Philosofa...jetzt erst Recht!

Moin,

ich habe gerade das Moin moin von gestern mit Nils und Budi gesehen und der Part, in dem die zwei sich über Grundsätze des Lebens unterhalten, spricht für mich ganz klar für eine Show in Richtung Philosofa.

Eine Show, die z.B. einmal im Monat kommt, aber auf keinen Fall häufiger! Bei einem Glas Traubensaft oder einer Gerstenkaltschalte, und das ganze für ca. 2 Stden. Keine Regeln, ein willkürliches Startthema und alle erheben Thesen, philosphieren und bringen das Thema voran. Man fängt an mit der These: „Das Leben läuft auf Schienen“ und das Gespräch ist am Ende der Show bei „Rot ist das bessere Grün!“ angelangt :wink:

Ich würde so eine Show feiern. :dancers:

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Also quasi wie jedes Almost Daily abläuft. :wink:

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naja… die meisten almost dailys sind ja mehr quatsch als ernst.
und auch weniger tiefgründig als unterhaltung.

ich warte schon lange auf das philosopha. nils und budi bieten sich da wirklich gut an.

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Ich glaube wenn man sowas plant lastet soviel Druck auf den Moderatoren, dass es entweder nicht super wird oder sie von vornherein keinen Bock haben.

Besser wäre es wenn die Regie schnell schaltet und wenn sich spontan eine Session so entwickelt, das Intro abfährt.

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Ich warte immer noch auf das Philosopha. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Man könnte auch noch einen “profesionellen” einladen eine Art Alan Watts vielleicht?

Lieber wäre mir, das von Nils erwähnte ,“die Philodoofen” oder “1 Stuhl, 2 Meinungen - mit Nils und Bomhoff”, aber mir ist grundsätzlich albern lieber.

Schließ mich dem Thread-Eröffner absolut an. Finde es auch gerade interessant wenn man wirklich ERNSTHAFT über Sachen geredet wird von den Bohnen. (Was natürlich nicht heißen soll dass ich das Rumgealbere nicht auch total mag :wink: ) Wäre von daher auch absolut für ein oben genanntes Format =)

almost dailys können zweckentfremdet werden. Wobei das Wort zweckentfremden noch viel zu hart klingt.

Hi!

Es wäre doch schön, wenn sich hier ein Sammelthreat entwickelte, in dem Vorschläge zu Themen zu finden sind, die in eine zukünftige Sendung wie „Philosfa“ eingebracht werden können. Ich bin der Meinung, dass es meist nur ein Spaziergang in die Weite, aber selten einer in die Tiefe einer Thematik wird, wenn man sich ohne sich ein vorher wenig auf ein Thema vorbereitet zu haben, ans Philosophieren wagen will. Die Weite ist zwar nett, aber interessanter und abenteuerliche ist die vertikale Herangehensweise, finde ich.

Um einen Vorschlag zu bieten, was ich meine, möchte ich im folgenden einen Text vorlegen. Es handelt sich um einen Blog-Eintrag, der auf dieser Seite zu finden ist: http://phaidon.philo.at/qu/?p=1702

Der Beitrag richtet sich also nicht ausschließlich an Bohnen, sondern an ein breiteres Publikum, das sich für Medienphilosophie im Allgemeinen interessiert und deswegen sind einige Aspekte nur angedeutet und andere stark verkürzt, damit der Text nicht zu lang wird. Den Springpunkt der Argumentation stellt die Beschäftigung mit dem RBTV-Chat und Schillers Gedanken zum Chor in der griechischen Tragödie dar. Ich hoffe es ist ersichtlich, dass der Text sehr stark von Rocketbeans.tv inspiriert ist. :slight_smile:

Hier der Text:

  RBTV, der “Chad” und Schiller       

In diesem Beitrag wird die Herangehensweise an “Interaktivität”
zwischen Sendungsmachern und Zuschauern des Internetfernsehsenders Rocketbeans.tv (RBTV) als Fallbeispiel herangezogen, um eine neuartige Rolle des “Chats” vorzustellen. Diese neue Funktion wird mit den Gedanken Friedrich Schillers zum Chor in der griechischen Tragödie in Bezug gesetzt, wie sie der Autor in der Vorrede zu dem Werk Die Braut von Messina oder Die feindlichen Brüder formuliert hat.

Anfang dieses Jahrhunderts entstand die Medienplattform GIGA.de, die ihre Inhalte auf dem gleichnamigen – heute nicht mehr existierenden – Spartensender und im Internet verbreitete. Einige der Mitarbeiter wechselten 2006 zu MTV und produzierten das TV-Videospielemagazin “Game One”, zu dem auch eine Youtube-Seite gehörte. Nachdem die Sendung 2014
eingestellt wurde, gründeten die Macher den ersten deutschen
lizensierten Internetfernsehsender mit Namen Rocketbeans.tv (RBTV), der rund um die Uhr Programm anbot und auf der Seite des streaming-Protals Twitch zu finden war. Am 1. September 2016 wechselte der Sender von Twitch zu Youtube. Er bietet weiterhin ganztägiges Liveprogramm bestehend aus
eigenproduzierten und fremdproduzierten Inhalten und einen Video on demand-Service (VOD).

Die Macher von RBTV sind nicht nur daran interessiert, ihre Inhalte im unidirektionalen Verfahren an die Zuschauer zu bringen, sondern vor allem daran, interaktiv mit diesen zu arbeiten. Der Wunsch nach und das große Interesse an Interaktivität erklärt sich dadurch, dass der Sender sich zum Großteil über Direktspenden und Abos und nur marginal über Werbeschaltungen finanziert. Seit der Gründung stehen also Maßnahmen zur Bildung einer Community im Vordergrund. Aus diesem Grund ist der Internetsender ein gutes Beispiel dafür, wie erreicht werden kann, was bisher kein anderes Medienprotal in dieser Form geschafft hat, inklusive dem traditionellen – und nur noch als Schatten seiner ehemaligen Größe vorhandene – Fernsehen.

