Über Religion

Naja, wie sollte so etwas hierzulande aussehen? Es gibt die Welt-Läden, die Fairtrade-Sachen anbieten, Pfarrhäuser werden immer mehr mit erneuerbaren Energien versorgt, es gibt bekannte und weniger bekannte christliche Hilfsorganisationen. Darüber hinaus wäre es evangelischerseits auch schwierig, da die Hierarchien in der Kirchenstruktur sehr flach sind.

Das stimmt allerdings. Über Kirche berichtet man eigentlich nur dann, wenn mal wieder ein Missbrauch aufgedeckt oder irgendein Kirchenvertreter etwas selten Dämliches in irgendeine Kamera gesagt hat. Die meisten Christen hier dürften ähnlich ticken wie ich, nur sowas lässt sich eben nicht in eine Schlagzeile verpacken.

Ich finde es jedoch immer wieder sehr interessant, wie stark Religion implizit in der Popkultur verarbeitet wird. Z. B. Superman ist fast 1:1 eine moderne Nacherzählung der Mosefigur - nur eben nicht religionsstiftend.

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Du glaubst also nichtt wirklich an die Bibel.

Du studierst wie Menschen Religiöse, christliche Texte aus anderen Traditionen übernommen ( teilweise erfunden) haben.

Du studierst die extrem komplexe und irrationale herkunft der modernen Religion und Moral.

Du weisst, dass du nichts über das Leben nach dem Tod weisst.

Du weisst wahrscheinlich auch das der christliche Schöpfungsmythos eher hinderlich ist um die Existenzz des Universums zu erklären.

Du hast offensichtlich ein sehr vernünftiges Weltbild.

Du glaubst nicht an die biblischen Wunder.

Warum?

Ist ein möglichst rationales Weltbild nicht warscheinlicher? Ist die Existenz von Religion durch psychologische Gründe nicht besser zu erklären als durch eine wirre offenbarung irgend eines Gottes?

Sorry, ich würde dies nicht fragen wenn du in deinem Glauben nicht so gefestigt wirken würdest.

Wie glaubt man denn „wirklich“ an die Bibel? Die Bibel erfordert mit all ihren Widersprüchen Interpretation; ich versuche nur, möglichst transparent zu halten, wie ich sie interpretiere. Fundamentalisten tun das in der Regel nicht.

Und ich habe auch nie gesagt, dass ich an die Schöpfung in sechs Tagen glaube; Leute, die daran glauben, glauben damit zwangsläufig auch daran, dass die Erde eine Scheibe ist und dass sie im Badeurlaub in Spanien vom Rand fallen könnten. Abgesehen davon taugen die biblischen Schöpfungsmythen auch weniger dazu, die Entstehung der Erde zu schildern (die hebräische Fassung geht aufgrund der Satzstellung im Übrigen nicht davon aus, dass Gott die Erde aus dem Nichts geschaffen hat; er hat sie in einem chaotischen Zustand vorgefunden und durch sein Handeln schöpferisch geordnet - nur ließ sich das eben schlecht ins Griechische und auch ins Deutsche übersetzen). Es geht vielmehr um die Rolle des Menschen im Weltgefüge (Ebenbild Gottes, d. h. Gottes Stellvertretung auf Erden).

Ich sehe für mich keinen Widerspruch darin, sowohl an die Lehren Jesu als auch an die „Rationalität“ zu glauben. Dass ich religiös bin, heißt nicht, dass ich für rationale Argumente unempfänglich bin.

Ja. Wenn ich sagen würde, dass sich Gott mir offenbart hätte, würde ich mindestens schief angeguckt werden (und vermutlich andere auch schief angucken, wenn sie so etwas sagen). Ich habe weiter oben schon einmal gesagt, dass mein Glaube auch zu großen Teilen im Gefühl verortet ist. Oder anders gesagt: Dass ich glaube, liegt vermutlich an meiner psychologischen Disposition (worunter auch Erziehung fällt). Wie ich glaube, leitet sich aber im Wesentlichen eben von meiner (ich behaupte mal im evangelischen Kontext durchaus konsensfähigen) Interpretation der Bibel ab.

Och, danke für das Lob. :beankiss: Ich empfinde solche Fragen aber wirklich nicht als anstößig; jeder redet gern von sich selbst. :wink: „Gefestigt“ würde ich mich aber nicht sehen. Meinen Glauben fasse ich eher als einen Haufen Legosteine auf, die jederzeit abgerissen und neu aufgebaut werden können. Ich bin sozusagen immer auf der Suche und behaupte auch nicht, irgendwelche ewigen Wahrheiten für mich gepachtet zu haben.

