Wie kommst du zu der Aussage? Persönliches Erleben in deinem Umfeld? Möglich, dass es da so ist, darauf auf die Allgemeinheit zu schließen kann jedoch ganz dumm laufen.
Ich kenne in meinem Umfeld keinen Religionsunterricht, an dem man viel zu kritisieren hatte. Das mag an meinem Umfeld liegen, oder der Lehrplan in meinem Bundesland ist ein anderer oder oder oder…
Falls deine Aussage doch auf einem anderen Erfahrungsschatz fußt, so bin ich sehr an diesem interessiert. Spannendes Thema ist es auf jeden Fall, wie man an der lebhaften Diskussion sieht.
In meinem Geschichtsstudium war die Kompetenzorientierung auch ziemlich im Fokus. Jedoch ist Kompetenzorientierung lediglich ein Tool und ist nur ein Bestandteil der Vermittlung der Inhalte. Ob diese Inhalte ieiner Objektivität oder Wissenschaftlichkeit unterliegen, ist dann wieder eine gänzlich andere Frage.
Wenn das so zutrifft, dann seids ihr ein paar Jahre weiter als wir. Ich frag mich dennoch, warum man das Thema Religion konfessionell aufteilen muss. Es wäre doch sinnvoller, wenn man diese Schranken beseitigt, um möglichst neutral und objektiv an das doch heikle Thema Religion heranzugehen.
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Natürlich sollte es darüber einen gscheiten, öffentlichen Diskurs geben. Das steht außer Frage. Dennoch ist Religion immer noch Privatangelegenheit, in dem Sinne, dass niemand einer anderen Person zu sagen hat, woran sie glauben soll, was leider (in unterschiedlichster Weise und nicht nur im Kontext konfessionellen Religionsunterrichts) viel zu oft passiert.
Ist sie das wirklich? Meiner Erfahrung nach und durch Gespräche mit anderen ist die eigene Schulzeit immer sehr unterschiedlich verlaufen und war sehr abhängig von den jeweiligen Lehrer:innen, Schulen und Bundesländern. Deswegen finde ich es sehr schwer, solche allgemeinen Aussagen zu machen und es ist natürlich echt schade, was manche hier für einen schlechten Unterricht hatten. Vielleicht gibt es hier auch Unterschiede zwischen Deutschland und Österreich?
Um jedenfalls meine Erfahrung als weiteren Datenpunkt kurz zu schildern: In meinem katholischen Religionsunterricht wurde in der Mittel- und Oberstufe weder gesungen noch gebetet noch wurden Bibelverse auswendig gelernt. Überhaupt hatten wir nie eine Bibel dabei und wir haben insgesamt vielleicht ein paar Mal was in der Bibel gelesen, ansonsten höchstens mal Ausschnitte analysiert. Wir haben uns auch mindestens (!) ein Halbjahr ausschließlich mit anderen Religionen beschäftigt. Von Indoktrination kann man da eigentlich nicht sprechen, zumal die meisten Schüler:innen das ganze auch eher kritisch gesehen hatten, was nie ein ernsthaftes Problem war. Eher würde ich den Unterricht als langweilig beschreiben, weil die Lehrkraft das Thema nicht wirklich spannend vermittelt hat.
War bei uns genau umgekehrt. Inhalte sind ein Tool, damit Kompetenzen vermittelt werden. Es geht also z. B. erstmal nicht darum, ob die SuS die Petrusgeschichte kennen, sondern darum, wie man sich richtig in einem Konflikt verhält und wie man einen Streit beilegen kann, wozu Petrus als Folie dient, an der man sich abarbeiten kann.
Rechtlich, weil es in Deutschland im Grundgesetz verankert ist. Innerkirchlich, weil die Katholiken keinen Bock darauf haben (besagte Trias aus Lehre, Lehrkraft und SuS, die allesamt katholisch sein müssen; ich hatte auch schon Kathos, Musilme und Atheist*innen bei mir im evangelischen RU sitzen).
Das stimmt meines Erachtens punktuell, aber nicht generell. Ich glaube, dass man im getrennten RU eher in die Tiefe gehen kann, was evangelischen, katholischen, orthodoxen… Glauben ausmacht. Das schließt aber nicht aus, dass der Dialog mit anderen Weltanschauungen sehr wichtig ist, die man auch in den RU integrieren kann.