Hier einige Beispiele dafür, inwiefern RBTV in Sachen Interaktivität herkömmlichen Medienanbietern überlegen ist:- Eine unregelmäßig ausgestrahlte Sendung namens “Q&A” bietet den
Zuschauern die Möglichkeit, entweder im Vorfeld über verschiedenen Plattformen (Twitter, Facebook, Reddit, Forum der Webseite des Senders) oder live Fragen über RBTV im Allgemeinen, besondere (auch betriebsinterne) Vorkommnisse, Sendepläne, Sendungsangebot, Verhalten der Moderierenden, Verhalten der Community usw. zu stellen.- Ein eigenes Format namens “Chat Duell” (es wird kein Hehl daraus gemacht, dass das Format von einer bekannten Familienunterhaltungssendung im deutschen Privatfernsehen abgekupfert wurde). Anstatt “100 Leute” auf der Straße zu befragen, wie in der orignialen Sendung, wird auf RBTV der Chat in Echtzeit (also kurz bevor die jeweilige Frage den Kandidaten im Studio gestellt wird) befragt.Sogenannte

  • “Let`s Plays”, also Sendungen, in denen die Zuschauer
    einem oder mehreren Moderatoren (die bei RBTV auch Redakteurinnen, Bühnenbauer, Putzpersonal, usw. – jedenfalls mit Erfahrung mit Videospielen) dabei zusehen, wie Videospiele gespielt werden. Der Chat kann den Spielstil, bestimmte Entscheidungen in den Spielen und die Spiele selbst bestimmen und zudem mit den Spielenden in Echtzeit kommunizieren.
  • Es gibt Wikis, Foren und Treffpunkte in Spielen (vgl. etwa die
    “Rocketminers”, die Inhalte von RBTV in dem Spiel “Minecraft”
    illustrieren), wo die Community sich untereinander und mit Mitarbeitern von RBTV austauschen kann.- Es gibt Communityevents, teils von der Community selbst, teils von
    Mitarbeitern des Senders organisiert, etwa bei Auftritten auf
    Spielemessen, Musikfestivals, Filmvorführungen in dafür gebuchten Kinos, usw.

Wie bereits erwähnt finanziert sich der Sender zum Großteil über
direkte Spenden der Community. Es ist also von existentieller Bedeutung für die Macherinnen, eine starke Verbindung zu und eine zufriedenstellende Einbeziehung der Zusehenden zu gewährleisten. Dies geschieht hauptsächlich über den Chat, der von den Sendungsmacherinnen liebevoll “Chad” genannt, also anthropomorphisiert und personalisiert wird.

Der Chat wurde 1988 als “Internet Relay Chat” entwickelt und gehört wohl, auch in Zukunft, zu den wichtigsten Funktionen des Internets. Bisher war der Chat jedoch ein Chor, dem die Protagonisten fehlen vergleichbar. In diesem Beitrag soll dafür argumentiert werden, dass neuere Entwicklungen der Netzkultur, im besonderen Inititiven von Seiten des Bereich der Videospiele, zu Änderungen der Rolle des Chats geführt haben, die diesen der ihm ursprünglich in der Antike zugesprochenen Rolle des Chors erneut annähern.

Wie allgemein bekannt, hatte der Chor im griechischen Theater zwei Funktionen: 1. Die Beschreibung von Umständen, die nicht auf der Bühne selbst zu sehen sind und 2. Die Kommentierung der Handlung des Stücks und der Aktivitäten von Protagonisten, Deuteragonisten, Antagonisten, usw. Eine sehr ähnliche Funktion erhält seit kurzer Zeit der Chat, zumindest im Bereich der Videospielkultur. Dass der Chat erst seit kurzem und vorwiegend in dem erwähnten Bereich diese Funktion übernommen hat, macht eine relativ neue Kombination zweier Komponenten aus: 1. Im Internet in Realzeit zu sehende Vorstellungen von Videospielen, unter dem Namen “Let`s Play” bekannt und 2. Die Einbindung der Chatteilnehmer bei diesen Spieledemonstrationen.

Die Neuerung besteht darin, dass Chatteilnehmer, etwa im Rahmen eines “Lets Play”, einem Protagonisten dabei zusehen, wie er ein bestimmtes Videospiel spielt und das Spiel, die Art, wie der Protagonist spielt kommentieren und Randbemerkungen aus dem Dunstkreis der Thematik beitragen. Nur selten wird über etwas Themenfernes gesprochen und wenn, dann wird die geschickte “Lets Playerin” dies umgehend in die “Handlung”, also dem Ganzen des Programms, einzubinden versuchen. Diese
Art der Interaktivität hat den Chat der griechischen Form des Chors wieder erheblich angenähert, da nun die beiden oben kurz erwähnen Funktionen des Chors dem Chat zukommen: 1. Die Chatteilnehmer reden – im Dunstkreis der Thematik des Lets Play – über z. B. Dinge, die der Lets Player nur angedeutet, aber nicht genauer behandelt hat, Dinge, die der Lets Player nicht weiß oder nicht richtig wiedergegeben hat, weiterführende Informationen zum Spiel, zum Entwickler oder zu Konkurrenzprodukten, usw. und 2. Die Chatteilnehmer kommentieren das Spiel der Lets Playerin und diese hat die Möglichkeit, auf diese Kommentare in Echtzeit (mit einer marginalen Latenz von einigen Skunden)
zu reagieren. Dem Chat alleine fehlt der gemeinsame Bezugspunkt (Let`s Player), dem Protagonisten alleine ohne Chat, wenn er das Spiel etwa im Fernsehen spielen würde, fehlt die vieldeutige und äußert heterogene Art der Rückmeldung, wie sie nur ein Chat bieten kann. Das “Publikum”, die Zuseherinnen, die sich nicht am Chat beteiligen, sehen diesen mit auf der “Bühne” stehen.

Die Notwendigkeit, mit den Zuschauern zu interagieren, damit das
streaming-Format überleben kann, gepaart mit der Ambition, diese in “Let`s Plays” einzigartige From der Interaktivität in ein breiteres Programmspektrum zu integrieren, hat die Macher von RBTV dazu angeregt, diese Interaktivität in einem Maß zu entwickeln, das die Initiativen anderer Medien (für die die Interaktion nur ein palliatives Element, aber nicht den Hauptfokus ausmacht) im Vergleich dazu eher gewollt, aufgesetzt und dadurch lächerlich wirken lässt.