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Vielleicht mal um ein kleines (Unter-)Thema aufzumachen was nicht nur eine reine Fragerunde darstellt:

Ich bin regelmäßig im https://www.reddit.com/r/atheistparents/ unterwegs. Bin zwar kein Vater eines Kindes, finde die Posts und die dort beschriebenen Probleme aber trotzdem interessant^^. Allerdings bekomme ich dort ganz oft das Gefühl, dass man diese Probleme in Deutschland (vllt. Westeuropa) gar nicht kennt (die meisten Poster dort scheinen aus den US, Biblebelt zu kommen).
Probleme die dort beschrieben werden handeln von Ausschluss aus der Gesellschaft, gezwungenes vermitteln von christlichen Inhalten in Schulen und Kindergärten und der Indoktrination selbst bei Organisationen wie den Boyscouts. Natürlich haben wir auch hier die Pfadfinder oder Jungschar, welche meistens von christlichen Organisationen betrieben werden, aber das es dort jemals Probleme gab, weil man nicht an Gott glaubt ist mir jedenfalls nicht bekannt und meine eigenen Erfahrung spiegelt das auch nicht wieder.
Könnt ihr von Alltagsproblemen berichten die aus Unglaube oder fehlender Religiosität resultieren (vorzugsweise in DE)?

Superman hat einen Massenmord an Kindern verursacht und ist dann in diverse fremde Länder eingefallen, um dort Genozide zu begehen und junge Mädchen zu Sexsklaven zu machen?

Als Ossi (der Ex-DDR-Bible-Belt liegt übrigens um Dresden und Chemnitz rum) kann ich auf Deine Frage natürlich wenig Erfahrungsberichte beitragen, will aber mal ein paar Dinge in den Raum werfen, die andere vllt. aufgreifen können:

Religionsunterricht ist bei uns unnötigerweise gesetzlich versichert und z.B. in Bayern reguläres Pflichtfach, wird also genauso behandelt so wie Mathe und Deutsch und Physik.
Da der Religionsunterricht für [nicht explizit bekenntnisfreie] Schulen gesetzlich verpflichtend ist, sind meines Wissens sogar Berufsschulen davon erfasst, mit denen ich als Universitätsstudent aber nie Kontakt hatte, also caveat.
Philosophie/Ethik/Was-auch-immer sind immer Ersatzfächer für Leute, die sich aus Überzeugungsgründen nicht zum Religionsunterricht begeben wollen.

Hierbei ist auch zu beachten, dass die Fehlvorstellung vieler Konfessionsloser, der Religionsunterreicht sei Unterricht über Religionen, falsch ist. Sollte dem so sein, ist das dem Lehrer geschuldet, der seiner Pflicht nicht richtig nachkommt. Denn vorgesehen ist der Religionsunterricht als Indoktrination, d.h. Aufgabe des Lehrers ist es, den Schülern die Glaubensinhalte seiner Religion als faktische Wahrheit anzuerziehen. Ich verweise hier wieder nach Bayern und auch nach NRW, deren Verfassungen die Anerziehung von “Gottesfurcht” als oberstes Ziel des Schulunterrichts angeben.

Ebenfalls ist es so, dass Kindergärten in christliche Trägerschaft zu geben die Gemeinden irgendwie billiger kommt, als die selbst zu betreiben, sodass eine überproportionale Verteilung christlicher Kindergärten in Deutschland vorliegt, tw. flächendeckend, sodass auch da von einer zwanghaften Vermittlung gesprochen werden kann.

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"Könnt ihr von Alltagsproblemen berichten die aus Unglaube oder fehlender Religiosität resultieren "

Also ich als Christ erlebe das in Deutschland gerade andersherum. Heutzutage ist doch zumindest in den Städten Atheismus total angesagt, als Christ stößt man da viel mehr auf Unverständnis und Anfeindungen. Aber bin gespannt was andere dazu sagen.

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nö, eher das gegenteil

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ich hab den grossteil meines lebens 50 meter von ner kirche entfernt gewohnt, jetzt hab ich ein glockentrauma :smiley:

Oh! Das eine Problem, das ich auch kenne! Mit 12 - 15 hab ich direkt zwischen Pfarrkirche und Dom gewohnt. Samstagnacht war schön drei Jahre lang um sieben Uhr morgens vorbei.

