Im Namen des Chats II - 06.05.2022

uuuufffff
wow
:beannotsure:

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And to you too, good Sir! *Teetasse-heb’ und-Monokel-richt’.

Und nochmal Chapeau. Eine sehr konstruktive inhaltliche Diskussion!

Sachsen hier, wobei ich nicht hier geboren bin. Ich bin allerdings Verwaltungsjurist. In Studium und Ref hatte ich strafrechtliche Schwerpunkte, war auch zweimal in der StA als Station. Aber jetzt nicht mehr. Deswegen kann ich nicht so richtig sagen, ob es sachsenspezifische Entscheidungen hier gibt (Sie scheint weder deutlich polit. rechts noch links zu stehen -.-). NRW hat eine gute Entscheidungsdatenbank, da stöber ich manchmal um meinen strafrechtlichen Kopf fitter zu halten. Gibt gute, allerdings auch richtig miese Entscheidungen.

Bei der Fülle an Gerichten, die wir hier haben, geht das aber meines Erachtens noch. Jedenfalls, wenn man es mit Bayern vergleicht, Da hat man teilweise ja wirklich den Gedanken, dass in Bayern grundlegend andere Gesetze gelten. Von Sachsen weiß ich jetzt nicht derart viel, nur, dass man teilweise sagt, dass die Strafjustiz da auf dem rechten Auge blind ist. Wohl insbesondere wegen dem Fall von Lina E.

(Übrigens: Ihhhh! Verwaltungsrecht! Mein absolutes Hassgebiet. :smiley: )

Das tue ich ebenfalls. Aber als Verteidiger hätte ich es trotzdem bestritten.-

Puhh. Ob das in einer Verhandlung vernünftig möglich wäre? Ich glaube eher, dass der Vorsitzende bei so einem Versuch mindestens mit der Stirn gerunzelt, wenn nicht sogar geschmunzelt hätte. :smiley:

Wie gesagt, das beweist ja nur, dass sie da war. Das hat Lars aber clevererweise gar nicht bestritten.

Ja, aber braucht man denn wirklich mehr? Man hätte natürlich darauf eingehen können, dass sie da gar nicht zu dem Park kommt, zu dem sie wollte, aber auch das braucht ja auch gar nicht unbedingt zu erfolgen. Es reicht für den Nachweis der Vorbereitung der Tat ja völlig aus, dass sie da war und den Zettel hätte anbringen können. Ein Brandi war ja zum Beispiel nicht da (die Überwachungsaufnahmen wurden ja zuerst ausgewertet). So hätte nur Leon die Möglichkeit gehabt, der aber schließlich durch andere Beweise entlastet wird. Bleibt nur ein ominöser Dritter, der aber keinen Zugang zu dem Büro hätte. Effektiv kannst du unter anderem an dem Beweis jeden Alternativtäter ausschließen.

Es ist halt etwas wirklich alltägliches, wenn sie irgendwo gesehen wird. Wie haben im Grunde drei Augenzeugen (Kamera ist insoweit ja auch nur ein Auge, das seine Wahrnehmung verlässlich wiedergibt)

Jetzt mal ein Seitenhieb von mir (man möge ihn mir verzeihen, weil ich damit im Ref in der Sitzungsvertretung zu kämpfen hatte): Ein Augenscheins- und ein Zeugenbeweis sind natürlich grundverschiedene Dinge. :smiley: Gerade der Zeugenbeweis ist ja nicht halb so verlässlich, wie ein Augenscheinsbeweis.

Mir ist bei solchen Angelegenheiten immer der Spruch eines Statistikers im Hinterkopf „Zufall ist viel wahrscheinlicher als die meisten denken.“

Es wird ja bekanntermaßen nicht auf mathematische Wahrscheinlichkeiten abgestellt, wenn man Urteile spricht. Auch die verschiedenen Verdachtsgrade messen das ja nicht notwendigerweise in mathematischer Hinsicht, obwohl das vielleicht naheliegend ist.

Ich kann in der Hinsicht einige Videos von Vsauce empfehlen, der ein paar Fälle aus dem amerikanischen Strafsystem dargestellt hat, bei denen mathematische Wahrscheinlichkeiten falsch und richtig zur Anwendung kamen und zu fehlerhaften und richtigen Urteilen geführt haben.