Dass die Macher von RBTV den Chat so ernst nehmen, dass er nicht nur ein Äußeres, eine Draufgabe, darstellt, ist der erste Aspekt, der mit Schillers Betrachtungen zum Chor in der griechischen Tragödie in Zusammenhang gebracht werden kann. Der Chat wird solange als ein “Außending, als ein fremdartiger Körper und als ein Aufenthalt erscheinen, der nur den Gang der Handlung unterbricht, der die Täuschung stört, der den Zuschauer erkältet”, solange er nicht in das Wesen der
Handlung integriert wird. Das setze voraus, dass die Handlung nicht bloß als “Schein”, sondern als “Reeles und Objectives” gesehen wird. Die gezeigte Handlung soll also gleichermaßen einer Realität entsprechen und “ideell” sein. Solange nur eines der beiden Ziele (gar auf Kosten des anderen) erreicht werde, verfehle man beides

Übertragen auf Unterhaltungsmedien zeigt sich das etwa, wenn bloß Interaktivität im Vordergund steht, die nicht wirklich Zugang zum Innersten der Medienproduktion ermöglicht (übrig bleibt entweder z.B. ein dürftiges TED-Voting, das Individuen auf statistischem Wege quantifizert, sie also nur als “ideale Repräsentation der Zuseher” behandelt, oder etwa ein isolierter Chat-room, in dem sich zwar Individuen unterhalten können, der aber keinen Beitrag zum ausgestrahlten Programm in Echtzeit darstellen kann).

Was RBTV im Vergleich dazu macht ist, was Schiller mit den folgenden Worten andeutet:“Die Einführung des Chors wäre der letzte, der entscheidende Schritt – und wenn derselbe auch nur dazu diente, dem Naturalism in der Kunst offen und ehrlich den Krieg zu erklären, so sollte er uns eine lebendige Mauer sein, die die Tragödie um sich herumzieht, um sich von der wirklichen Welt rein abzuschließen und sich ihren idealen Boden, ihre poetische Freitheit zu bewahren.”

Anstatt also eine Trennung zwischen “ideeler” Handlung und “realer” Zuschauerschaft zu ziehen und den Chat entweder auf der einen oder auf der anderen Seite zu verorten, soll dieser einen “Raum” eingrenzen, in dem auf “ideeller” Basis (der Schein der Handlung) Reales (die Meldungen der aktiven Zuschauerinnen im Chat) stattfinden kann. Anstatt also, wie in herkömmlichen Initiativen zur Förderung der Interaktivität üblich, entweder Ausssagen statitistisch zu quantifizieren und damit zu
reduzieren, wobei die kleinen Unterschiede zwischen individuellen
Aussagen verlorengehen, oder einen “realen” Raum anzubieten, in dem die Individuen miteinander kommunizieren können, ohne allerdings am “Schein” der Handlung direkt beteiligt zu sein, ziehen die Macher von RBTV eine Grenze zwischen den Zuschauern, die nur passiv zusehen und jenen, die aktiv an der Gestaltung der Handlung beteiligt sind, integrieren letztere also in ihr Programm.

Was dabei herauskommt, sind Situationen, in denen der “Schein” des Programms durch “reale” Äußerungen beeinflusst wird, etwa wenn “Chad” sich zu Inhalten des Programms in Echtzeit ironisch äußert. Diese Äußerungen werden sogleich wieder ins Programm integriert und damit Teil desselben. Die Einführung z. B. eines sogenannten “Sidekicks” anstatt des Chats (zu vergleichen mit dem, was Schiller als das Substitut des Chors durch den “Vertrauten” in der französischen Tragödie bezeichnet) ist offensichtlich hierfür nur ein schwacher Ersatz. Eine ernsthafte
Integration erfordert vom Sendungsmacher viel mehr als diesen dürftigen Platzhalter: “[E]r muß ihn poetisch erschaffen und einführen, das ist, er muß mit der Fabel, die er behandelt, eine solche Veränderung vornehmen, wodurch sie in jene kindliche Zeit und in jene einfache Form des Lebens zurückversetzt wird.” Bezogen auf zeitgenössische Medienformate kann also gesagt werden: Verspielte Kommunikation statt stupide Konsumption!

Dieser Interaktion müssen das Programmformat und auch die
Moderierenden zuträglich sein. Die Grundlage dafür muss geschaffen werden, indem das “Reale”, das der “Chad” einbringt, nicht als das Profane gesehen wird, das die Handlung irritiert, sondern als ständig zu erneuernde Reinstitution von bereits vorhandenen Ideen, die aufgegriffen und Teil der Handlung werden können. Das geschieht entweder, mit Schiller quergelesen, “innig verbunden zusammen” (vgl.: Q&A) oder “nebeneinander” in oszilierend ineinander übergehende
Weise (vgl. Chatduell). “Der Chor reinigt also das tragische Gedicht, indem er die Reflexionen von der Handlung absondert und eben durch diese Absonderung sie selbst mit poetischer Kraft ausrüstet.”

Des öfteren haben RBTV-Moderatoren darauf hingewiesen, dass der “Chad” den großen Vorteil bietet, aus tausenden Varianten von Witzen, lustigen, ernsthaften und unerwarteten Aussagen zu bestehen und dass er diesen Vorteil jedem zwangsläufig kleinerem Autoren- und Redakteurteam voraus hat. Auch wenn die Chatteilnehmerinnen nicht unbedingt die “ganze Sprache des Gedichts erheben”, wie Schiller schreibt, so ist doch ersichtlich, dass diese die Vielfalt der möglichen Aussagen erheblich
vermehren, den Raum für Sprachspiele erheblich vergrößern. Der Chat wird so “eine einzige reale Person, die die ganze Handlung trägt und begleitet”.

Im Anschluss daran stellt sich eine Frage, die wohl die größte
Schwierigkeit der Macher von RBTV darstellt: Wer bestimmt eigentlich die Handlung? Es liegt auf der Hand, dass diese desto weniger von den Machern und Moderatoren von RBTV geschrieben wird, je mehr der “Chad” eingebunden wird. Zudem sprechen äußere Einflüsse dagegen, etwa Vorgaben von und Verträge mit Youtube und allgemeine gesetzlichen Bestimmungen, die manches erlauben und anderes verhindern. Sie wird aber auch nicht zur Gänze vom “Chad” bestimmt, da dieser durch mehrere Faktoren in seinem Ausdruck eingeschränkt wird, etwa durch Chat-Moderatoren, die “Trolle” – also Chatteilnehmer, die sich gegen die Gesprächskultur stellen – ausschließen und natürlich durch die Sendungsmacher, die die Möglichkeit der Interaktivität bereitstellen.