Sehe ich genau so.
Ich erzähle auch eher ungern, dass ich gläubig bin, weil ich im Gegensatz zu @Niklas_Schier keinen Bock habe, ewig meinen Glauben zu erklären und zu rechtfertigen, besonders, da die meisten Menschen echt keine Ahnung vom (evangelischen) christlichen Glauben haben und ich dann jedes Mal klären muss, dass ich Pädophilie und Kreuzzüge kacke finde und dass ich nicht glaube, dass Gott ein alter Mann auf einer Wolke ist. :rolling_eyes:

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Ich habe als weitestgehend ungläubiger Mensch eine ganze Palette an evangelischen Angeboten durchgemacht (ev. Kindergarten, Kinderskifreizeit, Jungschar, Konfirmation, ev. Religionsunterricht) und habe mich nie unter Druck gesetzt gefühlt.

Im Kindergarten war Religion ziemlich egal, wir hatten soweit ich mich erinnere auch muslimische Kinder, usw, das gleiche gilt für die Skifreizeit oder die Jungschar. Den Ausschluss aus der Gesellschaft kann ich also auf jeden Fall verneinen.

Das ist wohl Definitionssache. Bei den Sachen wurden Abends hin und wieder christliche Lieder gesungen, mich hat das nie gestört, aber man kann es natürlich als unterschwellige Indoktrination sehen. Ich bin aber aber auch hier ziemlich sicher, dass es ok gewesen wäre, wenn jemand gesagt hat, dass er an diesen Dingen nicht teilnehmen will.

Der Religionsunterricht war schwankend. Ich hatte auch gute Lehrer, die aktiv unterstützt haben, die Bibel und die Religion kritisch zu hinterfragen.

Im Nachhinein bin ich froh über die Sachen, die ich so mitgemacht habe, weil ich dadurch ein sehr entspanntes zur Religion habe. Ich finde es nicht gut, wenn man sich vor allem was mit Religion zu tun hat abschottet. Wenn dann hätte ich es schön gefunden, ähnliche Einblicke auch in andere Religionen zu bekommen, in dem man z.B. mal eine Synagoge oder eine Moschee besucht und sich auch damit auseinandersetzt.

Wir haben hier im Dorf auch eine Glocke. Irgendwann wurde die leiser gestellt, bis sich der direkte Nachbar beschwert hat, weil die fehlende Glocke seinen kompletten Schlafrhythmus durcheinander gebracht hat :smile:

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Ist das etwas, was sich mit den allgemeinen Erfahrungen deckt? Dir zufolge hatte ich in meiner Schulzeit nur Lehrer, die ihrer Pflicht nicht vernünftig nachgekommen sind, ganz zu schweigen davon, dass “Christentum” als Thema immer nur gestreift wurde; meistens ging es um andere Religionen bzw. Atheismus und Religionskritik.

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Ist das vielleicht länderabhängig? Bei mir haben fast alle Lehrer kritisches Hinterfragen unterstützt und der Unterricht war “über” Religionen (komme aus BW).

Würde mich aber nicht wundern, wenn das z.B. die Bayern anders handhaben. Dort hängen ja sogar noch Kreuze in den Schulen, oder?

Ich denke auch mal, dass es sehr davon abhängig ist in welchem Bundesland die Schule steht. Religion war bei mir in der Schule eher immer ein Austausch über alle Religionen und wir hatten auch immer einen starken ethischen Aspekt dabei.
In keiner Klassenarbeit war die Antwort „Gott war es“ :sadsimon:

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Ich würd mal denken, das hängt letztlich daran, wo ein intentionskonformer Religionsunterricht noch tragfähig ist. (In Bayern, dem Rheinland und Teilen von Westfalen wird er das sein.) Das hamburger Schulgesetz z.B. sieht den Religionsunterricht schon im Konzept als Vorläufer und Weiterführung des evangelischen Konfirmationsunterrichts, ich kann mir aber nicht vorstellen, dass das in sehr vielen hamburger Schulen auch wirklich so durchsetzbar ist, wenn man die Schüler in diesem Unterricht halten will.

Die ersten beiden Sachen geschenkt, aber wenn man überhaupt glaubt, dass irgendwo der Geistervater unterwegs is und in der Welt rumdoktert, find ich’s nicht fernliegend, dass Leute davon ausgehen, dass das auch in der klassischen Vorstellung als menschenähnlicher Mann stattfindet. Warum meinst Du, das sei abwegig?

ein (konfessionsloser und ungetaufter) bekannter von mir MUSS sich taufen lassen (und dann natürlich kirchensteuer bezahlen), um einen job zu bekommen, der sich in christlicher (evangelischer) trägerschaft befindet.
apropos, wie findet ihr eigentlich kirchensteuer?