Schwarz und weiß gibt es bei der freien Beweiswürdigung nicht. Man nimmt schließlich alles mit einem ‚grain of salt‘, aber wenn man sich jede Überzeugung dadurch zerstören lässt, dass die Möglichkeit besteht, dass ganz viele Zufälle völlig willkürlich und lebensfremd zusammentreffen, würde unser Strafrechtssystem zusammenbrechen.
Insoweit muss ich auch @Addearheart teilweise widersprechen: Der Rechtsstaat funktioniert und auch die Show funktioniert im Rahmen der Regeln des Rechtsstaates. Es funktioniert nur nicht, wenn durch den Chat absurde Anforderungen an die Beweisführung der Anklage gestellt werden. Es gibt immer die CSI-Spezialisten, die den Plottwist suchen und deswegen zweifeln. Als Strafjurist bekommt man das halt abtrainiert. Ich denke, selbst ein erfahrener Staatsanwalt hätte bei den gegebenen Beweisen (selbst, wenn er alle hätte) und eine perfekte, stringente Anklage führt, immer noch harte Probleme, den Chat zu überzeugen. Das liegt aber - wie gesagt - nicht an der Show.

Stimmt, der Podcast, den Teil hatte ich glatt verdrängt. Allerdings, wenn er eigentlich immer das Fenster offen hat, zieht das „Warum ausgerechnet beim Essen“-Argument nicht mehr.

Wenn mich meine Erinnerungen an den Podcast nicht täuschen, hat er beim Essen eigentlich immer das Fenster auf, auch mit Leon gemeinsam. Wenn sie nicht essen, hat er das wohl mit Rücksicht auf Leon regelmäßig zu. (Ich bin mir da gerade aber nicht 100%ig sicher, ob ich das richtig zusammenfasse)
Deswegen war zu erwarten, dass er das Fenster offen hat, wenn Leon nicht da ist. Und es ist eigentlich gesichert, dass er es jedenfalls zur Mittagszeit aufmachen wird.

Hm, dazu kann ich nicht so viel sagen. Aber man kann sozial ein Hintern sein, das macht einen ja nicht zum Mörder. Sie hat ja im Grunde auch ziemlich heftig geantwortet alá Wenn mir kalt ist, mach ich halt das Fenster zu. Aber es gibt solche Menschen.

Das ist halt ne Wertungsfrage. Sie war offensichtlich bis zu einem gewissen Punkt mit dem Opfer vertraut. In finde, halt die Zufälle sind nicht so außergewöhnlich, sondern die reihen sich schon ein, in den Alltag, den sie schildert. Es gab ja auch noch unbekannte Fingerabdrücke.

Die Frage nach den sozialen Normen, die ich da aufgeworfen habe, ist zum einen natürlich orts- und personenabhängig. Aber man braucht sowas ja gar nicht zu bemühen. Die Fingerabdrücke müssen ja nicht unbedingt ihre Täterschaft beweisen, es reicht ja, dass sie der Täterschaft nicht widersprechen.

Denn: Gibt es irgendwas, das gegen Laura als Täterin spricht? Das mag nach einer Umkehr der Unschuldsvermutung aussehen, ist es aber nicht wirklich. Denklogisch kommt nur Laura in Betracht, weil gegen alle anderen Alternativtäter jedenfalls ein Punkt in der Tathandlung nicht funktionieren kann. Denn der Täter müsste folgende Dinge getan haben:

  1. Die Flasche gekauft, in dem Büro versteckt und geöffnet haben
  2. Das Fenster geöffnet haben
  3. Den Zettel an Leons Wohnung angebracht haben.