Schiller fiel noch leicht, vom “Autor “ sprechen zu können, aber in
der anhand des Beispiels von RBTV beschriebenen Situation wird dies zu einer schwierigen Sache für die Macherinnen. Im herkömmlichen Moderatoren/Zuschauer-Verhältnis – ohne Chat-Einbindung – hatten die Zusehenden nur die Möglichkeit, durch ihre Abwesenheit, also sinkende Zuschauerzahlen, ihre Meinung kund zu tun. Die Sendungsmacher mussten sich nur an der Zahl der Zuschauer orientieren, konnten Versuche starten, die glückten oder scheiterten, hatten auch mit äußeren Einflüssen zu tun, konnten aber immer in ihrem (“Schein”-)Bereich bleiben. Dadurch, dass die Zuseherinnen zusätzlich zu ihrer aussagekräftigen Abwesenheit nun die Möglichkeit haben, aktiv die Programmgestaltung mit zu bestimmen, wird diese Trennwand verschoben und ein neuer Bereich erschlossen, der den (“Schein”-)Bereich gleich mit modifiziert. Diese Modifikation führt dazu, dass die “Autorenschaft” ständig neu verhandelt werden muss, dieser Umstand aber in die Handlung integriert werden kann.

So wie Schiller nach etlichen Jahrhunderten die Bedeutung des
ursprünglichen Chors in der griechischen Tragödie wiederentdeckt und in seine Zeit – nicht detailgetreu, sondern als eine Art “Übersetzung” – zu transportieren versucht hat (was zu seiner Zeit nicht von großem Erfolg gekrönt war), so ist es, das ist der Schluss, der aus dem bisher Vorgelegten gezogen werden soll, an Medienschaffenden, die die Möglichkeiten der Interaktivität nicht nur halbherzig und mit einer ungeeigneten Methode zugänglich machen wollen, dem Chat seine gebührende
Aufmerksamkeit zu schenken und ihn in modifizierter, “übersetzter” Form wieder zu entdecken.

Danke an diejenigen, die bis hier gelesen haben! Ich freue mich auf Feedback und/oder weitere Anregungen. Bin schon sehr lang Bohnenfreund und freue mich auf eine Unterhaltung mit euch hier im Forum!

Cheers

Hi!

Hier noch ein zweites Thema, das im Rahmen eines Philosofas angesprochen werden könnte. Es geht diesmal nicht so offensichtlich um die Beans, aber um die “Community” im Allgemeinen. Ich kann mir vorstellen, dass die Überlegung: “Vertrauen gegenüber der Community” (anstatt der Versuch Vertrauen beim “Kunden” aufzubauen) ja für RBTV-Macherinnen acuh interessant:

Hier nun der Text, der auch hier zu finden ist:

http://philo.at/wiki/index.php/Diskussion:Podcasts_Palette_(PPW)

Der PEL-Podcast, Bandcamp und “Community” statt “Kunden”

Es geht um eine Sache der Assoziation, also die Art, wie bestimmte
Gruppen versammelt werden. Ich möchte die Bezahlusancen des Blogs
Partially Examined Life (PEL) und die der Download-Plattform für Musik
Bandcamp vergleichen und am Ende zur Diskussion stellen, ob sich durch
Innovationen (“Community” statt “Kunden”) Zugänge geändert haben oder
sich in Zukunft ändern könnten.

PEL: Vor ein paar Jahren war das komplette Angebot gratis zu
beziehen. Seitdem haben die PEL-Macher aber Leute für bestimmte
Tätigkeiten (wie Schnitt) einstellen müssen, die Seite zu betreuen koste
etwas und es werde versucht, mehr Live-Shows zu produzieren, was
ebenfalls Kosten verursache. Aus diesem Grund wurde der Zugang zum
Angebot begrenzt (z. B. 30-minütige Snippets der oft mehrstündigen
Unterhaltungen) und es gibt jetzt zusätzlich zum Spendenservice, den es,
soweit ich mich erinnere, schon früher gegeben hat, Werbeschaltungen
und eine Mitgliedschaft, die vorausgesetzt wird, um das gesamte Angebot
nutzen zu können. Nun kann man ein “PEL Citizen” werden. Als solcher hat
man Zugang zu allen regulären Inhalten in vollem Umfang und zudem zu
Bonusmaterial. Fällig ist dann ein regelmäßiger Mitgliedsbeitrag von
5USD pro Monat oder 50USD im Jahr. Es scheint keine Erklärung auffindbar
zu sein, weshalb die Macherinnen diesen Weg gewählt haben, aber es ist
naheliegend, dass es damit zu tun hat, dass sich das neue System eher
rentiert als das alte.

Bandcamp: Bandcamp basiert auf dem “direct-to-fan”-Prinzip, ist
also eine Plattform, auf der Musikerinnen, Labels und Vertriebe einzelne
Musikstücke, Alben, EPs, usw. nicht nur auf physischen, sondern, was
den Großteil dessen ausmacht, was feilgeboten wird, ausmacht, auch als
digitale Medien anbieten können. Es gibt die Möglichkeit, Festpreise zu
verlangen und zusätzlich - das ist der Punkt auf den ich mich
konzentrieren möchte - kann so viel bezahlt werden, wie man möchte
(“name your price”), sofern diese Option von der Musikerin, dem Label,
dem Vertrieb usw. aktiviert wird. Früher gab es ein Minimum von 0,50USD
für Musikstücke, Album, Eps usw. und zudem die Möglichkeit von
Gratis-downloads in verminderter Tonqulität/größerer Komprimierung.
Dieses Mindestpreis-Modell wurde aber zugunsten des “name your
price”-Modells aufgegeben.
Über Gründe der Betreiber der Webseite ist folgendes bekannt:
“[T]he most promisiing insight from Bandcamp is proof that more and more
fans are paying for music that they probably set out to get for free.”
Vier Beispiele dafür werden genannt: “This morning someone paid $10 for
an album after Googling lelia broussard torrent”, “a $15 sale came in
from the search maimouna yousesef the blooming hulkshare.”, “someone
spent $10 after following a link on The PirateBay, next to the plea:
They sell their album as a download on their website. You can even
choose your format (mp3, ogg, flac, etc.). C`mon, support this awesome
band!”. Torrents, Hulkshare und ThePirateBay sind
einschlägig bekannt bei Leuten, die illegale Gratis-downloads suchen.
Dass gerade über diese Kanäle im Endeffekt eine Kauftransaktion
motiviert wurde, ist ziemlich bemerkenswert.