Hatte sowohl katholischen, als auch evangelischen Religionsunterricht in Sachsen und beides war eine absolute Katastrophe. Das wurde nicht von ausgebildeten Lehrern unterrichtet, sondern von irgendwelchen kirchlichen Amtsträgern, die keinen Plan von Pädagogik hatten. Nur in der Oberstufe war der Religionslehrer einigermaßen cool drauf. Aber selbst bei dem wurden andere Religionen in Form von 20min Vorträgen der SuS behandelt. Als ob das für die großen Weltreligionen ausreichen würde.
Dafür gab es bei uns Ethikunterricht, den alle besucht haben, deren Eltern nicht christlich waren. Ist im Osten aber auch alles entspannter, weil gut die Hälfte der Kinder konfessionslos sind.
Und das hat historische Gründe. Kurz nach der Nazi-Zeit kann ich das auch gut nachvollziehen.
Aber ich hoffe doch, dass wir mittlerweile weiter sind. Oder zumindest sollten wir langfristig weiter kommen bzw weiter kommen wollen.
Am muslimischen Religionsunterricht sieht man meiner Meinung nach, dass durch das momentane System Privilegien einzelner Religionen entstehen, die diese aus Macht- und Einflussdenken nicht aufgeben wollen. Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften, nichtreligiösen Glaubensgemeinschaften oder den Überzeugungen von individuen kann ich im momentanen System zumindest nicht erkennen. Und ist meiner Meinung nach auch nicht realisierbar. Dafür ist die Welt und unsere Gesellschaft mittlerweile zu divers, weswegen die Einteilung in Konfessionen immer weniger die gesellschaftliche Realität widerspiegelt.
Alle, die nicht in einen konfessionellen Unterricht von ausgewählten Glaubensgemeinschaften wollen, in Ethik zu schicken oder vom Unterricht freizustellen, sehe ich zumindest nicht als Gleichbehandlung an.
Ich halte das für überholt. Genauso wie Bildungsföderalismus oder kirchliche Krankenhäuser, Kindergärten oder Alten- und Krankenpflege mit staatlicher Förderung und speziellen Tarifverträgen etc.
Deshalb würde ich mir eine Verfassung mit Laizismus, Religionsunterricht in der Richtung von vergleichender Religionswissensschaft und einer Trennung der privaten Ausübung von Religion, Glaube und Überzeugungen von der öffentlichen, kritischen Auseinandersetzung mit diesen Themen sowie deren gesellschaftlich relevanten Auswirkungen wünschen und für gut erachten.
Ob, wie bzw wann man deshalb die Verfassung ändern sollte oder dies versuchen sollte ist eine andere Frage. Es geht mir nur darum, was das langfristige Ziel sein sollte.
Ich weiß nicht wann bei dir Mittel- oder Oberstufe losging, aber Religionsunterricht fängt ja (leider) nicht erst ab der 10. Klasse an, sondern begleitet einen quasi fast durch die gesamt Schulzeit bis zum Abitur (bis man es dann endlich abwählen kann).
Dieses vermeintliche Beispiel für die Offenheit des Religionsunterrichts unterstützt sogar eigentlich meinen Punkt.
Ich möchte nicht, dass es als etwas besonderes herausgestellt werden muss, dass man mindestens (!) ein (vielleicht also auch 2) Halbjahre mal was über andere Religionben gelernt hat (dann aber vermutlich auch einfach alle mal ein wenig angerissen denke ich?).
Das wären bei 6 Jahren Religionsunterreicht gerade mal 1/12 der Zeit, die auf die Betrachtung anderer Religionen gelegt wurde.
Ich wünsche mir, dass es (wenn man denn Religion an der Schule thematisieren muss) ausschließlich einen konfessionslosen Religionsunterricht gibt, wo allen Weltreligionen die gleiche Zeit zugestanden wird.
Die Unterhaltung aus dem Thread „Interessantes und Beeindruckendes“ wurde hierher verlegt
Ungeteilte Zustimmung.
Ich hatte bis zur (ich glaube) 8. Klasse nur Religionsunterricht und konnte erst dann zu „Werte und Normen“ wechseln.
Und bei Religion ging es nie um andere Glaubensrichtungen immer nur um den evangelischen Glauben.
Über 3 Schulen und 3 Lehrer hinweg hat sich das nie geändert.
Das war zwar nie ein „wir beten und singen gemeinsam“, aber es wurde in der Bibel gelesen (es gab sogar extra einen Rollcontainer mit Bibeln die der Lehrer mit in die Klasse nehmen konnte), Geschichten aus der Bibel besprochen und auch „analysiert“, was uns diese Geschichten sagen wollen. Es wurde darüber gesprochen wie heilsam Religion sein kann und wie wichtig für eine Gemeinschaft.