Während Ziffer 1 noch für alle Alternativtäter (abgesehen von einem Unbekannten, der keinen Zugang zu dem Büro hatte) irgendwie möglich (wenn auch nicht die beste, einfachste und sinnvollste Lösung) wäre, fällt jedenfalls Leon bei Ziffer 2 und Brandi bei Ziffer 3 raus.
Bei Laura ist das anders. Sie hatte die perfekte Gelegenheit, beim Essen holen die Flasche reinzubringen. Sie wusste genau, dass er das Büro kurzzeitig verlassen würde und, dass er allein war. Für die Zeit hat sie auch kein Alibi, weil der Livestream eben nur ein Video war - was m.E. auch im Rahmen der Show bewiesen war. Jeder „Zufall“ wird dabei dann dadurch widerlegt, dass sie die Festplatte im Nachhinein vernichtet hat.
Sie hatte auch nicht nur die Möglichkeit, das Fenster zu schließen, dass sie es zumindest schonmal gemacht hat, beweist der Fingerabdruck. Mehr ist ja auch nicht nötig.
Dass sie dann auch vor Ort war und den Zettel (zeitlich ziemlich perfekt passend) anbringen konnte, reicht auch aus. Gesichertes Wissen, dass sie den Zettel da angebracht hat, ist erstmal nicht nötig. Gesicherte Kenntnis hätte auch bedeutet, dass sie keine Möglichkeit hatte, sich dagegen zu verteidigen, weil der Beweis alleine ausgereicht hätte, um sie zu verurteilen.

So muss man sich die Beweise eben im Kontext anschauen. Die festgestellten Tathandlungen (also die obigen 3) konnten alle zusammen nur von Laura begangen werden. Es liegt damit ein lückenloser und stringenter Tatablauf vor, der durch Indizien belegt ist. Jeder anderer Täter scheidet da vollständig aus. Das reicht m.E. im Rahmen der freien Beweiswürdigung für die Überzeugung aus, dass Laura die Täterin ist. Deswegen gibt es da auch keine wirkliche Grundlage, den in dubio Grundsatz anzuwenden.

Zweifel gibt es immer. Es geht - wie ich schonmal angesprochen habe - gar nicht ohne Zweifel. Dieser „grain-of-salt“ ist auch für Juristen nicht völlig auszublenden. Die Tatsache, dass wir die Verteidigung „Es könnte auch ein Alien gewesen sein“, nicht als valide Ausrede anerkennen, die geeignet ist, begründete Zweifel hervorzurufen, sollte schon ausreichend sein um zu erkennen, dass der Grundsatz nicht absolut ist. Ich hatte mal in einem Aufsatz zu dem Thema gelesen: „Es kommt daher nicht auf die Frage an, ob Zweifel vorhanden sind, sondern welche Zweifel man legitim ignorieren darf, damit die Leistungsfähigkeit der Strafjustiz nicht auf Null reduziert wird.“ (Quelle würde ich gerne beifügen, weiß ich aber leider nicht mehr)

Hier setzt du aber voraus, dass sie die Täterin ist. Sie hat plausible Gründe genannt. Und die Verhandlung konnte nicht etablieren, dass Pascal der Fahrer war oder auch nur, dass sie das geglaubt hat.

Diese Prämisse muss man setzen. Das kann man ja auch gerne mit jedem anderen Alternativtäter machen. Und nur bei Laura ergibt sich durch die Prämisse, dass sie Täterin ist, ein widerspruchsfreier, stringenter und vollständiger Tatablauf.

Allerdings, die Anklage hat hier nur gemutmaßt, dass sie das Bild verwechselt hat. Sie selbst hat ja ausgesagt, dass es eben nicht das gleiche Symbol war.

Jep. Bei den beiden Aussagen darf man aber nicht davon ausgehen, dass eine „objektive Wahrheit“ existiert, an der man ihre Aussage messen könnte. Deswegen verbietet sich eigentlich Lars’ Vergleich zwischen der Schlange und dem Salamander (war aber natürlich trotzdem sehr schlau, weil’s viele in die Irre geführt hat).

Hier werden wir uns nicht einigen. Das ist mE 'ne Mischung aus Hörensagen und Spekulation. Jemand, der nicht das Gericht ist, hat ausgesagt, dass sie nach seiner Ansicht auffällig interessiert an dem Büro war, obwohl es seiner Ansicht nach bessere Angebote gegeben hätte. Und dass das Auto verblüffende Ähnlichkeit hat, hat die Verteidigung ja bestritten. Hier war die Anklage aus meiner Sicht ein wenig zu dünn, weil im Grunde ja nur eine Theorie präsentiert wurde, die sich auf das Innere der Angeklagten bezogen hat.