Als was arbeitet er denn?

naja wenn ich bei der kirche arbeiten möchte nicht so ungewöhnlich.

ein bekannter muss sich einen anzug kaufen um im bankenconsulting zu arbeiten.

zumal ich mir ja mit der kirchensteuer um z.b. 30 eur im monat (shcon hoch gegriffen) ja ein gehalt von 2500,- erkaufe

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Einer der Hauptgründe, warum ich nicht einfach Atheist bin, sondern ein Atheist, der meckert.
Für alle, die mit der Kirchensteuer nicht konfrontiert sind, hier eine Übersicht aus meiner Erinnerung zur Sachlage zusammengeschrieben:

Die Kirchensteuer ist ein besonderes Konzept in Deutschland, das den alten Kirchzehnt aufgreift. Sie besteht aus einer Abgabe der Kirchenmitglieder an die Kirchen (8% bzw. 9% des Einkommens), die der Staat mit der restlichen Steuer einzieht und an die Kirchen weiterleitet. Der Staat wird dafür von den Kirchen bezahlt, macht aber insgesamt dabei einen finanziellen Verlust, weil die Verwaltungskosten die Kompensation übersteigen.
Jedes Kirchenmitglied mit Einkommen ist zur Entrichtung der Kirchensteuer verpflichtet. Diese Pflicht entfällt mit dem Kirchenaustritt, der in vielen Regionen kostenpflichtig ist. (Höchste mir bekannte Gebühr sind 68€. Dies ist als reines Strafgeld zu sehen, da das Amt ja auch für sonstige Inanspruchnahme, bei der keine Produktionskosten anfallen, keine Gebühren nimmt, da es als staatliche Institution steuerfinanziert ist.)
Kritisch, da man ohne Zustimmung für diese finanzielle Belastung angemeldet werden kann, indem die Eltern einen eben als Kirchenmitglied eintragen (Taufe).

Nachtrag: Was vllt. nicht klar gesagt wurde, ist, dass einen die gültige Taufe, egal durch wen, egal in welchem Land, egal, ob man sich beim Staat, der EKD oder beim Papst offiziell selbst oder mittels Eltern als Kirchenmitglied deklariert hat, eine Kirchenmitgliedschaft so begründet, dass die Kirchensteuer fällig wird.
Es gab kürzlich einen Fall von einem Franzosen, der als Kind irgendwo in Frankreich getauft wurde, dann nach Deutschland zum Arbeiten zog, und völlig überrascht war, dass er hier nun blechen muss, wenn er nicht explizit einen Austritt deklariert.
Theoretisch kann zu Hause einfach irgendwann der Pfaff das Kirchenbuch fälschen und einen zu 40 Jahren Nachzahlung verknacken lassen. Man muss nämlich, völlig absurd, im Härtefall die Nichtmitgliedschaft nachweisen.

Als Ausgetretener läuft man aber Gefahr, bei Eingehung einer Ehe mit einer Ersatzabgabe zur Kirchensteuer (das Besondere Kirchgeld), bei uns Atheisten gerne Heidensteuer genannt, gezwungen zu werden. Diese wurde meines Wissens für verfassungskonform erklärt, worüber ich drei Tage ohne Pause kotzen könnte, insbesondere wieder auf Blick damit, dass man ohne seine Zustimmung zu diesem Zustand verdammt werden kann.

Diese unfreiwillige Verpflichtung ist insbesondere kritisch, da die Katholen neben der Taufe durch einen Priester auch die Laientaufe (Nottaufe) kennen, sodass einen im Grunde jeder katholsiche Hinz und Kunz zu einer permanenten Abgabepflichtigkeit verdonnnern kann. @Niklas_Schier Kann ja mal sagen, wer bei den Evangelen taufen darf, die haben ja das sogenannte Priestertum aller Gläubigen. Wahrscheinlich ist man in dem Umfeld noch gefährdeter.

Die Kirchen tun gerne so, als würde mit der Kirchensteuer vorrangig karitative Arbeit unterstützt, dem ist aber nicht so. Die Erhaltung von Kirchengebäuden und Vereine wie Suppenküchen, Krankenhäuser, Caritas werden vornehmlich über Eigenfinanzierung (Spenden, Stiftungen) und staatliche Subventionierung getätigt. Für die Caritas wird der Anteil der Finanzierung von Kirchenseite üblicherweise mit 1-2% angegeben
Diese 1-2%-Vereine sind dann aber die, die Leute wegen Homosexualität und Wiederheirat feuern, da sie ja “kirchliche Arbeitgeber” sind.
De facto bezahlt die Kirchensteuer das kirchliche Personal, so es nicht, wie Bischöfe, vom Staat selbst bezahlt wird (Ebenfalls ein Unding.), und dient sonst vorrangig der Geldvermehrung der Kirchen. Das Bistum Aachen zum Beispiel hat sich damit ein schönes Immobilienportfolio zugelegt.