Es wurde auch mal ein halbwegs aktuelles Poplied von irgendeiner bekannten Künstlerin mitgebracht in dem sie darüber singt, wie ihr Gott hilft über schwere Zeiten hinweg zu kommen.
Über sowas wie die Kreuzzüge oder fragwürdige christliche Missionararbeit wurde nie gesprochen.
Insgesamt hatte der Unterricht stets die Grundbotschaft „(Evangelische) Religion ist super und Gott ist toll“.
Vom Islam weiß ich wenig, vom Buddhismus noch weniger.
Und auch über Kant und seine Kollegen wurde in Religion nie gesprochen. Gehört dort ja auch nicht hin.
Man kann Menschen dafür auch gerne verschiedene Weltanschauungen präsentieren, aber das sollte sachlich-nüchtern sein.
So wie man die Weltanschauung eines Philosophen durchgeht, so kann man auch gerne die Religionen durchgehen.
Aber einen Fokus auf eine bestimmte Religion zu legen, das geht halt in der Schule gar nicht.
Oder Inhalte aus religiösen Werken als Fakten zu präsentieren - das geht auch überhaupt nicht klar.
Ich bin klar für ein Fach in dem man Glaubensrichtungen, philosophische Fragen und Ansätze durchgeht und bespricht wie unterschiedlich man die Welt betrachten kann.
Vom Glauben der alten Ägypter, über irgendwelche kannibalistischen Naturvölker, zu klassischen Philosophen bis hin zu den verbreiteten Religionen.
Das darf gerne alles in „Werte und Normen“ vermittelt werden.
Aber ein eigenes Fach für Religionen, das braucht es nicht.
Inwiefern kommt man weiter, wenn man Menschen ein Grundrecht abspricht? Schadet ja niemandem.
Was daran liegt, dass es praktisch keine größeren Islamverbände gibt, die als Ansprechpartner dienen, mit denen man mit den Schulen gemeinsam die Inhalte des RU thematisieren kann. Gerade das empfinde ich aber sehr wichtig - dass Schule und Religionsgemeinschaft das im gemeinsamen Benehmen festlegen.
Wie sähe die denn dann aus?
Halte ich aus vorher in der Diskussion benannten Gründen dennoch für sehr wichtig, dass es freiwillige Alternativen zum staatlichen Angebot gibt. Ob die Kirchen dann ein eigenes Arbeitsrecht brauchen, steht aber auf einem anderen Blatt.
Die Beschäftigung mit dem Thema Religion erschöpft sich aber lange nicht im interreligiösen Dialog, wenngleich das auch ein sehr wichtiges Thema ist.
Gleichbehandlung wäre, wenn alle verpflichtend in den Ethik-Unterricht gehen müssten, der ja das ist, was sich viele hier wünschen: Gleichgestelltes betrachten aller Religionen, Philosophien, Weltanschauungen, Moraltheorien und so weiter. Alle, unabhängig von der Religion.
Das fände ich auch am sinnvollsten. Mein ev-RU war zwar keine Katastrophe wie einige hier berichten (ja, ich durfte sogar eine GFS zu Nietzsche machen), aber es ist einfach doch sehr auf einen Glauben zentriert. Viele Aspekte, die im Ethik-Unterricht behandelt werden (Theorie der Gerechtigkeit nach Rawls, Kant, Ethik im Krieg, uvw.) kamen dennoch überhaupt nicht vor.
Meinetwegen könnte Religionsunterricht dann als zusätzliche AG angeboten werden, wo man sich deutlich mehr im Detail mit den einzelnen Religionen auseinandersetzen kann.
Ich bin kein Freund davon, „gleich behandeln“ mit „gleich machen“ herzustellen.
Wo siehst du da Gleich machen ?
In Ethik würden alle Religionen gleichwertig vorgestellt (zumindest die großen Religionen) und wer sich dann wirklich zu irgendwas davon hingezogen fühlt kann das ja in seiner Freizeit machen.
Wieso die extrem knappe Schulzeit aber für einen reinen Religion X Unterricht verwendet werden sollte, sehe ich nicht.
Religionsunterricht waren eben relativ sinnfreie Stunden in der Woche, deren einzig positiver sinn darin bestand dass man leicht eine gute Note bekam um den Zeugnisschnitt aufzuwerten.
In wiefern würden denn hierbei die Schüler „gleich gemacht“?
Im Gegenteil, würde ich behaupten, sie bekommen alle die gleichen Informationen zuteil (sprich: werden gleich behandelt), sodass sie selbst, vollkommen eingenständig sich entfalten können und entscheiden können, welche der Religionen ihnen am meisten zusaget und diese annehmen könnten.