Zudem: “Some more impressive Bandcamp stats: 22% of those sales
happened because of Bandcamp, driven by things like tags, the home page,
recommendations, and search. 40% of the time, fans pay more than the
asking price for name-your-price albums. 53% of all purchases are made
by fans located out side the U.S.” Es ist klar ersichtlich, dass es für
Anbieter von Musik vorteilhaft ist, wenn sie (auch international)
bekannt werden, wenn sie weiterempfohlen werden und sich so eine
Community aufbauen und wenn technische Möglichkeiten zuhanden sind, die
diese Bekanntwerdung unterstützen. (Vgl. http://www.hypebot.com/hypebot/2012/01/bandcamp-rings-up-1-million-in-december-sales-new-stats-show-direct-to-fans-potential-.html)

Den Unterschied zwischen “Community” und “Kunden”, so möchte ich
behaupten, macht aus, dass die Mitglieder derselben oft mehr zahlen als
sie müssten (freiwillig, obwohl ihnen durchschnittliche Preise von
Musikstücken bekannt sind), es ihnen also, so könnte man behautpen,
darum geht, die Anbieter der Musikstücke, Alben, EPs, usw. zu
unterstützen und weniger darum, ein Produkt zu erstehen.

Es spricht nichts dagegen, dass eine Musikerin/eine Band, die
anfangs weniger in Musikproduktionen investieren muss (kein Mixing, kein
Mastering, keine Angestellten, kein high-end Equipment,usw.)
proportional anfangs weniger verdient, sich dafür aber eine Community
aufbaut und später, wenn sich gewisse Erfolge einstellen (etwa:
Live-Auftritte, größerer Bekanntheitsgrad) und Notwendigkeiten ergeben
(besseres Mastering, besseres Equipment, usw.), zusätzlich dazu, dass
reguläre Preise für Produktionen verlangt werden, weiterhin “name your
price”-Angebote für z. B. Demos oder Instrumentalversionen ihrer Songs
anbieten und damit Strategien nutzen, die ihrerseits dazu beitragen,
dass sich die Community vergrößert (“Mulitplikatorinnen”, wie
Musikjournale, die einen Track günstig anbieten können, Mitglieder der
Community, die einen Song schon haben wollen, bevor das dazugehörige
Album veröffentlicht wird, usw.). Oder zum Beispiel: “If you`ve built an
audience through touring and physical releases, most people that will
download free non-album tracks have probably supported your music
financially already.” Und selbst wenn die Produktionen im “name your
price”-Verrfahren im Endeffekt gratis heruntergeladen werden, werde das
nicht nur bei bereits bekannten Bands ausgeglichen, “by the chance that
tracks downloaded for free will create new fans”. (http://www.hypebot.com/hypebot/2015/03/the-bandcamp-dilemma-name-your-price-or-pay-mine.html)

Es ist offensichtlich, dass es Parallelen zwischen den
Überlegungen der PEL-Macherinnen und den Bandcamp-Betreiberinnen gibt.
Allerdings haben die Überlegungen in gewisser Weise entgegengestzte
“Fahrtrichtungen”: PEL geht vom Gratisanbieter mit Spendenmöglichkeit
über zur Mitgleidschaft; Bandcamp geht von einem Mindestpreis (und der
Möglichkeit des downloads derselben Inhalte in geringerer Qualität) über
zu wertigen (nicht-kompressierten) Gratis-downloads mit der
Möglichkeit, mehr zu bezahlen, wenn das gewollt wird.
Nun bin ich weder in der Lage noch daran interessiert,
Berechnungsmodelle zu entwerfen und nachzuprüfen, welches der beiden
Modelle sich ökonomisch mehr auszahlt. Vielmehr geht es mir um Aspekte,
die nur schwer (Kundenentscheidung), oder gar nicht
(Community-Entscheidung) kalkulierbar zu machen sind. Zudem weiß ich
nichts über die Beweggründe der PEL-Macherinnen und kenne auch keine
Zahlen, inwiefern sich die Umstellung ausgewirkt hat. Die Überlegung,
die ich nichtsdestotrotz zur Diskussion stellen möchte ist, dass die
PEL-Macherinnen sich zugunsten einer (eher) sicheren, regelmäßigen
Einnahmequelle und damit gegen die Erweiterung ihrer Community
entschieden haben, wohingegen Bandcamp von dieser Herangehensweise zu
der gegenteiligen übergegangen ist und die Reichweite der sicheren
Bezahlung (die auch dem Betreiber der Seite Bandcamp zugute kommt, da
dieser von jeder erfolgten Transaktion einen Prozentsatz verrechnet)
vorgezogen hat.

Nun kann man sagen, dass die schiere Menge an Musik-downloads
dafür sorgt, dass Bandcamp trotzdem etwas verdienen wird, was für die
PEL-Seite (die wesentlich wengier frequentiert wird - auch auf iTunes)
nicht zutrifft. Aber ich möchte die Aufmerksamkeit auf etwas anderes
richten: Es ist diese “Grundsatzfrage”, abseits ökonomischer
Kalkulationen, die ich ansprechen möchte: Sicherheit (durch “Kunden”) oder Treue
(von “Communitymitgliedern”)? Regelmäßges und planbares Einkommen oder
Unterstützung auf freiwilliger Basis und mit Überzeugung (mit Option auf
Ausbau der Reichweite)?
Wenn hier der, durch neue Technologien mit bedingte, kleine
Unterschied zwischen “Kundentreue”, die eine Strategie der Verlockung,
etwa durch Preisnachlässe, Draufgaben, o. ä. darstellt und den Aufbau
von Vertrauen beim Kunden begünstigen soll, während bei der “Community-Treue” demgegenüber Vertrauen gegenüber
dem “Kundigen” (der althochdeutschen Bedeutung des Wortes “Kunde”), im
MIttelpunkt steht, betrachtet wird, ergibt sich eine etwas ungewohnte
Sichtweise.

Dadurch dass dieses Phänomen durch die notwendige Technologie
ermöglicht wurde, haben sich Herangehensweisen ergeben, die mitunter
noch kontraintuitiv wirken (vorausgesetzt der Unterschied zwischen
“Kundentreue” und “Communit-Treue” wird anerkannt). Interessant wäre es
nun - vorausgesetzt die “Community” birgt, wie ich am Beispiel:
Bandcamp zu zeigen versuct habe, wirklich die Möglichkeit, Grundlage für
erst durch das Internet aufgekommene, also relative neue, Überlegungen
zu sein -, zu schauen, ob sich noch andere Beispiele finden lassen, wo
sich die Hinwendung zur “Community” bewährt; ob also diese besondere
Form(?) der Assoziation Relevanz hat/immer mehr erlangt, oder nicht.

lg e

Hi!

