wenn sie könnte? Am Ende können wir sowieso nur zuschauen und im 21. Jahrhundert ist man dank sozialen Medien auch noch näher dabei als früher.