Gibt es etwa Religionen und Weltanschauungen die „gleicher“ als andere sind?
Mal im Ernst: ich verstehe den Satz nicht.
Wenn alle Religionen den gleichen Anteil an Aufmerksamkeit und Zeit bekämen, dann ist es kein „gleich machen“ sondern eine Gleichbehandlung.
Aber wenn du magst, erkläre doch noch mal genauer, worauf du mit dem Spruch hinaus wolltest - ich scheine nicht der einzige zu sein, der die Intention oder die Bedeutung dahinter nicht versteht.
Jetzt mal polemisch formuliert, aber aus der Sicht eines Gläubigen müsste es ja so sein, oder zumindest in diese Richtung gehen.
Wenn man von seinem Glauben überzeugt ist, können die anderen Weltanschauungen ja nicht mit der selben Haltung des eigenen Glaubens behandelt werden. Mal ganz davon abgesehen, wie tolerant man anderen Glaubensrichtungen gegenübersteht, das steht ja dann noch auf einem anderen Blatt.
Das ist ein netter Gedanke, doch letztendlich illusorisch.
Bereits in einem Studium der Philosophie liegt eine starke Spezialisierung vor, unterschieden wird schon da in praktische Philosophie, theoretische, Ästhetik, Logik, Sprachtheorie, Altertum und fernöstliche Phil.
Und das sind nur Beispiele, welche ich selbst erlebt habe an verschiedenen Instituten.
Es gäbe zum Beispiel noch Praxis Philosophie, u.a. im englischsprachigen Raum und in Österreich.
Allein in der praktischen Philosophie oder im Studiengang Werte und Normen findet eine sehr starke Einfärbung statt, einerseits durch Profs und Dozentinnen, aber auch durch Studentinnen.
Neutral ist da ehrlich nicht viel.
Zu erwarten, dass dann seitens Philosophinnen noch ein Überblick über Weltreligionen gegeben wird ist hart, Vertreterinnen der jeweiligen Religion könnten dies besser.
Wäre dies dann nicht based? Einerseits Anhänger*innen des Ulitarismus, anderseits die Religionen.
Ich als studierte Philosoph*in habe zum Beispiel niemals die Befähigung Ethik zu vermitteln, ein Gebiet welches ich lediglich im Grundstudium belegte. Eine Wissensvermittlung welche ihren Namen verdienen würde könnte ich niemals in den Bereich anbieten, hingegen in der Philosophie der Antike und in der Phil des Wissens.
Ich möchte eine Lanze für den Religionsunterricht brechen, dieser kann, sofern gut gestaltet, Orientierung bieten und Annäherung an komplexe metaphysische Gedankengänge. Einen frühen halt in einer komplexen Welt und begreifen und erklären von Zusammenhängen.
Aus gefestigten Weltbildern ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Welt unlängst einfacher, als von einem wankenden Fundament heraus.
Ich bin bei weitem nicht unkritisch gegenüber Formen des Glaubens und Ausleben von Religion, ich habe große Ablehnung und Verletzungen durch Christ*innen erfahren, auch gemäßigten.
Doch geht es nicht darum sektiererisch zu indoktrinieren, es geht darum Kinder erste Handwerkszeuge zur Orientierung und erfahren machen der Welt zu geben.
Ob nun der Geschichten erzählende Affe in seiner eigenen selbsterhöhung das Narrativ einer universellen Moral erzählt oder wie auch immer gestalteten Glaubenswelt, viel entscheidender ist die daraus resultierende Ausgestaltung und Auseinandersetzung.
Und die sollte immer zu kritischen Denken, der Befähigung des Erfahrens und Entdeckens, Mut zum Wundern anregen.
Und vor allem auch der Befähigung sich einzugestehen, dass die eigenen Fähigkeiten des erklärens, egal welches Modell bemüht wird, endlich ist. Und die Bereiche des Nicht-Wissens, der eigenen Ahnungslosigkeit größer sind, als alle Bereiche zu denen ich gesichert Aussagen treffen kann.
Solange ich ein Kriterien Wissen zur Überprüfung der Wissensansprüche anderer habe.
Das hat eben irgendwie etwas davon, einen Metzger einzuladen um über Fleischkonsum zu reden.
Leicht Biased eben
Andersrum kann dir aber vermutlich niemand so viel über Fleisch erzählen wie ein Metzger.
Genau dies versuche ich ja zu verdeutlichen. Dies sind auch Philosoph:innen, Ethiker:innen, wenn es um die Vermittlung von Wissensansprüchen und Positionen geht.