Hörensagen wäre ja erstmal kein Problem. Bekanntlich ist das deutsche Strafrechtssystem dahingehend vieeeeel offener, als das amerikanische. Deswegen finde ich es auch nicht schlimm, dass die Aussage von Brandi über Lauras Wunsch, das Büro zu bekommen, an sich Hörensagen ist. Ich sehe da auch keine wirkliche Spekulation, weil Brandi an sich auch keine Belastungstendenzen hatte: Ihm ist an sich ja etwas daran gelegen, eine Mieterin nicht zu verlieren. Und gleichzeitig ist ihm als Eigentümer des Hauses etwas daran gelegen, die Sache vernünftig aufzuklären. Auch etwas, was gegen ihn als Täter spräche: Er ist durch den Mord in seiner Geschäftstätigkeit erheblich beeinträchtigt. Die Annahme, dass er über- oder untertreibt bei seiner Wahrnehmung, wäre also unfundiert. Natürlich ist das eine subjektive Wahrnehmung, aber auch die ist ja nicht grundsätzlich unbeachtlich, wenn sie sich auf objektive Umstände bezieht.

Ich fand, Florentin hat eigentlich recht deutlich gemacht, dass man es nicht so genau sehen konnte.

Findest du? Also ich glaube im Live-Chat hatte keiner wirklich angezweifelt, dass der Stream gefälscht war. Ich fand, da hatte Colin schon zu recht sehr viel Energie drauf verwendet und das im Rahmen seiner Möglichkeiten perfekt belegt.

Wenn das Kohlenmonoxid so gefährlich wäre, dass du ein Mordmerkmal annimmst, hätte sich aber auch Laura naiv und dumm selbst gefährdet. Die saß ja daneben.

Sie hatte ja auch Kopfschmerzen, was wiederum für das Mordmerkmal spricht. :smiley:

Als Verteidiger hätte ich auch die These angegriffen, dass die Angeklagte auf der einen Seite gut genug das Büro ausgekundschaftet und die Ermordung geplant haben soll, dass sie die Flasche verstecken konnte, ohne irgendwo einen Fingerabdruck zu hinterlassen, aber dann den Fehler mit dem Fenster gemacht haben soll, obwohl das offene Fenster eine Kerneigenschaft des Opfers sein soll.

Absolut. Ein sehr starker Ansatz zur Verteidigung. Erklärbar ist das tatsächlich nur damit, dass sie das Handtuch nach dem Aufdrehen der Flasche wohl zum Schutz ihrer Atemorgane nutzen musste, anstatt damit die Fingerabdrücke am Fenster zu verhindern. Oder halt einem Fehler von Laura. Aber so stark ist das ja alles gar nicht in der Verhandlung angesprochen worden.

Ich glaube in unserer kleinen Debatte hier haben wir ein wenig das Problem, dass wir immer zwischen den Regeln der show und der realen Welt hin und her springen :smiley:

Jeeeep. :smiley:

Dazu hab ich inzwischen ehrlich gesagt zu wenig im Kopf. Von dem was ich in der Verhandlung gesehen hab, blieb die Steuerung durch Leon möglich, die Ermordung durch Brandi ebenfalls und insbesondere die Ermordung durch einen unbekannt gebliebenen Dritten auch. Am wahrscheinlichsten ist die Ermordung durch die Angeklagte, das sehe ich ja auch so. Aber wenn Zweifel verbleiben, greift in dubio.

Wenn die möglich (und halbwegs wahrscheinlich) geblieben wären, hätte ich dir zugestimmt, dass dann der in dubio Grundsatz greift. Allerdings hab ich’s ja so eingestuft, dass es nicht möglich war. Siehe oben.

Zur Gemeingefährlichkeit:
Eigentlich müssten wir dazu Fynn Eberhard nochmal hören. Für deine These spricht, dass man das Gebäude evakuiert hat. Allerdings hatte ich das so verstanden, dass das geschah, bevor man die Quelle festgestellt hat. Ansonsten müsste man schlicht berechnen, wie viel Gas in der Flasche war, und ob objektiv überhaupt eine große Zahl Menschen verletzt werden konnte. Eine konkrete Gefahr für eine konkrete weitere Person reicht mW. ja auch nicht (Fischer steht auf Arbeit). Siehe auch BGH 1 StR 487/92 Rn. 12. Und durch das Öffnen der Tür entweicht ja nur eine geringe Menge Gas, was sich zudem ja auch verflüchtigt, wenn der Raum nicht gedämmt ist. Leon wäre eigentlich nach dem Tatplan der einzige konkret gefährdete gewesen. Es ist ja auch ein Büro, das eben nicht per se öffentlich war, wenn es auch diese Besucherchips gibt. Offensichtlich ist es jedenfalls nicht.