Ein weiteres Thema, angeregt durch den Besuch von Robert Michel aka Rob Vegas bei Bohn Jour #51. Es geht in dem Text um “Identität” und er ist hier zu finden: http://phaidon.philo.at/qu/?p=1621 Michel hat den Text aufgegriffen und Bemerkungen dazu geschrieben; hier zu finden: http://www.robvegas.de/2016/02/wer-ist-harald-schmidt-im-buch/

Wer ist Harald Schmidt?

Der junge deutsche Youtuber Robert Michel alias Rob Vegas ist vor ein
paar Jahren durch die Medienwelt gegeistert, weil er einen
Pseudo-Twitteraccount von Harald Schmidt angelegt hatte (@bonito.tv),
der schon nach kurzer Zeit beachtliche Follower-Zahlen erreichte. Obwohl
Michel regelmäig darauf hingewiesen hatte, dass er nicht vom echten
Fernsehmoderator betreut wurde, erfreute sich der Twitteraccount
höchster Beliebtheit, denn es gelang dem jungen Medienschaffenden den
Stil des Entertainers überzeugend zu kopieren und deswegen wollten
dessen Bewunderer weiterhin ihre “tägliche Dosis Schmidt”.
Ende 2015 ist eine von Michel verfasste Biographie im Goldmann-Verlag
veröffentlicht worden. Gut lesbar steht darauf oberhalb des Titels:
“Ich, Harald Schmidt”, die Warnung: “Vorsicht Fälschung”. Die
Tautotologie im Titel verstärkt den Effekt der Warnung noch. Die
Lebensbeschreibung basiert nach Michels Aussage, aufgrund der mangelnden
Mitwirkung des Beschriebenen, ausschließlich auf kompilierten
Anekdoten, die Schmidt in seiner Fernsehsendung zum Besten gab und die
der Jungautor seinem eigenen Gutdünken nach in Relation zueinander
setzte. Die dabei entstehenden Lücken im Lebenslauf wurden interpretativ
gefüllt.
Nun befindet sich Harald Schmidt in einem Alter, in dem noch zu viele
Seiten in der Biographie frei bleiben müssten. Zudem ist bekannt, dass
ihm sehr daran gelegen ist, sein Privatleben geheim zu halten.
Überraschenderweise hat der Fernsehunterhalter allerdings keine
rechtlichen oder sonstige Schritte eingeleitet. Man sollte meinen, dass
es ihm unangenehm sein müsste, wenn er als Mittel benutzt wird, um einem
Youtuber zu mehr Bekanntheit zu verhelfen. Michel selbst verweist darauf,
dass Schmidt in einem Radiointerview gesagt habe, dass er die
Pseudo-Biographie begrüße, weil es zur Vernebelung seines Privatlebens
beitragen würde.
Es ergeben sich hier einige Fragen. Auf drei dieser Fragen möchte ich ein wenig eingehen:
Wer wird in der Pseudo-Biographie beschrieben? Wieso lassen sich Bewunderer wissentlich auf einen bekannten Identitätsklauer ein? Inwiefern dient die Biographie zur “Vernebelung” des Privatlebens von Schmidt?

