Hab über die Suchfunktion keinen existierenden Thread gefunden (was hier ja nix heißen mag), sollte es sowas geben, gerne drauf hinweisen.
Sammelthread für Alles zum Thema Neurodivergenz.
Ist auch ein bisschen ein eigennütziger Thread, da ich Austausch für mich ziemlich wichtig und hilfreich finde.
Ihr könnt gerne eure Lebens- oder Diagnosegeschichte teilen, Geschichten aus dem Alltag (auch positive! Dass Neurodivergenz auch positive Seiten haben kann, sollte viel häufiger erwähnt werden.), Medikationserfahrungen (das ist ja bei ADHS ein riesiges und komplexes Feld), Therapieerfahrungen, etc. etc.
Gerne auch Erfahrungen und Fragen von neurotypischen Personen oder Leuten, die denken, sie könnten irgendwo auf einem Spektrum liegen („wie komme ich an eine Diagnose?“ etc.).
Die Wahrnehmung in der Gesellschaft und Darstellung in Medien (looking at you, Big Bang Theory) ist ja sehr häufig ziemlich unterkomplex und oft auch einfach falsch, besonders bei Autismus oder ADHS.
Hier eine Abhandlung über meinen bisherigen ADHS-Weg
Ich wurde vor wenigen Monaten erneut mit ADHS Diagnosziert (ICD-10: F98.80 Aufmerksamkeitsstörung ohne Hyperaktivität mit Beginn in der Kindheit und Jugend), nachdem ich mit ca. 7 Jahren das erste mal Diagnoszitiert wurde.
Habe damals zunächst Ritalin und später Medikinet genommen. Ich hab selbst kaum noch Erinnerungen daran, aber meine Mutter meint, ohne Medikamente wäre ich bereits in der Grundschule nicht versetzt worden. Konnt mich im Unterricht nicht konzentrieren, hatte absolut keine Lust daran teilzunehmen und hab deswegen immer lieber was anderes gemacht und dadurch auch den Unterricht gestört, Hausaufgaben machen war eine Tortur.
Ich hab noch so eine ganz genaue Erinnerung an einen Moment, als in der Grundschule im Unterricht - warum auch immer - mein ADHS und Medikation das Thema war und ich darüber berichten sollte. Hab gesagt, dass ich das echt cool finde und meinte „Ich hab mittags sogar Lust, meine Hausaufgaben zu machen“.
Die Medikamente hab ich genommen bis ich 16 war. Da hab ich meine Ausbildung begonnen und wollte die Medis aus eigenem Willen nicht mehr nehmen. An die Entscheidung kann ich mich selbst auch garnicht mehr erinnern, wurde mir dieses Jahr erst wieder von meiner Mutter erzählt.
Auf der Arbeit hatte ich praktisch keine Probleme, in der Berufsschule hingegen schon. Da allerdings hab ich oft die Hausaufgaben nicht gemacht, weswegen ich bis zum Ende eine 5 im Abschlusszeugnis hatte, weil Hausaufgaben teils benotet wurden. Für Klassenarbeiten hab ich kaum gelernt, schlechte Noten hatte ich deswegen allerdings nie wirklich. Der Unterricht hat mir dafür oft gereicht.
2014 hab ich den Beruf aus verschiedenen Gründen hinter mir gelassen. Wegen meines mittelmäßigen Realschulabschlusses hab ich mich dazu entschieden, mein Abitur nachzuholen. Alles ohne Probleme, Abischnitt von 1,6, alles ohne Medikamente.
2017 Studium angefangen, zu Beginn auch alles ohne Probleme. Mit jeder Klausurphase fiel mir das Lernen aber schwerer, besonders das Anfangen damit. Noten trotzdem immer im guten bis sehr guten Bereich. Ein Fachwechsel war auch noch dabei (für einen Hinweis darauf, wie erfolgreich das bisher alles war, vielleicht einfach mal auf das Aktuelle Jahr schauen und den Fakt beachten, dass ich immer noch im Bachelorstudium bin). Genickbruch für das erste Studium waren zwei mündliche Prüfungen, die kein festgelegtes Datum hatten, sondern man musste die Prüfung selbst anmelden. Deswegen Teufelskreis aus „Ich melde mich für die Prüfung an, wenn ich genug gelernt habe“ und „Ohne Deadline ist die Hürde, mit Lernen anzufangen, unüberwindbar“. Deswegen Wechsel in ein Fachähnliches Studienfach.
Aktuell stehe ich kurz vor meiner BA, die ich nächstes Jahr anfangen will.
Eigentlich wollte ich das schon dieses Jahr machen. Dafür war auch schon alles in die Wege geleitet. Auf der Arbeit hätte ich meine BA in einer Abteilung schreiben können, ein Thema gab es schon. Alles was mir gefehlt hat, war eine letzte Veranstaltung an der Uni im März.
Dann bekam ich im Februar aus dem nichts plötzliche heftige Angstzustände und Panikattacken. Die Veranstaltung an der Uni konnte ich deswegen nicht wahrnehmen. Ich war einen Tag da, ganze 40 Minuten bis ich gemerkt hab, dass es nicht funktioniert. War ständig on the Edge, maximal nervös, hoher Puls, Zittern, Aufmerksamkeit nicht vorhanden. War leider eine Blockveranstaltung, 2 Wochen am Stück, täglich 7 Stunden, das hätte ich nicht durchgehalten.