Ich denke, abstrakt gesehen hätte die Flasche jeden Menschen getötet oder schwer verletzt, der in dem Raum war oder diesen betreten hätte. Denn auch beim späteren Betreten des Raumes bestand diese abstrakte Gefahr, die von der Angeklagten nicht nur nicht kontrollierbar war, sondern auch in gewisser Weise beabsichtigt war. Sie wusste und wollte ja, dass Leon die Leiche kurz danach findet. Zu einem Zeitpunkt, wo nach wie vor akute Lebensgefahr bestand. Insoweit müsste man sich bei dem Brandstiftungsfall fragen: Kann der Täter sich auf eine Kontrollierbarkeit berufen, wenn er sicher weiß, dass kurz nach seiner Brandstiftung eine weitere Person in das Haus gehen wird (und womöglich noch mehr), obwohl aktuell nur das Mordopfer da drin ist? Wohl ziemlich sicher nicht.

Ich gebe dir aber definitiv recht, dass es wohl nicht ganz so offensichtlich ist. Wenn du beim Fischer nicht fündig wirst, kann ich am Montag auch nochmal im Schönke/Schröder nachschauen.

Nicht so richtig viel, denke ich. Wäre bestimmt mal cool, löst aber das Problem eigentlich nicht und bedeutet für Rocket Beans eine Menge Aufwand.
Wenn ich Florentin richtig verstanden habe, hat die StA eigentlich mit der Polizei noch ein paar Augen. Wenn du den Nebenkläger unabhängig einführst, hast du de fakto drei Spieler. Das heißt, die StA ist nicht unbedingt entlastet, sondern kann, weil noch ein dritter spricht, sogar belastet werden (zum Beispiel durch ungeschickte fragen). Dramaturgisch kann das natürlich cool sein, insbesondere, wenn der Nebenkläger ein anderes Ziel verfolgt, als die StA. :smiling_imp:
Aber du musst auch bedenken, dass die show so schon vier Stunden lang ist. Wenn jeder Zeuge noch einmal mehr befragt wird, geht sie dann ca. 6 Stunden lang. Und das ist sicher nur ein Bruchteil der Zeit, die die Leute allein an dem Tag daran arbeiten. Und dann ist die Frage, wie sich das in der Show gestaltet. Denn die Angeklagte war ja die meiste Zeit ruhig. Aber ein Nebenkläger müsste ständig Fragen stellen. Und je besser Colin arbeitet, desto weniger Material hätte der NK. Ich weiß nicht, ob das dramaturgisch dann noch so toll ist. Ich denke, dass sowas eher als plot tool für Florentin brauchbar ist, als als normaler Teil der show. Aber das muss er dann auch selbst entscheiden.

Ich verstehe deine Bedenken. Die Polizisten als „Hilfe“ zu sehen find ich aber schwer. Die sollen ja auch als Zeugen vernommen werden. Insoweit wäre es vielleicht auch seitens der Anklage nicht so schlau, denen eine Belastungstendenz durch Parteilichkeit zuzumuten. Nagt ein wenig an der Glaubwürdigkeit.

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Heyho zusammen!

Jetzt meldet sich der Fritsche auch mal zu Wort :smiley:

Vielen Dank für das reichhaltige Feedback hier und auch die ganzen fachlichen Perspektiven. Und das auch noch Wochen nach der Sendung.

Ich möchte die Feiertagsgelegenheit nutzen, wie schon Lars zuvor ein paar Gedanken meinerseits teilen.

Erstmal: Die Staatsanwaltschaft ist stinksauer (und enttäuscht, ob der eigenen Leistung), dass sie es erneut nicht geschafft hat, für eine schuldige Person den gerechten Schuldspruch zu erwirken. Sie denkt aktuell darüber nach, die Profession zu wechseln. Hat bei Ronald Schill ja auch ganz gut geklappt… oder so.

