Hier wird sich ja seit Anbeginn des Threads über die Nutzung des ÖPNV und die Chance der Verdrängung des Autos unterhalten. Daher wollte ich mal wissen wie weit sind wir denn schon hinsichtlich der Nutzung des ÖPNV.
(ohne jede Grundlage hätte ich die Nutzung des Nahverkehrs auf ca 20-25% der Wege in ganz Deutschland geschätzt).
Das Interessantes wollte ich mal hier erläutern
Ca. alle 6 Jahre wird ein ausführlicher Mobilitätsreport von der Bundesregierung erstellt. Der letzte sehr ausführliche Report ist von 2017. Es gab aber auch Kurzupdate 2021
Im Report selbst wird auch nach Stadt-Land unterschieden, also nach Raumtyp, weil ja in der Stadt der Nahverkehr eine andere Bedeutung hat als auf dem Land.
Das ist die Raumtypkarte Deutschlands, mit den Metropolen, Großstädten, Mittel und Kleinstädten sowie einer Unterscheidung nach Dörfern und Städten in Stadtregion (sowas wie Ruhrgebiet) oder ländlichen Regionen (z.B. Ostbayern)
Die Mobilitätsquote der deutschen Bevölkerung beträgt 85%. Also Anzahl der Menschen die draußen täglich unterwegs sind. (Rentner natürlich weniger als die Gruppe mit der höchste Quote der 30-50 Jährigen)
Dabei kann man die Mobilität anhand zwei Kriterien messen. Die Anzahl der Wege oder die Anzahl der zurückgelegten Kilometer (Personenkilometer)
Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung führen die hier dargelegten Werte zu folgendem Ergebnis: An einem durchschnittlichen Tag werden in Deutschland 257 Millionen Wege und 3,2 Milliarden Kilometer zurückgelegt.
Im dörflichen Raum werden mehr Personenkilometer zurückgelegt (+~20%) als in Metropolen im Vergleich zum Bevölkerungsnateil. Vielleicht nicht so überraschend wenn man bedenkt dass in Metropolen Ärzte/Märkte(Arbeit, unter Einschränkungen) und Co. näher am Wohnort liegen.
Nun das schon eher überraschende.
Das Verkehrsaufkommen nach Fortbewegeungsmittel
Betrachtet man die Anzahl der Wege so macht der Öffentliche Verkehr (nah aber auch fern) gerade mal geringe 10% aus. Mit dem Auto werden 57% der Wege zurückgelegt, Es wird viel gegangen (22%) und selbst mit dem Fahrrad wird öfter gefahren (11%) als mit dem ÖV.
Aber schon stark ernüchternd ist die geringe Nutzung in dörflichem Raum. In Stadtregion ist die ÖV-Nutzung im dörflichen Raum bei gerade mal bei 7%; in ländlicher Region auf dem Dorf bei nur 5%. Also fast vollkommen irrelevant für die Bevölkerung. In der Metropole sind es immerhin 20%. Aber auch da hätte ich den Wert von 1/3 oder so erwartet und eher gedacht dass nur das Dorf den Gesamtschnitt auf 25% runterzöge. Aber selbst in Metropolen ist es nun nicht das häufigste Fortbewegungsmittel. (das Auto wird in Metropolen (also dort wo wirklich viel ÖPNV Ausbau vorhanden ist) zu 38% genutzt, im dörflichen Raum werden 70% der Wege mit dem Auto zurückgelegt)
Unterteilt man das nach Personenkilometern so sieht es etwas besser aus. Da wird in Gesamtdeutschland der Öffentliche Verkehr zu 19% genutzt. Immerhin zu 32% in Metropolen und zu 11% im dörflichen Raum. Mit 75% der Personenkilometer ist das Auto dominierend (zu Fuß und mit dem Fahrrad unter ferner liefen mit je 3% weil man ja damit eher ganz wenige Personenkilometer zurücklegt) Daher finde ich auch eher die Anzahl der Wege die eher bessere Grundlage um zu sehen wie der Impuls der Menschen ist, das Auto zu nehmen oder zu Fuß zu gehen etc. (in Metropolen entfallen 59% der Personenkilometern auf das Auto im kleinstädtischer, dörflicher Raum 84%)
Die Beliebtheit (Zufriedenheit) der Verkehrsmittel
was sofort auffällt, der dunkelgrüne Balken mit „stimme voll und ganz zu“ zur Zufriedenheit ist beim ÖPNV am kleinsten, die Ablehnung (rot) am größten.
legt man die eher positiven Balken dunkelgrün und hellgrün zusammen, so sind die Zufußgeher am Zufriedensten, fast gleichauf mit dem Auto, auch da ist der ÖPNV Schlusslicht. Der ÖPNV ist im Vergleich zu den drei Alternativen das einzige Verkehrsmittel mit dem mehr Menschen eher unzufrieden sind als zufrieden
Interessant auch die zeitliche Entwicklung.
Entwicklung
1982 wurden in West-Deutschland noch 13% der Wege mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt, 2002 waren es nur noch 9%, 2011 dann 10% und dabei ist es 2017 geblieben.
Im Update 2021 (Betrachtungszeitraum Mai 2021) waren es sogar nur noch 7% aller Wege mit dem ÖV (aber da wird die Pandemie eine Rolle gespielt haben; 3% mehr Menschen blieben im Schnitt zu Hause im Gegensatz zur Mobilitätsquote 2017)
Insgesamt war auch die Entwicklung der ÖPNV Nutzung während der Pandemie alles andere als positiv. (das könne sich wider etwas einpendeln, gerade aufgrund es 9€Tickets, oder aber auch nicht)
Im Bericht dazu
Dass der ÖV immer weiter an Bedeutung verliert, zeigt sich auch in der schwindenden Zahl der täglich Nutzenden.
Gleichzeitig erreicht der Anteil derjenigen, die den ÖV überhaupt nicht nutzen, im Mai
2021 einen Höchststand von mehr als 50 Prozent
8% gaben an dass sie „(fast) täglich“ den ÖV nutzen, 10% „wöchentlich“, 29% „seltener“ und ganze 53% „(fast) nie“
Was ich aus all dem mitnehme: wir müssen in bestimmten Raumregionen die Nutzung des ÖPNV nicht „verbreiten“, sondern überhaupt mal Nutzen lassen weil sein Anteil fast nicht existent ist. Und auch in Städten werden viel zu viele Wege mit dem Auto zurückgelegt.
In den letzten 40 Jahren gab es in der Hinsicht fast keine große Veränderung und ohne eine krasse „Mobilitätswende“ ähnlich zur Energiewende wird sich auch nichts ändern. es braucht krasse Einschnitte/Maßnahmen damit wir 2030,2040,2050 überhaut irgendeinen Effekt sehen.
Achja, die Zufriedenheit mit dem ÖPNV muss auch erhöht werden.
Hattet ihr die im Schnitt in Deutschland doch eher geringe Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel so auf dem Schirm?