Mein Hausarzt hat mir zum Glück super geholfen. Er hat schnell erkannt, dass ich an einer Angststörung mit Depression leide. Er hat mir dann auch Antidepressiva verschrieben (Opipramol), ohne den ewigen Weg, erstmal alle somatischen Ursachen dafür abzuackern. Das Medikament hat mir super geholfen. Fast nur nebenbei hatte ich ihm von meiner ADHS Diagnose als Kind erzählt. Ich hatte des zu dem Zeitpunkt quasi garnicht mehr auf dem Schirm, dass ich das überhaupt habe, das fiel mir nur wieder ein als ich über die möglichen Ursachen für meine Symptome nachgedacht habe. Er meinte, ich soll da auf jeden Fall mal dranbleiben, da ADHS-Patienten eine sehr starke Disposition zu Angstzuständen und Depressionen haben.
Hab dann zum Glück recht schnell (heißt hier 2 Monate Wartezeit) einen Platz bei einer Psychiaterin gefunden. Die hat sich zunächst um die weitere Medikation der Antidepressiva gekümmert (Hab dann Opipramol teilweise durch Sertralin ersetzt).
Parallel dazu hab ich mich bei der psychotherapeutischen Beratungsstelle meiner Uni gemeldet. Dort bekommt man recht schnell einen Termin, aber auch nur maximal 10 Sitzungen, eine Einschätzung und ggf. eine Weitervermittlung an eine längerfristigen Therapieplatz.
Dort hab ich dann auch meine ADHS-Diagnose erwähnt (zu der Leider nichts mehr auffindbar war) und wurde gefragt, ob ich die dort nochmal machen will. Hab dann meine ganzen Grundschulzeugnisse mitgebracht (dich ich zum Glück (!!) noch alle hatte), Fragebögen an meine Mutter und Tante gegeben (mussten Personen sein, die mich seit meiner Kindheit kennen) und selbst Fragen beantwortet und Bögen ausgefüllt.
Kurze Zeit später hatte ich dann wieder meine Diagnose.
Damit bin ich dann wieder zu meiner Psychiaterin, diese war erst etwas skeptisch, da ADHS-Medikamente bei einer Angststörung wieder zu einer verschlechterung derer führen können. Da ich aber über Monate trotz ständiger Dosisveringerung der ADs keine Probleme hatte, hab ich trotzdem gesagt, dass ichs gerne probieren möchte.
Im September hatte ich dann meine erste Packung Medikinet adult in der Hand. Zunächst 10 mg morgens, wovon ich kaum etwas bis garnichts gemerkt hab. Die Einschätzung fiel mir immer (und immer noch) sehr schwer, weil ich gar keine Ahnung habe, wie diese Medikamente wirken, anscheinend ist das auch unheimlich unterschiedlich pro Person und es gibt eine riesige Menge an möglichen Wirkstoffen.
Aktuell bin ich bei 20 mg, 30 mg hab ich auch mal getestet, bisher alles eher meh. Ich merke deutlich eine Wirkung des Medikaments (schwierig zu erklären) aber keine merkliche Besserung meiner Symptome (hauptsächlich Motivationsprobleme, Antriebslosigkeit und krankhaftes Prokrastinieren).
Merke immer noch eine leichte Nervösität und innere Unruhe während der Wirkung. Will es aber nicht komplett als Nebenwirkung abschreiben, ich glaube das kommt auch viel von meinen (hauptsächlich hypochondrischer Natur seienden) Angstprobleme. Zu kompletten Angstzuständen oder gar Panikattacken kam es bisher nie (nehme aktuell noch täglich 25 mg Sertralin, was glaub ich die Mindestdosis ist).
Zudem starte ich diese Woche Psychotherapie, 50:50 Gruppen- und Einzelsitzungen. Da die tatsächlich erst heute startet, kann ich dazu noch nichts berichten.
Aber soweit zu meinem Weg mit meiner Störung.
tl;dr: Als Kind mit ADHS Diagnostiziert, dieses Jahr Probleme mit Anststörung, im Rahmen der Behandlung wieder eine erneute Diagnose gemacht und jetzt in der Eindosierungsphase mit Medikinet. Bisheriges Fazit zum Medikament: Es ist kompliziert.
Will auf einer positiven Note enden:
Menschen mit ADHS sind häufig sehr kreativ und werden oft auch als witzig und humorvoll wahrgenommen. Ich bin wirklich sehr gerne kreativ und bringe Leute auch sehr gerne zum Lachen (Connoiseure meines YouTube-Kanals wissen bescheid).
Ich habe auch oft schon gemerkt, dass ich Sachen sehr schnell lerne (bis die Lernkurve zu steil wird, weitere Erfolgsmomente zu lange dauern und ich das Interesse verliere lol) und auch oft auf kreative Lösungswege auf Problemstellungen komme.
Ob das alles auf ADHS zurückzuführen ist, keine Ahnung.
Mein persönlicher Erklärungsversuch ist der, dass ein ADHS Gehirn ständig in sehr viele Richtungen gleichzeitig denkt, dabei ist dann manchmal mal was gutes dabei. Bei Fokusarbeit leider nicht so hilfreich ![]()
Zum Schluss noch ein Clip, Leute mit ADHS wissen Bescheid ![]()