So bin ich an den Fall herangegangen:
Ungefähr ne Woche vor der Sendung wurde mir das allseits bekannte Material übergeben, und ich begann, mich in den Fall einzuarbeiten. Ich habe also nicht mehr oder weniger Infos als ihr bekommen. Relativ schnell wurde mir bei der Durchsicht klar, dass Lifty die Tat wirklich begangen haben muss, baiserend auf dem Motiv einer späten Rache für den Unfalltod ihres Bruders. Alle anderen angedeuteten Motive und potenzielle Täter (ein beim Schäferstündchen ertappter Vermieter oder zerstrittener Geschäftspartner) waren für mich das, was sie dann auch waren: Ablenkungsmanöver und Anknüpfungspunkte für die Verteidigung. Das Beweismaterial selbst gab viel zu wenig her, hier etwa Leon glaubwürdig an die Wand zu nageln. Das hätte dann ja alles im Verlauf des Verfahrens basierend auf Zeugenaussagen (und nicht Indizien oder gar Beweisen) herausgearbeitet werden müssen.

Damit war das Vorgehen klar: das vermeintliche Alibi der Täterin -der Stream - muss widerlegt werden. Das war durch die Hinweise im Stream (keine nachweisliche Live-Interaktion im ersten Teil, klarer Cut, Stimmungswechsel etc.) für mich auch klar gegeben. Den inhaltlichen Fehler - sie referiert später live auf Inhalte des Streams, die gar nicht abgespielt worden sind - habe ich tatsächlich nicht gefunden.

Für mich war damit zumindest klar, dass das Alibi getürkt war und Lifty somit die Tat tatsächlich begannen hat. Dann begann die weitere Aufarbeitung: ne zeitliche und nachvollziehbare Rekonstruktion des Tatablaufs, der Tatvorbereitung und ein Motiv. Das alles lies sich meiner Ansicht nach aus dem Material so weit herausfiltern, dass es zusammenpasst (und so war es ja auch angelegt).

Das Grundproblem des Beweismaterials bestand für mich darin, dass es keine „Smoking Gun“ gibt. Klar, hätte es die gegeben, hätten wir uns das ganze Verfahren und damit die Sendung auch sparen können :wink: Aber Indizien wie Bilder einer Überwachungskamera, Fingerabdrücke oder Grammatikfehler (hab ich nicht gefunden) können wiederum immer super leicht angezweifelt werden. Und Lifty selbst bzw. die Verteidigung kann eh alles abstreiten bzw. glaubwürdig anzweifeln: warum sie wann wo war, den Schlangensticker, das Auto des Angeklagten, die Fingerabdrücke etc. In der Masse ergeben sie eine nachvollziehbare Anklage, im Einzelnen ist nichts unumstößlich und kann diverse alternative Erklärungen haben.

Leider ist es mir nicht gelungen, dies im Laufe des Abends angemessen zusammenzuführen und so zu präsentieren, dass 66% der Zuschauer*innen davon überzeugt worden wären.

Ein Hauptproblem dabei war leider mein Eröffnungsstatement. Dem hätten wir im Vorfeld mehr Beachtung schenken sollen: was soll/muss rein, damit es für die Sendung am besten passt. Hier wollten wir einerseits nicht zu viel spoilern, andererseits hätte doch deutlich mehr Info reingemusst, was genau und warum die Staatsanwaltschaft Lifty vorwirft. Hab ich dann letztlich erst 10 Minuten vor Sendungsbeginn vorbereitet, und es war schlicht nicht gut. :frowning:

Ein weiteres Problem war - vor allem in Bezug auf das Motiv - die Reihenfolge der Zeug_innen. Hier gibt es ja im Beweismaterial nur die Notiz der Unfallfahrerflucht. Somit kamen Zeug_innen, die letztlich mehr zu Liftys Trauma und ihrem Umgang damit hätten sagen können, erst sehr spät zu Wort. Etwa Liftys Freundin und natürlich zuvorderst Lifty selbst. Die (Ersatz-)Kommissarin hatte afaik zu dem Unfall damals auch keine weiteren Infos. Dass Liftys Freundin - oder gar Lifty selbst - keinen Wusch hegt, Liftys Rachemotiv zu untermauen und stattdessen kleinreden, abstreiten oder im Zweifel lügen würde, kommt noch erschwerend dazu.
Damit fiel es mir schwer, das Motiv und die Backstory-Wound im dramaturgischen Verlauf der Sendung besser aufzubauen. Aber wie Florentin schon anmerkte: wenn Lifty als erstes gekommen wäre in Befragungsreihenfolge, dann wäre das für die Sendung wenig sinnvoll gewesen. Es ist und bleibt eben eine Show und kein realer Gerichtssaal.