Identität ist wie eine Baustelle. Sich die Geschichte der Baustelle
(als wandernde heterogene Assoziation) anzusehen, ist etwas anderes als
sich die Geschichte des Gebäudes anzusehen.
Wenn eine Verputzschicht nicht anziehen will, dann macht man sich auf
der Baustelle darüber Gedanken, ob der Betonmischer richtig
funktioniert. Ist dieser einwandfrei gewartet und fachberecht bedient
worden, wenn das Mischverhältnis der Baustoffe stimmt und der Mischer
trotzdem der Baumasse nicht die richtige Konsitstenz verleiht, dann
richtet man sich an den Hersteller. Dieser prüft den Produktionsablauf
und die beteiligten Betriebsmittel. Arbeiten auch diese einwandfrei,
bringen aber trotzdem das falsche Ergebnis hervor, dann misstraut man
den Kontrollmechanismen selbst, ist aber dann wiederum auf
Kontrollsysteme angewiesen, welche die Kontrollsysteme kontrollieren,
usw.
Dass nicht so leicht ist, Identität herzustellen, zeigt zum Beispiel
eine aktuelle Fernsehserie auf Netflix, die “Making a Murderer“ heißt.
Um das Ende der Serie nicht zu spoilen möchte ich nur eine Episode
herausgreifen. Es ging darum festzustellen, ob in einem Mordfall als
Beweismittel verwendete Blutspuren, die zweifelsfrei dem Angeklagten
zugeschrieben werden konnten, wirklich belegten, dass dieser sich an
einem bestimmten Ort befand. Es war unklar, ob die Blutspritzer von
einer offenen Wunde des Angeklagten oder aus einer Blutprobenampulle
stammten und von jemand dort platziert worden waren. Um den Unterschied
festzustellen, musste ein chemischer Test entwickelt werden, der Spuren
eines Konservierungsmittels anzeigen konnte, das zur Lagerung von
Blutproben verwendet wurde. Dieser Test war, der Aussage einer
Sachverständigen zufolge, aber nicht absolut zuverlässig, denn es konnte
nicht festgestellt werden, ob der Test negativ ausfallen würde, weil
die Probe keine Anteile des Stoffes enthielt, oder weil der Test nicht
auf durch vorhergehende Spektrumseingrenzung unanzeigbar gemachte
Messausschläge ansprechen würde hat. Man müsste einen Test entwickeln,
um die Voraussetzungen zu prüfen. – Man kann sich vorstellen, dass dem
Angeklager mulmig wurde, weil er einem potentiell äußerst langwierigen
Prozess entgegensah.
Schlussendlich aber musste die Gerichtsverhandlung weitergehen. Der
Richter war in der Position, den Prozess mit einem Ruck zum Stoppen zu
bringen, indem er die Sachverständige unter Eid fragte: “Können Sie die
Frage nach der Herkunft Ihrer Sachverständigkeit als Wissenschaftlerin
gemäß mit Ja oder Nein beantworten?” Es handelt sich dabei dann um keine
Frage nach den Tatsachen, sondern eher um eine Gewissensfrage. Es
scheint, als könne man sich im Endeffekt nur auf “Zeugenaussagen”
verlassen, anstatt Tatsachenberichte zu bekommen.
Nun sitzt man glücklciherweise in seinem Leben entweder nie, oder
wenn, dann nur relativ kurz in einem Gerichtssaal. Weniger düster stellt
sich die Geschichte rund um den Identitätsklau um Harald Schmidt dar.
Allerdings nicht weniger interessant.
Die “DNS” des Biographietextes setzt sich zusammen aus Anekdoten von
Schmidt und der Interpretationsgabe von Michel. Die Anekdoten wurden im
Rahmen der Fernsehsendung präsentiert, aus dem Grund muss man annehmen,
dass Michel hier das eigentlich bemerkenswerte Kunststück vollbracht
hat, eine Biographie des “Meta-Schmidt” zu schreiben, d. h. eine
Biographie der Person, so wie sie sich selbst in einer Fernsehsendung
beschrieben hatte. Ein für Zuschauer produziertes Produkt wird dadurch,
dass einer dieser Zuschauer es reflektiert, zu einem Ganzen
komplettiert. Dieses Ganze ist sicher nicht eine Beschreibung von Harald
Schmidt. Aber: Wer ist Harald Schmidt? Und wer außer “Zeugen” könnte
diese Frage beantworten?
Dass die Identität Harald Schmidts in dieser Hinsicht “offen” bleiben
muss, lässt es zu sich der zweiten Frage zu nähern: Wieso lassen sich
Menschen wissentlich auf einen ausgewiesenen Identitätsklauer ein?
Die Bewunderer von Schmidt wollen nicht ihn, sondern sie wollen
jemanden, der genauso ist wie er. Michels Gags auf Twitter und die
Interpretationen, welche die Lücken im Lebenslauf des Beschriebenen
schließen, stehen in einer Reihe mit den Gags und Interpretationen, die
Schmidts sendungsverantwortliche Redakteure geschrieben haben. So
bewunderswert das unterhaltende Talent des Moderators auch ist,
vollkommen auf sich alleine gestellt wäre er nicht die Figur, die er
selbst abgibt. Diese Figuration ist, wird die Baustelle ausgeblendet,
äußerst instabil und ruht dann ganz auf der Überzeugung der Bewunderer.
Die Begeisterung, die Michel entgegengebracht wird, ist die
Manifestation der Erzeugung des Harald Schmidt durch seine Bewunderer.
So gesehen, hat der junge Autor die Offenheit der Identität Schmidts
vergrößert; in Schmidts Identität ist jetzt mehr Platz.
Was bedeutet nun: “mehr Platz”? Die dritte Frage lautete: Inwiefern
dient die Biographie Michels zur Vernebelung des Privatlebens von
Schmidt? In Zeiten, in denen die “Überwachungskrake”, der “gläserne
Mensch”, das “Ende der Privatsphäre” usw. propagiert werden, spricht die
pointierte Aussage Schmidts für erstaunliche Gelassenheit. Es scheint
auf den ersten Blick der Intuition zu widersprechen, die nahelegt, dass
Privatsphäre den sorgfältigen Ausschluss von zirkulierenden
Informationen bedeutet.
Aus der bisher dargestellten Perspektive auf die Identität jedoch
scheint die Aussage schlüssig. Je mehr Informationen zugänglich gemacht
werden, desto eher werden sich diese ineinader verstricken, sich
widersprechen, “Kontrollsysteme” notendig machen, die auf Dauer
scheitern, durch Bezeugungen gestützt werden und dann nur noch Gerede
erzeugen.
In dem Moment, in dem ein Gebäude fertiggestellt ist, beginnt sein
Verfall. Sobald die Identität festgestellt ist, wird ihre Passivität
ersichtlch. Je mehr die Bewunderer von Schmidt diesen Verfallsprzess
aufhalten, desto mehr verunmöglichen sie auch die Bestimmung dessen, was
sie da eigentlich verfrüht restaurieren. Wenn man nichts preisgeben
möchte muss man ständig irgendetwas preisgeben.
Was ist aber im umgekehrten Fall, also dann, wenn Schmidt seine
Identität nicht vernebeln will? Wenn der echte Harald Schmidt ohne
Ausweis an einer Ländergrenze aufgehalten wird, kann streng genommen
rein durch “Tests” nicht festgestellt werden, ob er der ist, der er
vorgibt zu sein. Im Endeffekt braucht es dafür menschliche oder
verbriefte Zeugen (Zeugnisse). Dass diese “Zeugen” nicht immer
verlässlich sind, weil sie zum Beispiel eigene Interessen vertreten,
zeigt der Fall Michel. Wer ist also der Beschriebene? Mit Sicherheit
nicht Harald Schmidt. Aber: Wer ist Harald Schmidt? Die Tautologie:
“Ich, Harald Schmidt”, wohl als Überzeichnung intendiert, drückt ein
“Zuviel” aus, das anscheinend der Person ein Namensschild verpasst,
damit man diese erkennt.
Ein etwas absurdes Gedankenspiel: Stellen wir uns einen wirklich
unangenehmen Zöllner vor, dem Schmidt ohne Ausweis an der Grenze
begegnet. Unangenehm ist er deswegen, weil er ein grotesk überzogenes
Pflichtbewusstsein hat, das sich in der beschriebenen Situation als
ausgeprägtes Dissentertum bemerkbar macht. Egal was Schmidt anstellt,
der Beamte hat immer Zweifel an dessen Identität. Es ist ein
Gedankenbeispiel, also treiben wir das ganze so weit, dass der
Zollbeamte eine Verschwörung vermutet und die Familie und Mitarbeiter
Schmidts, ebenso wie die Beamtin im Einwohnermeldeamt für Schauspieler,
die Situation für eine Inszenierung hält.
Für sich weiß Schmidt, dass er die Person ist, die er vorgibt zu
sein. Und für alle die Zeugnis ablegen, dass er es ist, ist er es auch.
Im Identitätsbegriff von Schmidt sind das die Nebellichter.
Je mehr Möglichkeiten zur Kontroversenbildung sich entwickeln, je
mehr man über sich preisgibt, desto mehr werden die vielen Vermittlungen
des Preisgebens dazu führen, dass die Identität unklar wird, sich ein
Interpretationsraum vergrößert. Übrig bleibt nur der Glaube an die
Identität der Person. Dieser Glaube betrifft das Gebäude und nicht die
Baustelle und füllt den Identitätsbegriff auf diese Weise restlos aus.

Hallo!

Es ist schade, dass sich hier nicht mehr tut. Liegt es daran, dass das Forum nicht der richtige Platz für die Diskussion ist? Oder ist meine Strategie nicht die richtige, Tehmen vorzuschlagen? Sind die Texte zu lang? Die Themen nicht interessant?