Aus meiner Sicht wäre es fürs nächste Mal sinnvoll, sich im Vorfeld mehr auf Fakten zu einigen, damit es nicht zu unnötigen Schlenkern kommt. Die Gasflasche etwa: wenn die eindeutig als Tatwaffe identifiziert worden ist, müssen wir uns nicht zu lange mit 3D-Druckern oder möglicherweise defekten Heizungsanlagen rumplagen. Dann geht es nur noch darum, WER die Flasche platziert hat. Und das wäre - aus meiner Sicht - das, worum es hätte primär gehen sollen.

Auch hätten - ebenfalls aus Sicht der Staatsanwaltschaft - ein paar Indizien klarer sein dürfen. Das Auto des Opfer zum Beispiel: das hätte imo ruhig ein Honda Civic sein können (bzw. eben der selbe Autotyp). Damit wäre immer noch nicht unumstößlich klar gewesen, dass der Unfallwagen von damals und das letzte Auto des Opfers vor dem Tesla ein und dasselbe Auto gewesen wären. Aber es wäre in Indiz von sehr vielen gewesen, das man nicht im Detail hätte herausarbeiten müssen (oder simpel abbügeln können mit: „Das war doch ein ganz anderes Auto damals!“). Aber ich kann mir gut vorstellen, dass wenn man sich Autor des Falls wochenlang mit dem Material beschäftigt, alle Verbindungen kennt etc., dann hat man sicher große Sorge, dass Dinge ggf. zu offensichtlich sind für die Anklage und man dreht lieber noch mal an der Komplexitätsschraube :smiley:

Letztich bestand meine Hauptschwierigkeit am Abend darin, die super vielen Indizien, die alle relativ leicht mit „Könnte auch ganz anders“ sein von der Verteidigung zu entkräften waren, angemessen zu präsentieren. Und auch die Zeugen mit wenigen Fragen Richtung Anklage zu trimmen und dabei gleichzeitig mit Angriffen und kruden Thesen der Verteidigung zu jonglieren. Dafür braucht es einen fähigeren Staatsanwalt als mich :slight_smile:

Letztlich hatte ich trotz allem sehr großen Spaß und hab das Ganze sehr ernst genommen. Auch wenn ich von meiner eigenen Leistung halt enttäuscht bin. Aber was Florentin und Johanna hier aufgebaut haben, dem gebührt größter Respekt! So kleinteilig, so raffiniert und liebevoll - das hat mal richtig Zeit und Hirnschmalz gekostet. Und umso mehr tut’s mir leid, wenn man dann als Staatsanwalt die liebevoll ausgelegten Köder nicht verarbeitet.

So weit erstmal - viele Grüße
Colin

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  • Heute, um 17:30 Uhr erscheint auf unserem RBTV-Youtube-Channel ein VoD mit dem Titel „Jetzt reden die Anwälte - Im Namen des Chats 2“ . Hier schnacken Colin und Lars mit dem echten Anwalt Christian Solmecke , der uns seine Gedanken zu Im Namen des Chats 2 mitteilen wird. Hätte Lars derart lügen dürfen? Hätte Colins Anklage überhaupt erhoben werden dürfen? Wie nah ist Florentins Geschichte an der Realität vor Gericht?

Quelle: https://rocketbeans.tv/blog/630/News-UEbersicht-Bingo-Battle-Lars-Man-Standing

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Das ist ja mal richtig cool, freu mich das Christian das macht. #free_lifty :beanfeels:

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Nichts FREE liffty!

Speert die Weg :chains:

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@Addearheart

Muss ich noch fertig gucken, aber das Rennen war einfach zu spannend :beanlurk:

Fand das Video wirklich gut, der Anwalt ist n sympathischer Typ und ich hab viel gelernt :woman_judge:

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Ach wie cool. Das kommt ja aus dem Nichts :smiley:

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Fand es auch interessant. Mal wieder was mit Mehrwert. Auch wenn ich Bauchschmerzen dabei habe Menschen aus solch bedeutenden Berufen auf YT herumhampeln zu sehen. Machte aber trotzdem einen differenzierten Eindruck.

Hab hier nicht mit diskutiert. Emfpand den Schreibfehler damals schon als schwaches Indiz. Bin überrascht, dass der Experte das anders einstuft. Kann die Argumentation weiterhin nicht nachvollziehen.

Habs mir nun angeschaut und bin in meiner Meinung bestätigt: Ein Motiv alleine ist kein Grund für eine Verurteilung aber kein Motiv hat die Sache der Staatsanwaltschaft zu sehr geschadet, dass auch ich (Schande über mein Haupt) die Angeklagte freigesprochen habe/hätte.

Ist meiner Meinung einfach der Angelpunkt, warum die überhaupt angeklagt ist.

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Fand die Argumentation schon einleuchtend, dass es nicht darum geht, ob irgendwer den gleichen Schreibfehler machen könnte, sondern wer von den möglichen Täterïnnen. Und das engt die Wahrscheinlichkeit gegen Zufälle dann schon deutlich ein.

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Solmecke sagte ja auch, dass so ein Zettel noch viel mehr Indizien beinhalten kann. Handschrift, Tinte des Stiftes (bei Handschrift natürlich). Der Zettel war jetzt gedruckt, würde mich aber nicht wundern, wenn man nicht auch Druckertinte irgendwie zurückverfolgen kann. Glaube mal gehört zu haben, dass bestimmte Drucker auch ein bestimmtes Profil haben beim Drucken, ähnlich wie ein Fingerabdruck oder so.
Wie gesagt, es ist ein Indiz, kein Corpus Delicti.

Jeder Farbdrucker druckt einen Machine Identification Code mit aufs Papier: :female_detective:

Gut, dass das die Kommisarin nicht wusste, ansonsten wäre dieses Beweisstück die Smoking-Gun gewesen und die Show wäre ziemlich öde verlaufen. :upside_down_face:

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Genau das meinte ich! Danke.
Frage mich grade, ob mein schwarz-weiß Laserdrucker sowas ähnliches macht.

Naja, das hätte man ja auch etwas verschleiern können, indem man sagt, der Bürokomplex bietet auch nen gemeinschaftlichen Drucker an und da stammt das Schriftstück her.
Hätte damit den Täterkreis soweit eingegrenzt, dass es einer der bereits bekannten Personen war

Gab es den Zettel denn überhaupt noch? Aller Wahrscheinlichkeit nach landete der doch im Müll.
Aber Drucker drucken nicht nur den geheimen Code aufs Papier, sondern haben auch eine interne Festplatte. Und die hätte man auswerten können (wie ich auch schon vor dem Was Wäre Wenn gesagt habe).

Stimmt, soviel ich weiß wurde der Zettel abfotografiert und dann weggeschmissen. Glück gehabt, die Show ist gerettet! :sweat_smile:

Habe nun auch INDC2 sowie Florentins Erklärvideo nachgeholt.
Auch wenn ich hier einige Kritikpunkte der Personen, die sich wirklich auszukennen scheinen, nachvollziehen kann, habe ich mich bestens unterhalten gefühlt. Es war schnell klar, wie viel Mühe mal wieder in das Projekt geflossen ist.
Auch als Laie fande ich das, was Colin (leider?) erst am Ende zusammengetragen hat, sehr überzeugend und war überrascht, wie wenig doch auf schuldig plädiert haben. Er hat es trotz der Widrigkeiten geschafft, die einzelnen Indizien so zu verbinden, dass man von Rache ausgehen kann. Vielleicht war die Zeit am Ende zu knapp und er kam mit seiner gesamten Theorie zu spät. Fritsche for the win! :heart:

Ich freue mich schon sehr auf die dritte Ausgabe und zieh mir jetzt noch das Video mit Solmeck rein :innocent: Danke an Florentin und alle anderen Beteiligten :smiling_face_with_three_hearts:

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