Was können wir denn machen, damit hier eine Diskussion entsteht? Ich nehme an, dass die Bohnen erst dann in die Puschen kommen, wenn wir ein wenig Vorarbeit leisten und ihnen ein paar ansprechende Themen vorschlagen, über die sie sich dann unterhalten können. Deswegen sollten wir das auch tun, meiner Meinung nach.

Es kann sein, dass ich mich irre, aber ich denke, sie teilen meine weiter oben angesprochenen Bedenken, dass ein “Philosfa” etwas anderes sein muss als ein Almost Daily. Und dass den Unterschied nur ausmachen kann, dass man sich wirklich an philosophische Themen heranwagt (die Rolle des Chat, Gedanken zur nicht nur ökonomisch gedacht “richtigen” Art der Finanzierung, was bedeutet “Identität”? für die ich die Basis hier legen wollte), was ein Mindestmaß an Vorbereitung voraussetzt (die sie nicht treffen können).

Es wäre sehr schön, wenn jemand hier in meinen einsamen Gesang into the void einstimmen würde.

Beste Grüße e

Moin,

ich glaube das größte Problem ist:

a) Dieser Thread ist schon sehr alt und ich glaube die Resonanz ist daher so gerin, dass nur wenige Leute diesen Beitrag überhaupt sehen (ausser ist wird explizit danach gesucht).

b) Ist genau das, was du schreibst das Problem. Ich möchte garnicht auf den Inhalt eingehen, aber es gibt soviele Kritiker, die das zerreissen, was gesagt wird und bereits ihren Gedankenfurz zum Besten gegeben haben , dass es nur nach hinten losgehen kann :confused:
Man muss nur mal überlegen, welche Zielgruppe man damit anspricht. Die ist noch minimaler als die Zuschauer die eh schon da sind. Mit großer Wahrscheinlichkeit <1000.

Meiner Meinung nach, sollte ein Philsofa auch anders sein als ein Almost Daily, aber nichts mit Philiosphie im „Studien-Sinne“ zu tun haben. Keiner muss Platon kennen oder das Höhlengleichnis. Es werden einfach nur Theorien in den Raum geworfen und aus diesen Theorien weitere gesponnen. Egal ob richtig, falsch, nichtig, oder relevant. Einfach Denkanstöße von Hobby-Philiosphen:D

Grüße
Dask

Hi Dask,

Danke für deine Antwort!

Du hast wohl mit dem was du sagst recht. Es wird dann sowas wie “Street philosophy” auf Arte, wo Laien sich philosophischen Themen annehmen. Schade ist, dass es sich dann meist eher um - entschuldgie wenn ich das so drastisch ausdrücke - geistige Selbstbefriedigung handelt und nicht darum, Dingen wirklich auf den Grund zu gehen.

“Auf den Grund gehen” heißt für mich nicht, dass etwas als “richtig, falsch, nichtig oder relevant” angesehen werden muss. Es gibt viele philosophische Ansätze, die den Wg des “Richigen”, im Sinne dessen, was man im Studum als Kanon indokrtiniert bekommt, nicht gehen. Allerdings braucht es, um Dingen auf den Grund zu gehen, doch mehr als ein bloßes drauflos-Plaudern, es geht eher darum die Modalitäten und Bedingungen zu finden, inwiefern man überhaupt etwas über etwas sagen kann oder inwiefern man etwas als etwas erkennt, bevor man etwas erkennt oder wie über etwas geredet werden kann und was es aussagt, wenn man auf die eine oder andere Art über etwas spricht, usw.

Deswegen sind, meiner Meinung nach, vorgegebene Themen wichtig, aber auch Sprünge erlaubt, solange man den Faden durch die ganze Diskussion erkennen und man am Ende vielleicht sogar eine Art Klammer setzen kann. Um den Nachteilen zu entgehen, die “Street philosophy”-like Formaten anscheinend unausweichlich eingeschrieben sind, sollte aber eben auch die ARt, wie man über etwas spricht, im Vorhinein bedacht werden, was eine gewisse Vorbereitung notwendig macht, die für die Bohnen wohl nicht zu leisten ist. (Vor allem für ein Format, das, wie du schon gesagt hast, nur wenige ansprechen würde).

Eine Möglichkeit wäre natürlich, dass ein philosophisch geschulter Mediator im Off den Bohnen als “Stützrad” dient. Das ist absolut nicht beleidigend gemeint! Das “Stützrad” hält das Gespräch nur auf der Spur, die Bohnen selbst sind schon manchmal überraschend schlau und gelenk im Denken und tragen natürlich die Sendung!

Ich würde mir das so vorstellen wie einen “Denkfehleralarm” mit nachfolgender extrem kurzer Erläuterung zum Denkfehler, oder so.

Ich hoffe, das “Philosopfa” bleibt nicht nur eine unkonkrete Idee; ich liebe RBTV und Philosophie und allein für mich wäre es Wiehnachten und Ostern zusammen, wenn die Show mal laufen würde!

Mit besten Grüßen

e

Die Texte sind viel zu lang. Du brauchst viel zu lang um auf den Punkt zu kommen. Außerdem hab ich nicht das Gefühl irgendeinen Erkenntnisgewinn zu haben. Wahrscheinlich sollen die Texte auch nur zum nachdenken anregen, aber ist das der richtige Ort dafür? Ich gehe nicht auf Rocketbeans, um über Identität und ähnliches zu diskutieren und ich denke es geht hier vielen so.

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hi herzer13,

danke für dein feedback! ziel war es, anregungen zu liefern (und andere dazu anzuregen dasselbe zu tun), kleine häppchen, denn die texte sind, verglichen mit artikeln und papers, nicht absonderlich lang, in die man reinschmökern kann. wenn sich hier ein paar beiträge ansammeln, dann findet sich vielleicht ein thema, das anspricht, weil gezeigt wird, dass sich darüber zu reden für mehr als zehn minuten lohnt. ideen und themen liegen sozusagen überall rum, es ist notwendig, dass sie manifest werden; hier als inhalt eines sendeformats auf einem sender, der verschiedenste interessengruppen ansprechen will (siehe: buchklub). das motto des senders könnte auch sein: “immer nur für viele ist auch fad”. in diesem sinne glaube ich, dass sich gerade in der RB-community (hier als begriff verwendet etwas paradox) “viele” finden, die verschiedenstes mögen, das nicht jeder/m gefällt.

schöne grüße
e